Mal was über Orange.

Orange?

Freitag, 14. Dezember 2012

Quantenmechanik mal anders

Quantenmechanik? Wieso denn das nun schon wieder? werden Sie sich fragen, und das mit Recht. Schließlich haben Sie Sprachen gewählt, weil Sie in der Schule nie begriffen haben, wofür all diese komplizierten mathematischen Operationen (1) gut sein sollten, und Quantenmechanik sagt Ihnen ungefähr so viel wie Einsteins Relativitätstheorie. Nämlich nichts.

Falls Sie jedoch sehr gebildet sind, haben Sie von diesem Schmetterling schon gehört, der irgendwo in den Anden sitzt und mit den Flügeln schlägt, und das löst dann in der Karibik einen Sturm aus, oder so ähnlich. Geben Sie's zu: das haben Sie auch nicht verstanden. Das macht aber nichts, denn hier soll die Rede sein von einer Katze, und von einer interessanten sprachlichen Parallele.

Die Katze, falls Sie das beruhigt, kommt hier nicht zu Schaden, denn es gibt sie gar nicht. Sie ist vielmehr Teil eines sogenannten Gedankenexperiments.(2) Nehmen wir einmal an, in einer Kiste wäre eine Versuchsanordnung, bei der ein atomarer Zerfall stattfindet oder nicht. (Gut, gell?) Falls er das tut – das wäre dann ein Quantenereignis (übrigens auch, wenn das nicht geschieht!) - dann registriert das ein Instrument und setzt automatisch ein schnell wirkendes Nervengift frei. Dann stirbt die Katze, und zwar sofort. Oder, der Zerfall bleibt aus, und die Katze überlebt.

Da die Kiste hermetisch verschlossen ist, kann man von außen nicht sehen, ob die Katze lebt oder tot ist. Dazu muss man die Kiste aufmachen. Und jetzt wird’s abenteuerlich, denn: Die Katze war, bevor Sie die Kiste aufmachten, lebendig UND tot. Im normalen Leben gibt es sowas nicht, aber in der Quantenphysik. Die sagt nämlich folgendes. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Katze lebendig ist, sei, sagen wir einmal, genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass sie tot ist. Fifty-fifty. Erst durch Ihre Beobachtung, also das Öffnen der Kiste, wird die eine Wahrscheinlichkeit "hundert Prozent", und die andere "null". Und zwar rückwärts! Das heißt, die Katze war dann die ganze Zeit lebendig oder tot. Solange die Kiste noch zu war, war sie – wir erinnern uns – beides. Die Physiker sagen, "die Wellenfunktion (3) kollabiert."

Um das etwas nachvollziehbarer zu machen, hier das Beispiel (kein Gedankenexperiment!) aus der wirklichen Welt: Wenn Ihnen im Englischen jemand von "my friend" erzählt, dann ist das entweder eine Freundin, oder ein Freund. Solange nur von "my friend" die Rede ist, wissen Sie nicht, was gemeint ist. Das ist sozusagen ein Freund UND eine Freundin; beides zugleich. Erst wenn dann ein Name oder ein Personalpronomen im Gespräch auftaucht, also "he" oder "she", wird Ihnen plötzlich klar: Das war die ganze Zeit schon ein Freund / eine Freundin! Erst jetzt ist quasi die Kiste offen, und die "Wellenfunktion kollabiert", um das mal physikalisch auszudrücken.

Denn das kennen wir jetzt.

Fußnoten

  1. Wenn Mathematiker etwas tun, ist das mindestens eine Operation. Die sagen nicht – wenn man eine Zahl von einer anderen abgezogen hat - "das Übriggebliebene", nein, das heißt "Differenz", und das "Ergebnis beim Teilen" ist der "Quotient" der "Division", und dergleichen mehr. Hier geht’s eigentlich um Physik, aber da ist es ähnlich.
  2. Das ist raffiniert: eine Versuchsanordnung, die man so gar nicht machen kann, und dann spekuliert man über die Ergebnisse (und nennt das Ganze "Wissenschaft")
  3. Wobei die Wahrscheinlichkeit praktisch eine Welle ist!


Samstag, 1. Dezember 2012

Von Irren und Idioten


In wenig zimperlichen Zeiten pflegte man zu unterscheiden zwischen dem Irren, etwa dem, der in der Irrenanstalt herumtobte oder dem, der sich für Napoleon hielt, und andererseits dem Idioten, dem geistig Minderbemittelten, auch schwachsinnig genannt oder zurückgeblieben.

Der Irre war und ist (wenn auch oft unter anderem Namen) "ver-rückt", und zwar im wörtlichen Sinn: seine Weltwahrnehmung ist gegenüber der unseren verschoben, und je nachdem, wie groß der Unterschied ist, wie groß auch sein Zweifel an der Welt, kennt unsere Diagnose die unterschiedlichsten Bezeichnungen. Interessant hierbei ist, dass auch andere Sprachen diese Verschiebung benennen und ebenso, dass es jeweils endlos viele Synonyme zu geben scheint.

