Mal was über Orange.

Orange?

Sonntag, 8. Dezember 2013

O Òc Sí Bai Ya Win Oui Oyi Awè Jo Ja Oua = "Ja" auf Französisch

Gallia est omnis divisa in partes tres...schrieb Julius Cäsar in seiner Kriegsfibel (durchaus polemisch gemeint: „De bello gallico" heißt das Buch, und wir wurden damals im Lateinunterricht damit gequält – das nur nebenbei), und das ist interessant aus mehreren Gründen. Zum einen, weil er von mehreren Stämmen spricht (und er hätte ruhig noch mehrere erwähnen können), und zum anderen, weil er von einem Gallien spricht. Ganz Gallien war von den Römern besetzt...Naja, das kleine Dorf in Armorica ausgenommen, aber: ein Gallien, oder das Gallien – das gab es nicht. Aus römischer Sicht gab es Gallia Cisalpina (Gallien diesseits der Alpen: also Kelten im heutigen Italien!), es gab Gallia Narbonnensis (das Gallien im heutigen Frankreich), und den Rest von Gallien, eben nicht von den Römern besetzt.
Das mit den Stämmen ist auch so eine Sache: Es gab mindestens zwei Dutzend von ihnen, und man weiß bis heute nicht allzu viel über sie. Außer dass das alles Kelten waren. Das heißt: wahrscheinlich. So ganz genau weiß man das eigentlich auch nicht. Kelten hieße: Sie alle sprachen eine keltische Sprache (Gallisch, aber das war wahrscheinlich auch ein Sammelsurium von Dialekten). Ansonsten taten sie am liebsten das, was man auch den (britannischen) Inselkelten nachsagt: in Frieden leben, was soviel heißt wie Trinken, Raufen, dem Nachbarstamm das Vieh klauen (vgl. das altirische Epos Táin Bó Cúaligne), und ansonsten Teutates einen guten Mann sein lassen. Diesen Frieden brachen die Römer. Gut, sie brachten auch ein gewisses Maß an Zivilisation mit, Aquädukte, befestigte Straßen, Thermen und Nachtigallenzungen in Aspik („Aber was haben die Römer sonst noch für uns getan?" wie es so schön in Leben des Brian heißt) und jeder Gallier konnte und sollte Bürger des mächtigen Römischen Reiches werden. Letztlich muss diese Besatzungszeit vor allem eins gebracht haben: eine Vermischung der Sprachen. Wir wissen auch über dieses Gallorömische eher wenig, aber es hat sich zweifellos um eine Pidgin-Sprache gehandelt, eine Kontaktsprache, wie sie entstehen, wenn Völker (vor allem, wenn sie von verschiedener Kulturstufe sind) in ständigem Kontakt sind. Man gewöhnt sich aneinander, benutzt für die zunächst zaghaft unternommene Kommunikation i.d.R. die Sprache des Mächtigeren/Reicheren, und weil das in diesem Fall die Römer waren, eben Latein.
edler Römer
Man beachte die leicht angeschmutzte Toga...

