Die
Sprachenvielfalt in Europa ist weniger beeindruckend, wenn man sich
vor Augen hält, dass es hier lediglich vier größere Sprachfamilien
gibt und eine Handvoll kleinere bzw. Einzelsprachen: neben den
germanischen, romanischen, slawischen und keltischen Sprachen noch
Litauisch etwa, Albanisch oder Griechisch. Alle diese Sprachen sind
indoeuropäische Sprachen; daneben gibt es noch die finno-ugrische
Gruppe (vor allem Finnisch, Estländisch und Ungarisch) und Baskisch.
Das wars.
Nachdem
die alten Indoeuropäer Europa sozusagen in Windeseile erobert und
besiedelt haben (und dabei -bis auf die Basken- die europäische
Urbevölkerung verdrängt, vernichtet oder geheiratet haben dürften),
müssen sie eine Wunderwaffe gehabt haben. Die hatten sie auch, und
zwar das Pferd.
Nähert man sich
dem Pferd (wie wir es vom Pferdeflüsterer gelernt haben) vorsichtig
und sprachlich, stellt man Interessantes fest:
*ékwos
Indogermanische
Wurzel;
equus: Latein;
ἵππος (hippos) Griechisch
marc'h:
Bretonisch,
march: Walisisch,
margh: Cornish
capall:
Irish, cabbyl:
Manx; ceffyl:
Walisisch
(ein anderes Wort für Pferd);
cavall:
Katalanisch; caval:
Occitanisch, cheval
(frz), caballo
(sp); ĉevalo:
Esperanto
hors,
ēoh:
Angelsächsisch
häst:
Schwedisch, hest:
Norwegisch, hestur:
Ísländisch
ló:
Ungarisch; hevonen:
Finnisch; hobune
Estnisch
paard:
Niederländisch; פערד
Jiddisch.
kůň:
Tschechisch,
koń:
Polnisch; konj
Kroatisch
Лошадь
домашняя: Russisch
Soviel
erst mal als Vorübung. Hier fällt z.B. auf, dass die keltischen
Sprachen Wörter haben (marc'h,
march, margh),
die verdächtig ähnlich klingen wie "Mähre".
Dann
fällt uns auf, dass romanische und einige der keltischen Sprachen
Wörter benutzen, die eher nach Kavallerie klingen als nach equus,
was doch, so unser alter Lateinlehrer, auf lateinisch Pferd
heißt.
Unsere
Mit-Germanen haben Wörter, die man mit etwas Fantasie zum einen mit
Ross
und zum anderen mit Hengst
in Verbindung bringen kann.
Die
Slawen haben mehrheitlich Namen, die in Richtung "Kohnj"
gehen und uns eher unverwandt vorkommen; die Verwandschaft des
Finnischen und des estnischen Namens ist offensichtlich, der Weg zum
ungarischen Wort ist etwas länger.
Die
Holländer sagen auch Pferd (okay, fast, nur ohne "pf"),
und auf Jiddisch sogt men "Ferd" (auch ohne "pf").
Aber es gibt eine Reihe interessante Querverbindungen. Zu diesen
kommen wir jetzt.
Das
junge Pferd heißt Fohlen,
engl.
foal; veulen auf
niederländisch;
auf Frz.:
pouliche
(♀)
bzw. poulain
(♂)
von pullus
(Latein); als Heranwachsende heißen sie im englischen colt:
♂ bzw. filly:
♀. Ab
4 Jahren heißt ♀
mare
auf englisch, auf niederländisch
merrie,
und meir
in Scots. Das wäre unsere Mähre.
Der
erwachsene Hengst
heißt auf englisch stallion.
Das Wort hängt zusammen mit unserem Stall;
stallion
ist mithin der Deckhengst. Hengst
(deutsch und niederländisch), stag
(Scots), étalon
auf französisch. Hengst
ist ein altes germanisches Wort (so etwas wie *hangista),
von dem sich sowohl isländisch hestur
wie auch die übrigen skandinavischen Bezeichnungen herleiten lassen.
Während z.B. angelsächsisch hengest
allgemein ♂Pferd
bedeutete, hieß das deutsche Wort bis ins 15.Jhd. "verschnittenes
Pferd, Wallach". So ein Pferde-Eunuch heißt auf englisch
gelding (abgeleitet
von einem altnordischen Wort für "unfruchtbar",
geldr);
ruin
(!) auf niederländisch und hongre
(d.h., cheval
hongrois,
also ungarisches Pferd) auf französisch.; Wallach
bezieht sich übrigens auf die Walachei (in Rumänien), von woher
wohl verschnittene Pferde importiert wurden; den unverschnittenen
Hengst nannte man früher Ganzer;
vgl. frz. entier.