So sprechen z.B. die Franzosen von fou (bzw - bei Frauen - folle), was letztlich vom lateinischen follis abgeleitet ist, und das heißt - "Windbeutel, Ballon". Verrückt heißt auf Lateinisch de mente captus (daher dement) bzw. insanus (daher im Englischen insane). Es gab früher in der Rechtssprache den Fachterminus de compos mentis, "bei klarem Verstand"; war einer das nicht, also non compos mentis, war er im Englischen (aus der Verballhornung dieses Begriffs) ein nincompoop, also ein "Trottel", ein "Einfaltspinsel" - fast schon ein Idiot, aber aufgeblasener als dieser, eben ein Windbeutel. Im Spanischen ist ein Verrückter loco (wovon die Herkunft ungewiss ist: Coromines führt es auf den Plural des Feminins von arabisch lauq zurück, aber das muss man nicht glauben. Loco ist der Spanier übrigens auch, wenn er verrückt nach etwas ist, etwa seiner Spanierin.

Im Italienischen sagt man pazzo, wenn man "toll, rasend" meint, aber auch "unsinnig". Wenn das Verhalten des Verrückten inkongruent ist mit dem, was ich für normal halte. A propos "rasend": Es gibt ein gewichtiges Werk der italienischen Literatur, den Rasenden Roland des Ludovico Ariosto (um 1520), in dem Roland (Orlando) vor Liebe seinen Verstand verliert (soll es geben), bis ein mitleidiger Prinz Astolfo zum Mond reitet (wenn man einen Hippogryphen hat, geht das) und ihm von dort seinen Verstand in einer Flasche zurückbringt. Der rasende Roland heißt im Original L’Orlando furioso. Interessanterweise hat das Wort furios, eigentlich "von den Furien gehetzt", eine geradezu positive Konnotation im Deutschen. Wahrig gibt neben 1. wütend, hitzig, leidenschaftlich auch 2. mit begeisterndem Schwung, packend an. Das englische furious dagegen heißt "wütend", und zwar vor Zorn, nicht vor Leidenschaft. Diesen Zorn benennt etwa auch das französische furieux, oder furioso im Spanischen und im Italienischen
Aber bleiben wir kurz beim Englischen: es kennt zwei Wörter für verrückt, die geradezu in die deutsche Umgangssprache eingegangen sind: mad und crazy. Warum aber sagt man z.B. Mad Cow Disease (Rinderwahn: wenn der Kuh auch noch das bisserl Verstand abhanden gekommen ist), warum nicht Crazy Cow Disease?

Mad heisst "mentally ill; insane: Very enthusiastic about someone or something" (zitiert nach dem Oxford Dictionary of English), hingegen ist crazy erst mal "informal" (umgangssprachlich), kann zwar auch so etwas wie "ausgerastet" heißen, ebenso auch "unsinnig"; laut dieses Wörterbuchs sogar "especially as manifested in wild or aggressive behaviour". Der Unterschied ist nicht immer einfach zu fassen: es scheint, als ob bei crazy mehr das Ausgeflippte, Närrische im Vordergrund steht, und bei mad eher das Kranke, Wahnsinnige. Andererseits sind die beiden Wörter in vielen Zusammenhängen fast synonym.

Des Weiteren kennt gerade auch das Englische eine Unmenge an Synonymen für "verrückt". Ein aufschlussreiches Wort sei noch herausgegriffen: lunatic. Hier steckt ganz deutlich der Einfluss des Mondes (lat. luna; frz. la lune) dahiner, der das Tun mancher Menschen, so glaubte man, beeinflusst. Das Wort hat auch eine umgangssprachliche Form, loony, und das Irrenhaus heißt dementsprechend loony bin (früher und offiziell lunatic asylum). Loony bin heißt übrigens wörtlich "Irreneimer" (quasi der Mülleimer für Irre). Schön ist auch das Kuckucksnest: cuckoo ist verrückt, und das nest ist die Anstalt. Wer im Biologieunterricht aufgepasst hat, weiss, dass der Kuckuck. ....na? J
Jedenfalls heisst der Film mit Jack Nicholson aus dem Jahre 1975 One Flew Over the Cuckoo's Nest

Ein interessantes Wort in diesem Zusammenhang ist das Jiddische meschugge: Im heutigen Umgangsdeutsch (nicht unbedingt in der Jugendsprache, scheint mir) ist es ein Synonym zu "bekloppt" oder "irgendwie bescheuert"; im Jiddischen heißt es auch schon, neben "verrückt und wahnsinnig", "spinnert", "kauzig". Das Wort deckte eigentlich die ganze Bandbreite, von "liebenswert schrullig" bis "toll, rasend" ab.

Noch einmal zurück zum Wort irre: schon die Gebrüder Grimm bezeichnen das Wort als urverwandt mit (lat.) errare -humanum est, wie wir wissen- und bedeutet somit "sich täuschen, irren, herumirren", und daher auch "Irrweg", "Irrgarten" und "Irrtum". Der Irre, das will die Bezeichnung ausdrücken, ist neben der Spur, nicht auf dem rechten Weg. Er irrt sich, wenn er glaubt, er sei Napoleon, und wenn ihm keiner glaubt, bzw. wenn er glaubt, dass ihm keiner glaubt, rast er vor verzweifelter Wut.