Aber eben nicht die Sprache Julius Caesars (mit der man uns damals im Lateinunterricht quälte, doch davon genug!) Nein, es handelte sich um sogenanntes Vulgärlatein. Zum einen ist das aber nicht so vulgär, wie es sich anhört; es ist „nur" die Sprache des Volkes (lat.: vulgus), und die ist nicht die Sprache der vornehmen Leute, der Machtpolitiker und Philosophen in weißer Toga, stilvoll, elegant (also die Sprache, die wir damals...), sondern lebendig, deftig und sehr vielfältig. Oder bunt. Man stelle sich einmal die römische Armee vor: das waren kaum die Römer aus der Stadt Rom, sondern Menschen aus allen Teilen des Weltreichs,. Also, sagen wir mal, Daker, Thraker, Kimbern, Häduer, und Makedonier und Alamannen, übergelaufene Sachsen und angekaufte Numidier, und und und. Auch sie müssen ein Kauderwelsch gesprochen haben, das weit war vom klassischen (Schul-)Latein. Im Kontakt mit den keltischen Galliern erweiterte sich diese Mischung noch mehr, auch wenn spätere Generationen nicht allzuviel von dem Keltisch ihrer Vorfahren überliefert bekommen haben. (Und doch: Wissen Sie, warum die Franzosen quatre-vingt dix sagen, wenn sie 90 meinen? Weil die Kelten ein Zwanziger-Zählsystem hatten!)
Noch einmal zurück zum Pidgin der römisch-gallischen Begegnung: Irgendwann wird dies nicht mehr nur auf sporadische Kontakte beschränkt geblieben sein. Die Menschen freunden sich an, heiraten gar, haben Kinder, und über kurz oder lang wächst eine Generation heran, die reines Gallisch oder – naja, einigermaßen reines – Latein gar nicht mehr kennen. Kinder, für die Galloromanisch Muttersprache ist. Eine solche Sprache nennt man Kreolsprache (richtig: in der Karabik gibt's das sogar mehrfach), und die Tatsache, dass Französisch solche vergleichsweise gewöhnlichen Anfänge hat, mißfiel späteren Franzosen-Generationen, und erst allmählich gewöhnt man sich an den Gedanken, dass daran ja auch nichts Ehrenrühriges ist. Fast allen anderen Völkern ging es ebenso. 
Und jetzt sind wieder neue Einflüsse da, neue Immigranten – die beurs (arabischstämmige Neufranzosen aus Nordafrika) der banlieus, und auch deren Sprache wird Französisch verändern, ja bereichern.

Doch erst einmal kommen germanische Besatzer. Next time: die Merowinger.


Die Anfänge der Kohle

Karbon (engl. carboniferous)

Die Erde hat vor langer, sehr langer Zeit einmal ganz anders ausgesehen; zwei Kontinente hatten sich im Silur (vor gut 400 Mio. Jahren) gebildet, Gondwanaland im Süden und Laurussia, die sich schließlich im Perm zum Superkontinent Pangäa vereinigten; damit endete das Erdaltertum.

Die Luft war reich an Sauerstoff, so dass das Leben - noch weitgehend in Gestalt von Gliedertieren und Riesenfarnen – wuchs und gedieh. Die Atmosphäre war meist feucht und warm. Dschungelklima in weiten Teilen Pangäas. Oder, anders gesagt; es wucherte üppig. Der Meeresspiegel schwankte beträchtlich. Die Riesenfarne aber wurden immer größer, ebenso die Schachtelhalme und einige Koniferen.

Das war vor, sagen wir, 300 Millionen Jahren. Immer wieder einmal wurden die Schachtelhalm- und Farnwälder überflutet, von Schlammfluten eingedeckt und eingeschlossen. Dabei verändert sich das organische Material: aus Holz wurde durch den hohen Druck und hohe Temperaturen allmählich (Stein)Kohle. Das geschah nicht über Nacht, sondern in einem Zeitraum von zig Millionen Jahren.
Das Zeitalter, in dem soches geschieht, liegt zwischen Devon (vor ca.400 – 350 Mio. Jahren) und Perm (vor etwa 300 – 250 Mio Jahren). Es heißt Carbon, nach dem Haupt”produkt”
.

Coda
50 bis 100 Millionen Jahre später – wir befinden uns im sog. Jura – war die Erde weit mehr bevölkert; Sauriere und der Urvogel Archäopterix lebten im Schachtelhalm- und Farnwald, in dem sich auch immer mehr „richtige” Bäume fanden. Eine noch nicht so recht anheimelnde Welt, aber nicht so schlimm wie „Jurassic Park”. Hollywood ist noch in weiter Ferne.

Und doch spielen sich Tragödien ab, die man fast verfilmen könnte, allein schon wegen der special effects. Hier eine Version aus dem Biedermeier, von Viktor von Scheffel, und zwar aus dem Jahre 1876:

Der Ichthyosaurus

Es rauscht in den Schachtelhalmen,
verdächtig leuchtet das Meer,
da schwimmt mit Tränen im Auge
ein Ichthyosaurus daher.
Ihn jammert der Zeiten Verderbnis,
denn ein sehr bedenklicher Ton
war neuerlich eingerissen
in der Liasformation.