Ein
mustang
ist ein
wild
lebendes ex-domestiziertes Pferd in den USA, ein appaloosa:
vom (Idaho-) Indianervolk der Nez Percé gezüchtetes, ursprünglich
spanisches Pferd. Ein Pony
ist in vielen Spachen ein solches; es handelt sich um ein
kleinüchsiges Pferd. Isländische Pferde sind auch klein wie Ponys,
nur darf man sie nicht so nennen.
Ross;
das
Wort lautete im Mittelalter hros
oder ors
und hängt so natürlich mit nl ros
wie auch mit engl. horse
zusammen. Der neudeutschen Nuance "edles Pferd" (die es im
bayrischen Sprachraum nicht hat: hier gilt das Wort als synonym mit
Pferd!) entspricht im Englischen am ehesten
charger oder
mount,
früher auch mal steed
(nicht,
wie das verwandte deutsche Wort Stute,
ein ♀Pferd!
)
auf
französisch
coursier (zu
courir, rennen).
Auf
italienisch destriero
(zu
destro
"geschickt,
mutig"),
auf
spanisch
corcel (vom
frz.
coursier): "Caballo,
especialmente el ligero, de gran alzada y bella estampa"
(ElPaís.com, diccionario castellano)
Pferd:
unser
Grundwort hat eine abenteuerliche Etymologie; es leitet sich wohl ab
von lat. paravedus,
was wiederum von einem keltischen Wort für Kutsche zusammenhängt.
Ein Pferd war demnach ein Kutschpferd (und zwar, wie z.B. Mackensen
ausführt, "auf einer Nebenlinie", was immer das heißen
soll). Etymologisch hängt das Wort auch mit engl.
palfrey zusammen.
Dieses
war ein Reitpferd für die Dame; es hieß auf deutsch Zelter,
da
so ein Pferd im Paßgang lief (so heißt es meist in den
Wörterbüchern; gemeint ist wohl der Tölt,
wie ihn heute nur Islandpferde beherrschen)
Gaul
war
ursprünglich
ein Wort für überhaupt ein ♂Tier,
erst seit dem 15. Jhd. (vor allem Arbeits-)Pferd
. Es gibt noch mehrere andere herabsetzende Begriffe im Deutschen:
Klepper, Kracke (norddt.),
Zosse
(über Rotwelsch aus dem Jiddischen; von Hebräisch sus);
Mähre
(vgl. Mähr-Rettich: horse
radish;
auch horse
chestnut
und Roßkastanie);
Schindmähre
(taugt nur noch für den Schinder, d.h. Abdecker). Engl. nag,
Herkunft unbekannt.
Viele Bezeichnungen für Pferd richten
sich nach dessen Farbe:
schwarz
Rappe
(vgl. Rabe),
black, noir, negro
weiß
Schimmel,
gray, gris
rot
Fuchs,
chestnut (oder
Sorrel),
alazán (esp)
bzw.
alezan (frz):
ein arabisches Wort
braun,
bay,
bai
(frz) baio
(ital) von einem lat. Wort badius
für diese Farbe; vgl. Altirisch buide,
"gelb"
gescheckt
pinto;
skäck
auf Schwedisch
falb,
champagne,
dun; isabell, palomino, buckskin
Und wo bleibt die Kavallerie?
Das
Vielvölkerreich des Imperium Romanum sprach viele Sprachen, vor
allem in den Kasernen der Peripherie. Nur eines sprach man nicht:
Latein, wie wir es aus dem Lateinunterricht kennen. Das war die
Sprache der Dichter und Philosophen, doch in den Straßen und Gassen
Roms und erst recht in den entlegeneren Teilen des Reichs sprach man
einen Mischmasch aus lateinischen Elementen und Brocken Keltisch,
Illyrisch, Germanisch oder Thrakisch. Und woher auch immer, das
übliche Wort für Pferd war caballus
und eben nicht equus.
Daher caballo
und caballero,
cheval
und chevalier,
capall, caval und - die Kavallerie.
Fußnoten:
In
der Sprachwissenschaft werden erschlossene, also nicht schriftlich
belegte Wörter und Wortteile mit einem vorangestellten Asterisk (*)
gekennzeichnet. Ich folge dieser Praxis
im
Bretonischen bezeichnet ch den sch-Laut (wie im
Französischen), und c'h den ach-Laut (wie im Deutschen)
daher
auch z:b: Marstall und Marschall
das
Nederlands etymologisch woordenboek führt das auf Russen zurück.
Ob das Putin weiß?
das
gibt's öfter und nennt sich Metathese: den Platzwechsel von r
(manchmal l) und einem Vokal. Vgl. z.B. "Born" und
"Bronn", auch "fright" und "Furcht"
interessanterweise
bezeichnete im Germanischen *stoda eine ganze Pferdeherde und deren
Aufenthaltsort; daran erinnert auch noch das Wort Gestüt. Vgl. auch
Stuttgart