Der Idiot hingegen ist ein Trottel. Das ist auch nicht mehr politisch korrekt; er ist einfältig (im 18. Jahrhundert wollte Johann Jacob Winckelmann noch das Erhabene der antiken griechischen Kunst aus deren "edler Einfalt" (!) und "stillen Größe" herleiten) und er ist blöde (im Sinne von einfachen Gemüts; die Grimms zitieren Luthers Übersetzung von Hiob: "gott hat mein herz blöde gemacht und der allmechtige hat mich erschreckt"). Er ist zurückgeblieben, von schwachem Verstande, ein Simplex, ein Schwachkopf.

Aber das Wort Idiot hat eine sehr eigenartige Etymologie: ἰδιότης , Idiotes, heißt im (Alt)Griechischen die Privatperson; im 16. Jahrhundert wird daraus "der Ungebildete, Laie, Stümper" (zitiert nach Kluge); als juristischer Fachausdruck für "nicht im Vollbesitz der geistigen Kräfte" geht das Wort in die Gemeinsprache ein. Meyers Konversationslexikon von 1895 schreibt: "Idiotie, Idiotismus (grch.), in der Medizin der Inbegriff aller Formen von Geistesschwäche (s. d.), die durch frühzeitig (im Kindesalter bez. schon vor der Geburt) eintretende Störung der Gehirnentwicklung zu stande kommen," und "Der Grad der Geistesschwäche zeigt große Verschiedenheiten, von der einfachen Dummheit bis zum tiefsten Blödsinn"

So hartherzig man scheinbar früher mit "Schwachsinnigen" verfuhr: viele "Dorftrottel" waren durchaus akzeptiert im Dorf, und nicht jeder idiot de la famille wurde in der Besenkammer versteckt. Und mal ehrlich: Mit der scheinbar so objektiven IQ-Messung in unseren Tagen ist es auch nicht so weit her. Kann man denn Intelligenz messen (messen Sie mal den Regenbogen, den Hass oder die Ewigkeit!), sollte man sie messen? Was hätte man denn gewonnen?

Ein "wissenschaftlich" begründetes "ÄTSCH!"

NB: Das im Englischen oft auch heute noch gebräuchliche Wort für chaotisches drunter und drüber, wenn es also zugeht “wie im Tollhaus”, bedlam, leitet sich von einer Anstalt namens Bethlehem Hospital (gegr. in London 1377) her; die erste zwang- u. gewaltfreie Anstalt war das von einem Quäker namens Tuke im englischen York 1796 gegründete Retreat. Doch das ist nochmal eine andere Geschichte...

Fußnoten:
  1. Joan Coromines, Breve diccionario de la lengua castellana, Madrid 32008
  2. Gerhard Wahrig, Deutsches Wörterbuch digital 2.1
  3. vgl. hierzu Beckett, Endgame
  4. das Wort fehlt interessanterweise im Altnordischen, sagt das Grimmsche Wörterbuch
  5. Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache Berlin 221989

Fachwerk



Man muss nicht vom Fach sein, um Fachwerk zu mögen; es hat (heute, muss man sagen; früher war das anders) etwas Romantisches und gilt als so deutsch wie Grimms Märchen. Fragen Sie einmal die Heerscharen von japanischen Touristen, die durch Rothenburg ziehen, was ihnen dort so gefällt! Eigentlich war die Fachwerk-Bauweise die Art, wie weniger begüterte Menschen ihre Häuser bauten. Wer es sich leisten konnte, baute in Stein (war also "steinreich". Das gilt natürlich nicht für den Backstein). Fachwerk besteht aus einem Skelett von Hölzern, die senkrecht (Ständer), waagerecht (Riegel) und zumindest in Deutschland auch schräg (Streben) angebracht sind und beim fertigen Bau von außen zu sehen sind. Die Fächer dazwischen (daher "Fach"werk) wurden entweder mit einem Weidengeflecht verschlossen, das mit Lehm verschmiert wurde, oder sie wurden mit Steinen (mancherorts dann auch mit Backsteinen) verfüllt und gewöhnlich weiß gestrichen. Die Balken blieben dann meist braun, wurden gelegentlich auch farbig bemalt. Später, als man sich der "billigen" Bauweise schämte, wurde oft die ganze Fassade verputzt, das Fachwerk also versteckt. Mit etwas Gewöhnung sieht man es diesen Häusern an, was unter dem Putz liegt.


Auf jeden Fall, und das ist das Schöne am Fachwerk, ist jedes Haus ein Individuum, jeder Balken ist anders krumm, und das Ganze lebt und atmet geradezu. Übrigens gibt es regionale "Schulen" im Fachwerkbau: Rheinisch-Fränkisch, Nord- und Ostmitteldeutsch, und Schwäbisch-Alemannisch. Einzelheiten würden jetzt zu weit führen. Aber so leuchtet ein, warum Zimmerleute "auf die Walz" gingen – man sieht sie gelegentlich heute noch. Die breit ausgestellten Hosenbeine (mit "Schlag": damit kein Sägemehl in die Schuhe fiel), die Weste mit (8) Perlmuttknöpfen und der breitkrempige Hut (wiederum damit kein Sägemehl in den Kragen fiel) – kein Zweifel am "zünftigen" Zimmermann (ein "ehrbares" Handwerk!) Er hatte übrigens auch meist einen (nur einen!) Ohrring, und wenn ihm der unehrenhaft abgerissen wurde, war er ein "Schlitzohr". Ach ja, und auf die Walz ging er natürlich, um möglichst viele Konstruktionsweisen kennenzulernen.