"Der Plesiosaurus, der alte,
er jubelt in Saus und Braus,
der Pterodaktylus selber
flog neulich betrunken nach Haus.

Der Iguanodon, der Lümmel,
wird frecher zu jeglicher Frist,
schon hat er am hellen Tage
die Ichthyosaura geküßt.

Mir ahnt eine Weltkatastrophe,
so kann es länger nicht gehn;
was soll aus dem Lias noch werden,
wenn solche Dinge geschehn?"

So klagte der Ichthyosaurus,
da ward es ihm kreidig zu Mut,
sein letzter Seufzer verhallte
im Qualmen und Zischen der Flut.

Es starb zu derselbigen Stunde
die ganze Saurierei,
sie kamen zu tief in die Kreide1,
da war es natürlich vorbei.

Und der uns hat gesungen
dies petrefaktische Lied,
der fand's als fossiles Albumblatt
auf einem Koprolith.


1Das Erdzeitalter, das vor ca. 150 Mio Jahren auf das Jura folgte.

Samstag, 9. November 2013

Wirbel- und andere Stürme

Hier braut sich was zusammen

Zyklone sind große Windsysteme, die sowohl nördlich als auch südlich des Äquators vorkommen (wobei die nördlichen im Gegenzeigersinn um ein meteorologisches Tief kreisen, die der südlichen Hemisphäre im Uhrzeigersinn). Sie bilden sich auf dem Meer; wenn sie auf Land treffen („landfall”), kommt es sehr häufig zu katastrophalen Schäden. Wegen der Landmassen auf der Nordhalbkugel, die den Verlauf des durchziehenden Sturms stören, sind Zyklone dort um einiges zerstörerischer als die im Süden. Normalerweise. Die Philippinen sind sehr nahe am Äquator – nördlich davon – aber auch häufig von den Taifunen, die jedes Jahr zuschlagen, schwer geschädigt. Man könnte nun meinen, je südlicher, desto geringer die Schäden: Solchem Irrglauben hat der „Supertaifun” Halyan (aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen „Yolanda” auf den Philippinen) vom 8. November ein Ende bereitet.

Der Vollständigkeit halber seien noch die Antizyklone erwähnt: Sie drehen anders herum (daher anti-) um meteorologische Hochs und sind weniger zerstörerisch – und daher weniger bekannt – als die Zyklone. Anders als diese bewegen sie auch keine der gewaltigen Niederschlagsmassen, wie sie für Zyklone typisch sind.

Im Atlantik und in der Karibik werden Zyklone Hurrikane genannt, im Pazifik heißen sie Taifune. Zunehmend werden auch tropische Wirbelstürme östlich der Datumsgrenze (= näher an den USA) ebenfalls als Hurrikan bezeichnet. „Hurrikan” kommt übrigens – vermittelt durch das Spanische (huracán) aus der Sprache der Arawak, der wir (indirekt) das Wort „Hängematte” und den Namen der Insel Haiti vedanken. „Taifun” hingegen, das als ‚tufan’ im Arabischen, Persischen und in Hindi geläufig war, als die Portugiesen (Vasco da Gama u.a.) es kennenlernten und heute noch „tufão” nennen, kommt als „typhon” (Wirbelwind) auch im Griechischen vor, so dass die Etymologie nicht ganz klar ist.

Die Verläufe aller tropischen Wirbelstürme von 1985 bis 2005
Bild: wikipedia (open source)

Monsune hingegen sind regelmäßige (das Wort kommt vom arabischen Wort für „Jahreszeit”, so regelmäßig treten Monsunwinde auf) Änderungen der (Haupt-)Windrichtung im Indischen Ozean. Treffen diese Winde auf Land, gibt es besonders im Sommer enorme Mengen an Regen. Die Entstehung dieser Winde ist hochkomplex (ich verweise auf den einschlägigen Wikipedia-Artikel (1), nur sollte man sich für die Lektüre etwas Zeit nehmen...), und die alljährlichen Hochwasserkatastrophen sind zwar eindrucksvoll, aber überraschend sind sie nicht, und insofern mit den Zyklonen nicht zu vergleichen.