Fachwerk gibt es auch in Osteuropa, etwa in Böhmen, Polen oder Litauen, aber es ist dort in aller Regel eine Folge der Besiedlung dieser Landstriche durch deutsche Immigranten, also, wenn man so will, "deutsches Fachwerk" und sieht auch so aus.



Fachwerk ("timber framing") in England (kaum in anderen Teilen der britischen Inseln) ist französisch (bzw. normannisch) beeinflußt und zeichnet sich durch enggestellte Ständer ("studs") aus, praktisch ohne Streben und Riegel.  

Eine britische Besonderheit sind die "cruck houses", wo krumm gewachsene Baumstämme in ihrer Krümmung baulich genutzt werden. Die Ausfachung nennt sich "wattle and daub"; der Kontrast zwischen den gewöhnlich fast schwarzen Balken und den weißen Fächern ist typisch und führte zur Bezeichnung "Tudor style". Am besten erhalten sind allemal die Pubs.



Auch in Frankreich gibt es eine reiche Fachwerktradition ("pan de bois"); hier sind es besonders Nordfrankreich (Normandie!) und das Elsaß. Daneben auch in den Niederlanden, in Belgien und – man höre und staune! - in Amerika. Eigentlich logisch: von europäischen Einwanderern "eingeschleppt" und ein Stil, der sich schließlich über Jahrhunderte bewährt hat.





Etwas vom Pferd

Die Sprachenvielfalt in Europa ist weniger beeindruckend, wenn man sich vor Augen hält, dass es hier lediglich vier größere Sprachfamilien gibt und eine Handvoll kleinere bzw. Einzelsprachen: neben den germanischen, romanischen, slawischen und keltischen Sprachen noch Litauisch etwa, Albanisch oder Griechisch. Alle diese Sprachen sind indoeuropäische Sprachen; daneben gibt es noch die finno-ugrische Gruppe (vor allem Finnisch, Estländisch und Ungarisch) und Baskisch. Das wars.

Nachdem die alten Indoeuropäer Europa sozusagen in Windeseile erobert und besiedelt haben (und dabei -bis auf die Basken- die europäische Urbevölkerung verdrängt, vernichtet oder geheiratet haben dürften), müssen sie eine Wunderwaffe gehabt haben. Die hatten sie auch, und zwar das Pferd.

Nähert man sich dem Pferd (wie wir es vom Pferdeflüsterer gelernt haben) vorsichtig und sprachlich, stellt man Interessantes fest:

*ékwos Indogermanische Wurzel; equus: Latein; ἵππος (hippos) Griechisch
marc'h: Bretonisch, march: Walisisch, margh: Cornish
capall: Irish, cabbyl: Manx; ceffyl: Walisisch (ein anderes Wort für Pferd);
cavall: Katalanisch; caval: Occitanisch, cheval (frz), caballo (sp); ĉevalo: Esperanto
hors, ēoh: Angelsächsisch
häst: Schwedisch, hest: Norwegisch, hestur: Ísländisch
: Ungarisch; hevonen: Finnisch; hobune Estnisch
paard: Niederländisch; פערד Jiddisch.
kůň: Tschechisch, koń: Polnisch; konj Kroatisch
Лошадь домашняя: Russisch

Soviel erst mal als Vorübung. Hier fällt z.B. auf, dass die keltischen Sprachen Wörter haben (marc'h, march, margh), die verdächtig ähnlich klingen wie "Mähre".
Dann fällt uns auf, dass romanische und einige der keltischen Sprachen Wörter benutzen, die eher nach Kavallerie klingen als nach equus, was doch, so unser alter Lateinlehrer, auf lateinisch Pferd heißt.
Unsere Mit-Germanen haben Wörter, die man mit etwas Fantasie zum einen mit Ross und zum anderen mit Hengst in Verbindung bringen kann.
Die Slawen haben mehrheitlich Namen, die in Richtung "Kohnj" gehen und uns eher unverwandt vorkommen; die Verwandschaft des Finnischen und des estnischen Namens ist offensichtlich, der Weg zum ungarischen Wort ist etwas länger.
Die Holländer sagen auch Pferd (okay, fast, nur ohne "pf"), und auf Jiddisch sogt men "Ferd" (auch ohne "pf"). Aber es gibt eine Reihe interessante Querverbindungen. Zu diesen kommen wir jetzt.

Das junge Pferd heißt Fohlen, engl. foal; veulen auf niederländisch; auf Frz.: pouliche () bzw. poulain () von pullus (Latein); als Heranwachsende heißen sie im englischen colt: ♂ bzw. filly: ♀. Ab 4 Jahren heißt ♀ mare auf englisch, auf niederländisch merrie, und meir in Scots. Das wäre unsere Mähre. Der erwachsene Hengst heißt auf englisch stallion. Das Wort hängt zusammen mit unserem Stall; stallion ist mithin der Deckhengst. Hengst (deutsch und niederländisch), stag (Scots), étalon auf französisch. Hengst ist ein altes germanisches Wort (so etwas wie *hangista), von dem sich sowohl isländisch hestur wie auch die übrigen skandinavischen Bezeichnungen herleiten lassen. Während z.B. angelsächsisch hengest allgemein Pferd bedeutete, hieß das deutsche Wort bis ins 15.Jhd. "verschnittenes Pferd, Wallach". So ein Pferde-Eunuch heißt auf englisch gelding (abgeleitet von einem altnordischen Wort für "unfruchtbar", geldr); ruin (!) auf niederländisch und hongre (d.h., cheval hongrois, also ungarisches Pferd) auf französisch.; Wallach bezieht sich übrigens auf die Walachei (in Rumänien), von woher wohl verschnittene Pferde importiert wurden; den unverschnittenen Hengst nannte man früher Ganzer; vgl. frz. entier. Ein mustang ist ein wild lebendes ex-domestiziertes Pferd in den USA, ein appaloosa: vom (Idaho-) Indianervolk der Nez Percé gezüchtetes, ursprünglich spanisches Pferd. Ein Pony ist in vielen Spachen ein solches; es handelt sich um ein kleinüchsiges Pferd. Isländische Pferde sind auch klein wie Ponys, nur darf man sie nicht so nennen.

Ross; das Wort lautete im Mittelalter hros oder ors und hängt so natürlich mit nl ros wie auch mit engl. horse zusammen. Der neudeutschen Nuance "edles Pferd" (die es im bayrischen Sprachraum nicht hat: hier gilt das Wort als synonym mit Pferd!) entspricht im Englischen am ehesten charger oder mount, früher auch mal steed (nicht, wie das verwandte deutsche Wort Stute, ein ♀Pferd! ) auf französisch coursier (zu courir, rennen). Auf italienisch destriero (zu destro "geschickt, mutig"), auf spanisch corcel (vom frz. coursier): "Caballo, especialmente el ligero, de gran alzada y bella estampa" (ElPaís.com, diccionario castellano)
Pferd: unser Grundwort hat eine abenteuerliche Etymologie; es leitet sich wohl ab von lat. paravedus, was wiederum von einem keltischen Wort für Kutsche zusammenhängt. Ein Pferd war demnach ein Kutschpferd (und zwar, wie z.B. Mackensen ausführt, "auf einer Nebenlinie", was immer das heißen soll). Etymologisch hängt das Wort auch mit engl. palfrey zusammen. Dieses war ein Reitpferd für die Dame; es hieß auf deutsch Zelter, da so ein Pferd im Paßgang lief (so heißt es meist in den Wörterbüchern; gemeint ist wohl der Tölt, wie ihn heute nur Islandpferde beherrschen)
Gaul war ursprünglich ein Wort für überhaupt ein ♂Tier, erst seit dem 15. Jhd. (vor allem Arbeits-)Pferd . Es gibt noch mehrere andere herabsetzende Begriffe im Deutschen: Klepper, Kracke (norddt.), Zosse (über Rotwelsch aus dem Jiddischen; von Hebräisch sus); Mähre (vgl. Mähr-Rettich: horse radish; auch horse chestnut und Roßkastanie); Schindmähre (taugt nur noch für den Schinder, d.h. Abdecker). Engl. nag, Herkunft unbekannt.

Viele Bezeichnungen für Pferd richten sich nach dessen Farbe:
schwarz Rappe (vgl. Rabe), black, noir, negro
weiß Schimmel, gray, gris
rot Fuchs, chestnut (oder Sorrel), alazán (esp) bzw. alezan (frz): ein arabisches Wort
braun, bay, bai (frz) baio (ital) von einem lat. Wort badius für diese Farbe; vgl. Altirisch buide, "gelb"
gescheckt pinto; skäck auf Schwedisch
falb, champagne, dun; isabell, palomino, buckskin

Und wo bleibt die Kavallerie?
Das Vielvölkerreich des Imperium Romanum sprach viele Sprachen, vor allem in den Kasernen der Peripherie. Nur eines sprach man nicht: Latein, wie wir es aus dem Lateinunterricht kennen. Das war die Sprache der Dichter und Philosophen, doch in den Straßen und Gassen Roms und erst recht in den entlegeneren Teilen des Reichs sprach man einen Mischmasch aus lateinischen Elementen und Brocken Keltisch, Illyrisch, Germanisch oder Thrakisch. Und woher auch immer, das übliche Wort für Pferd war caballus und eben nicht equus. Daher caballo und caballero, cheval und chevalier, capall, caval und - die Kavallerie.