Ähnlich sieht es mit den Passatwinden aus: Sie sind ausgesprochen konstante Erscheinungen, praktisch gleichbleibende Windsysteme, von denen eines für die Nord- und eines für die Südhalbkugel gilt (Nordost- bzw. Südost-Passate; im Norden wehen sie also von NO, im Süden nach SO). In the Says of Sail, also im Zeitalter der Segelschiffe (das ja auch das Zeitalter der Entdeckungen ist), ließen sich die Ozeane unter Ausnutzung der Passatwinde leichter überqueren (2), und man nahm oft einen Umweg in Kauf: weil’s schneller ging! Nur: Stürme sind das nicht!

Überhaupt: Manche Stürme sind ‚nur’ unangenehme Winde, und jede Region hat da ihre speziellen, aber ein ‚richtiger’ Sturm richtet grausame Schäden an, kostet oft viele Menschenleben und zerstört ganze Ökosysteme. So gesehen, ist der alpine Fallwind, über den man z.B. in München gerne klagt – der „Föhn” - halt doch nur ein Wind. Ein paar Beispiele für die Vielfalt der „Winde” weltweit:
Schirokko (warmer Mittelmeerwind)
Bora (kalter Wind in der Adria)
Boreas (Nordwind im Ägäischen Meer / Griech. Gott der Winde (vgl. Äolus))
Mistral (nördl. Fallwind in Südfrankreich (Rhonetal))
Bevor ich jetzt auch noch den Kusi erwähne (also gut: ein südöstlicher Passatwind in Sansibar): die Wikipedia-Heinzelmännchen haben eine Liste von geschätzten (mindestens!) 120 Winden und Windsystemen zusammengestellt: Da kann man, so man will, weiterlesen. Die haben sogar was über die Windverhältnisse auf anderen Planeten des Sonnensystems zu sagen!

Zu den Stürmen im engeren Sinn des Wortes: Nicht jede Bö ist ein Sturm, und wann und warum „entsprechende Unwetterwarnungen des deutschen Wetterdienstes [Zitat Tagesschau] gelten, ist nicht immer ganz klar. Wir bleiben weitgehend verschont von den Sand- und Schneestürmen (in den USA: „Blizzard”) anderer Gegenden. Erwähnen wir also nur den
Orkan (stärkster Sturm hierzulande: ab Windstärke 12, also mit einer Geschwindigkeit von 64 Knoten: etwa 120 km/h ; laut Wortschatz-Portal de Uni Leipzig http://wortschatz.uni-leipzig.de/ synonym mit Hurrikan. Das stimmt nur sehr abstrakt. Andererseits ist „Orkan” tatsächlich von „Hurrikan” abgeleitet. )

Zum Schluss nur noch der Tornado (oder in den USA auch gerne „twister”) (3) (Windhose) – auch dieser ein zerstörerischer Wirbelwind, der im Unterschied zu den Cyclones, den Zyklonen, in der Regel über Land entsteht, bzw, seine typische Trichterform über Land gewinnt, und er bildet sich eher in gemäßigteren Gegenden und nicht in den Tropen. In den USA spricht man, was die Häufigkeit des Auftretens betrifft, von einr regelrechten „Tornado Alley”, die etwa von Texas bis Nebraska (4) reicht: man registriert (vor allem in diesem Gebiet) weit über 1000 Tornados – bei uns vielleicht ein Dutzend.