Fußnoten:
  1. In der Sprachwissenschaft werden erschlossene, also nicht schriftlich belegte Wörter und Wortteile mit einem vorangestellten Asterisk (*) gekennzeichnet. Ich folge dieser Praxis
  2. im Bretonischen bezeichnet ch den sch-Laut (wie im Französischen), und c'h den ach-Laut (wie im Deutschen)
  3. daher auch z:b: Marstall und Marschall
  4. das Nederlands etymologisch woordenboek führt das auf Russen zurück. Ob das Putin weiß?
  5. das gibt's öfter und nennt sich Metathese: den Platzwechsel von r (manchmal l) und einem Vokal. Vgl. z.B. "Born" und "Bronn", auch "fright" und "Furcht"
  6. interessanterweise bezeichnete im Germanischen *stoda eine ganze Pferdeherde und deren Aufenthaltsort; daran erinnert auch noch das Wort Gestüt. Vgl. auch Stuttgart

Berühmte Pferde


Berühmte Pferde
Bukephalos - das Pferd Alexanders; wo es starb, gründete er eine Stadt, das heutige Lahore
Marengo - Napoleons Pferd in der Schlacht von Waterloo
Copenhagen - des Duke of Wellington Pferd in der Schlacht von Waterloo
trojanisches Pferd - voller Griechen, daher Trojas Verderben. Was fallen die auch auf sowas rein!
Black Beauty - ein Mädchenbuch-Klassikerpferd
Black Bess - das Pferd des Räubers Dick Turpin
Brego - das Pferd von Aragorn; das von Gandalf heißt Shadowfax bzw. Schattenfell
Sleipnir - Odins achtbeiniges Pferd
Rocinante - das Roß des Ritters de la triste figura ("von der traurigen Gestalt")
Hatatitla - das Pferd von Karl May als Old Schmetterhand
Iltschi - das Pferd vom edelsten aller Indianer, Winnetou
Rih - das Pferd von Karl May als Kara Ben Nemsi, das ist verdolmetscht: Karl Sohn der Deutschen
Jolly Jumper - das Pferd des Mannes, der schneller schießt als sein Schatten (Lucky Luke)
Fury - DAS Fernsehpferd (und Flicka das andere, das für die Mädchen)
Mr Ed - noch ein Fernsehpferd: dieses kann sprechen!
Lilla Gubben - Pippi Långstrumps häst: so nennt Pippi ihr Pferd: "Herzchen"
Binky - das Pferd von Tod auf der Scheibenwelt. Pratchett-Leser kennen das freundliche Tier
Nachtmahr - der Alptraum ist ein nächtliches Pferd auf der Brust
Von Seabiscuit bis Halla: tausende von Rennpferden, die jeder kennt, der sowas am Radio verfolgt...

berühmte halbe Pferde:
Einhorn - halb Pferd, halb Rhinozeros, Ziegenfüße u. dergl.
Kentaur (Zentaur) - oben Mensch, unten Pferd: umgekehrt säh's furchtbar aus
Pegasus - halb Pferd, halb Pferde-Engel (??) , jedenfalls geflügelt
Nil- oder Flußpferd (Hippopotamus) - halb Hippos (griech. Pferd), halb doch nicht (zu dick?)
Steckenpferd (hobby horse) - oben Pferd, unten Stecken: man reitet aus Hobby
Seepferdchen - aus der Familie der Seenadeln, d.h. ein Fisch, nicht mal halb ein Pferd. Aber (wichtig!): Das Seepferdchen bekommt, wer 25 Meter am Stück schwimmen und aus brusthohem Wasser einen Tauchring hochholen kann.

Und ein Bild von Peppino Poverino, zumindest laut  website

Frühstück+

Wer schläft, sündigt nicht, heißt es; sieht man einmal von Schlafwandlern ab, die mitten in der Nacht den Kühlschrank plündern (raiding the fridge: man kennt das aus zahllosen Filmen), kann man wohl allgemein sagen: zumindest ißt nicht, wer schläft.

Fastenbrechen: breakfast, brecwast (Walisisch: ganz offensichtlich ein Lehnwort aus dem Englischen; es sei hier nur erwähnt, weil es so putzig aussieht), (petit) déjeuner (vom frz. jeûne, Fasten). Nachdem der Franzose zumindest sprachlich die essensfreie Zeit mit dem Mittagessen bricht, ist das Frühstück nur ein kleines Fastenbrechen.
Auf Lateinisch heißt Fasten ieiunium; ieiunosus heißt nüchtern und hungrig, daher im Spanischen ayuno für das Fasten und desayuno das Fastenbrechen, das Frühstück.
Auf Holländisch sagt man ontbijt, der An-biss. Kurz & trocken.

Nochmals zu breakfast: da gibt es ja das berühmte englische Frühstück, das natürlich auf Englisch nicht so heißt, sondern traditional oder cooked breakfast. oder gleich fry up, weil alles in der Pfanne gebraen wird, mit Spiegeleiern, bacon oder Würstchen und als Krönung einer halben gebratenen Tomate. Und, so man will, beans on toast & überhaupt toast. Das gibt es - in Englischlehrbüchern, und gegen Aufpreis auch im englischen Hotel. Ansonsten gibt es dort das sogenannte continental breakfast; der Kontinent dabei ist der europäische (was drollig ist, wenn gelegentlich auch die Amerikaner vom continental breakfast sprechen), und das bedeutet: Kaffee, und ein, zwei Brötchen und ein liebloses Portiönchen Marmelade.

Zusammengetragenes (wie z.B. am Hotel-Frühstücksbüffet): (prima) colazione. Das Englische kennt ein ähnliches Wort, collation, für den Imbiss.

Teilchen am Morgen: Frühstück. Das Wort reicht ins 15. Jahrhundert zurück und bezog sich damals auf das erste Stück Brot; heute sind den meisten Leuten Brötchen lieber (oder gleich sog. Teilchen: was Süßes vom Bäcker). Das zweite Frühstück heißt Gabelfrühstück nach déjeuner à la fourchette: vornehm aufgegabelte Häppchen, aber kein Sushi.
Katerfrühstück: die erste Mahlzeit nach durchzechter Nacht. Ob Rollmops oder sonstwas: S hilft nix!
An amerikanischen Unis ist z.T. vor akademischen Prüfungen ein sogenanntes midnight breakfast Brauch, d.h. spät abends im Speisesaal aufgetragenes Frühstück zur Stärkung der Prüflinge

Auf Esperanto: Matenmanĝo, d.h. die erste Manĝo des Tages; vgl. borebwyd "Morgenmahl" auf Walisisch. Auf Tschechisch: snídaně, abgeleitet von jíst (Perfektform sníst), "essen"; auch in anderen slawischen Sprachen heißt es ähnlich (z. B. polnisch śniadanie); andererseits hieß es auf Slowakisch bis vor kurzem fruštík (heute raňajka); das ungarische fölöstököm war schon im 16. Jhd. vom Deutschen entlehnt; heute heißt es allerdings reggeli, von reggel, der Morgen.

nach der Uhrzeit:
-
elevenses (eine Art 5-o'clock tea früh um 11) in Britannien
- zNüni: ein Swiss snack um 9 (in der Schweizer Armee heißt das Zwipf - Zwischenverpflegung). Manchmal saget se au zMorge (wenn's nit um nüni isch). Müsli heißt übrigens Müesli und spricht sich auch so!

Hauptsache Kaffee:
Türkisch kahvaltı - kahval ist Kaffee; das Wort bedeutet "vor dem Kaffee" und auf Griechisch (το) πρόγευμα, "das Essen vor der Mahlzeit": eigentlich aber ist das typische griechische Frühstück (auch) Kaffee, und die Zigarette stattdessen.

Brunch, aus breakfast und lunch: "Den Brunch gibt es häufig in Büffetform mit reicher Auswahl;
er ist damit die ideale Mahlzeit für Spätaufsteher am Wochenende. Allerdings bleibt er die besondere Ausnahme" Wenn die Leute könnten, wie sie wollten, wär er allerdings die Regel.

A propos Mahlzeit bzw. Arbeitsfrühstück: Man fragt sich, wann die Tafelrunde des Artushofes zusammenkam: zum Frühstück, um danach zu edelen und löblichen Taten aufzubrechen, oder am Abend, um mit denselben Taten zu prahlen.

(1)  © Stiftung Lesen, Mainz 2009 · Frühstückszeit = Lesezeit – Die Lesefrühstück-Initiative für Grundschulen Arbeitsblatt.

Pünkte


Punkte Punkte Pünkte
sind schön und interessant
wie mich als Kind schon dünkte
[Christoph Stählin] 

Natürlich hängt die Geschichte der Zeichensetzung mit der Geschichte des Schreibens eng zusammen. Zeichensetzung, könnte man meinen, sei etwas, das ab dem Moment notwendig ist, ab dem Worte geschrieben werden.

Doch weit gefehlt: nicht einmal die scheinbar unabdingbare Vorstufe zur Zeichensetzung, der Leerraum zwischen Wörtern, schien zu allen Zeiten notwedig: in der römischen Antike etwa wurden Wörter mitunter durch einen Punkt getrennt (der hieß Interpunctum, daher auch Interpunktion), sehr oft aber eben nicht:

DIEALTENRÖMERSCHRIEBENOFTALLESZUSAMMENUNDALLESINVERSALIENWASNATÜRLICHSCHWERZULESENIST: MANCHMAL/GEBRAUCHTEN/SIE/DIE/VIRGULA (heute: "slash"- Von Virgula leitet sich natürlich das französische Wort für Komma ab, <vergule>).

Die Griechen übrigens kannten tatsächlich ein Interpunktionssystem mit Punkten, deren jeweilige Position (auf der Grundlinie, in mittlerer Höhe oder oben in der Schriftzeile) jedoch mehr der Rhetorik dienten (und kurze, mittlere oder lange Pausen signalisierten) und nicht als Mittel zur Textstrukturierung, wie die heutigen Satzzeichen. Davon abgesehen, schrieben sie im Normalfall wie die Römer, in der scriptio continua.

auchimmittelalterschriebmangewoehnlichzusammenaberoftinsogenanntenminuskeln (von denen unsere Kleinbuchstaben abstammen); manche Buchstaben entwickelten nun allmählich Unterlängen (wie g, y oder j), manche Oberlängen (wie b, d oder f), was ein wenig zur Lesbarmachung beitrug. Nur wurde leider noch lange relativ willkürlich manches groß, anderes wieder klein geschrieben, und dies ist zumindest für den heutigen Leser recht verwirrend. Immerhin wurden nun vereinzelt Zeichen, wie der Punkt (.) oder die Virgula (/), als gliedernde Satzzeichen verwendet.

Übrigens änderte sich von der Antike über das Mittelalter zur Neuzeit das Lesen selbst, und zwar nicht unerheblich: In der Antike, als beileibe nicht jedermann des Lesens kundig war (und man sich im Falle der Römer schon auch einmal einen griechischen Sklaven hielt, der lesen konnte) war Vorlesen wichtig, später las selbst der des Lesens Kundige laut, und erst allmählich entwickelte sich das sogenannte stumme Lesen, wie wir es kennen. Auch heute noch gibt es Menschen (vor allem die, die erst vor kurzem lesen lernten), die brav mit dem Finger auf der Zeile auf das deuten, was sie Lesen. "Profis" brauchen das i.d.R. nicht mehr. Und doch: In kaum einer Kultur hat das Lesen einen höheren Stellenwert als in der jüdischen, und gerade in den Synagogen wird rituell beim Vorlesen aus der Tora ein (meist silberner) kleiner Zeiger verwendet: der Text ist zu heilig, um profan mit den Fingern berührt zu werden!

Im frühen Buchdruck schließlich / als die ersten satz=zeychen aufkamen / gliederte man den text wenigstens einiger Maaßen / auch wenn die Kunst der Ortho=Graphia / einem das lesen / Manches Mal schwer machte. Doch nach und nach werden etwa ab 1630 mehr oder weniger systematisch weitere Satzzeichen eingeführt, so nun auch das Semikolon (;), Kolon (:) und vor allem das Komma (,). Ob dies nun Ursache oder Folge war: auf jeden Fall wurden die Texte nun komplexer, mussten gelegentlich wohl auch mehrfach gelesen werden, und die Gliederung durch Satzzeichen war dabei von enormer Bedeutung. Nebenbei: Frage- und Ausrufezeichen galten eher als rhetorische Hilfen, denn als Zeichen des Satzschlusses.

Übrigens geschieht die Gliederung von Texten durch differenzierte Satzzeichen durchaus auch schon in manchen Manuskripten; in Irland zum Beispiel entwickelten die Schreiber schon um das 8. Jahrhundert Mittel der Textgliederung, die z.T. modernen Satzzeichen entsprechen (daneben dienten auch Initialen, Schiftform und -farbe eben diesem Zweck). Doch dem Beispiel wurde nicht oft Folge geleistet, und die "moderne" Interpunktion setzte voll erst mit dem Buchdruck ein. Interessanterweise stellte dieser gleichzeitig zunächst eine gewisse technische Einschränkung bei der Entwicklung der Satzzeichen dar: Im Bleisatz läßt sich so ein kleine Strich- oder Pünktlein nicht so einfach einschieben, wie das beim Manuskript möglich gewesen wäre.

Allmählich erwachte auch ein Interesse an einer theoretischen Beschäftigung mit der Sprache: Grammatiken und Regelbücher beschrieben, analysierten.

Was tun nun die Satzzeichen? Sie gliedern, fügen bei, ordnen unter: ein ganze Bandbreite an Optionen - Möglichkeiten, wenn man so will. Eine Pracht! Wirklich? Man kann "zitieren", (erklären) & (+?) vieles mehr: doch genug!!
Arno Schmidt lehrte die Zeichen reden: - ?? ja! > !!
Das hatte Dada auch schon getan, nur viel weniger systematisch!"§"$%&/da)/&§%"/DA

nehmen wir - z.B. - den Punkt:

Er markiert das Ende des Satzes. Period. Full stop. Point. el oder il punto. Wir gehen mit der Satzmelodie runter. Andere rauf: das wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Er markiert die Satzgrenze, gibt dem Satz Vollendung und Würde: so manchen Satz versteht man erst vom Ende her.

Er kürzt ab: die USA schreiben ihr Land immer U.S.A. als würden sie es tatsächlich ernst meinen. Die F.D.P. tat das auch mal, von 1968 bis 2001, bis sie merkte, daß das eher albern war. Die F.A.Z. kürzt man immer so ab, die taz nicht.

Im Deutschen macht der Punkt eine Kardinal- zu einer Ordinalzahl; wir tun das sogar beim Datum und schreiben 9. November; der 3. ist der Dritte und basta.

Manchmal schafft er Übersicht: 1.000.000 ist leichter als Million lesbar als 1000000.

Er wirkt kompromißlos, kompetent: "dräger. Technik für das Leben" (auf der Website von dräger USA [draeger.com] heißt das "technology for life". Früher hätte man nach dem Firmennamen wahrscheinlich einen Gedankenstrich gemacht: "dräger - Technik für.." oder vielleicht einen Doppelpunkt. Heute faßt man sich kürzer.

Mitunter tut der Punkt sich mit seinesgleichen zusammen... den Rest muß man sich denken. Oft i:st ... was ausgelassen.

Fußnoten

  1. was sich natürlich bei Schriftsystemen wie den ägyptischen Hieroglyphen von selbst verbietet.
  2. bei den Griechen gibt es in der Frühzeit etwas ganz Eigenartiges; in manchen Texten läuft der Text zunächst von rechts nach links, in der folgenden Zeile dann von links nach rechts, dann, in der dritten Zeile, wieder in der entgegengesetzten Richtung, und so weiter. Das hieß boustrophedon: wie der Bauer mit dem Ochsen pflügt.
  3. ein Hersteller von medizintechnischen Geräten: hier sein Werbespruch