Fußnoten:
  1. Man sollte auch damit rechnen, Dingen wie „innertropische Konvergenzzone”, „Corioliskraft” , der „Orografie” Asiens oder (wegen des „Stauregens”) die „Luv- und die Leeseite” eines Gebirges zu begegnen. Andererseits wird man belohnt mit zwei wirklich wunderbaren Panoramabilder der indischen Westghats in der Trocken- sowie in der (monsunbedingten) Regenzeit zu begegnen.
  2. Das war einer der Gründe, warum Europäer, die nach Amerika wollten, zunächst nach Afrika segelten; der andere waren die Sklaven, die man dort „eintauschte”. Aber das ist eine ganz andere Geschichte...Lästig waren dagegen die sogenannten „Rossbreiten” (zwischen den Passatzonen in unmittelbarer Nähe zum Äquator), wo man wegen der dort häufigen Windstelle oft wochenlang nicht weiterkam.
  3. Das Wort kommt vermutlich nicht so direkt vom lateinischen „tornare”, wie es etwa im Wikiartikel steht: Es ist abgeleitet vom lateinischen „tonare” (donnern) und erst dann, beeinflusst vom Spanischen „tornar” (drehen) zu „Tornado” geworden.
  4. Wie jeder weiß, lebte Dorothy aus The Wizard of Oz in Kansas, von wo ein Tornado sie nach Oz verschlug. Man kennt vielleicht das Buch (nicht? - Von Frank L. Baum), man kennt auf jeden Fall den Film mit Judy Garland, und absolut jeder kennt „Somewhere Over The Rainbow”.
    Dieses Stückchen wurde tatsächlich von der Recording Industry Association of America zum "Song of the Century" (”number one”) erkoren; für das American Film Institute war "Over the Rainbow" – ich zitiere: „the greatest movie song of all time.

Hat sich wirklich nichts Besseres gefunden?
    P.S. kennen Sie eigentlich „Over the Rainbow” von Israel Kamakawiwo'ole? Auf YouTube in der Original-Videofassung mit Bildern aus dem schönen Hawaii (ausgerechnet! - Kennen Sie Kansas??) anschauen. Es ist unglaublich – schlimmer geht’s nun wirklich nimmer!
    Einfach hier klicken: Somewhere over in Hawaii



Montag, 30. September 2013

Neue Initiative







Neufassungen („re-märchs”)
Gelegenheit zu unauffälligem Product Placement
sowie entsprechendes Märchendising



Dornröschen – Gärtnereien, Landschaftsbau, Glaser
Hänsel und Gretel – Nürnberger Lebkuchenindustrie, Ofensetzer, Förster
Das tapfere Schneiderlein – Textilgewerbe, Mathematiker-Verband
Schneewittchen – IG Bau Steine Erden; Bundesverband Bio-Obst
Der Wolf und die sieben Geißlein – Ziegenzüchtereverband
Rumpelstilzchen – Linguistik-Abteilung der Uni, Lehrstuhl für Onomastik
Der gestiefelte Kater – Schusterinnung; Werbewirtschaft
Aschenputtel – Verband der Hauswirtschaftslehrerinnen
Frau Holle – Meteorologen; Dänisches Bettenlager
Rotkäppchen – Sektkellereien Rotkäppchen-Mumm, Freyburg/Unstrut
Rapunzel – Friseurinnung
Die Bremer Stadtmusikanten – GEMA, thomann

P.S. Dies sind nur Beispiele. Weitere Möglichkeiten können Sie selbst entwickeln...


private?? - you idiot!



‚Privat’ kommt von lat.’privare’:und heißt, laut Online Latein WB ‚befreien von, berauben’ ! Das klingt merkwürdig (und ist es auch), aber Stowasser [lateinisch-deutsches Schulwörterbuch: gemeinhin die Autorität] definiert genauso.
Wenn man die Sache näher betrachtet, hat sie tatsächlich zwei Aspekte: den privaten, und den gesellschaftlichen. Dazu zitieren wie erst mal Jean-Jacques Rousseaus Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen (1755):
„Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen »Dies gehört mir« und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: »Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört.“

Das erinnert zunächst an Anarchisten von Proudhon (bekannt durch sein Urteil „Eigentum ist Diebstahl”) bis hin zur Hausbesetzerszene. Scheinbar unversöhnlich stehen die Interessen des Privatbesitzes, der per definitionem abgetrennt ist von allem übrigen, und die der Allgemeinheit gegeneinander. Denn letzlich kommt privat von ‚eigen, nicht gemein’ und steht im Gegensatz zu „communis”. Irgendwie passend erscheint es dann, dass im Englischen „privet” die Toilette bezeichnet, den Ort, wo man ganz ‚privat’ und bei sich ist. Die Verbindung von ‚sitzen’ und ‚besitzen’ stellte Sigmund Freud fest: Das Kleinkind durchlebt im Alter von ca. 2-3 Jahren die sogenannte ‚Anale Phase’ , in der es lernt, das Ausscheiden von Exkrementen zu kontrollieren und dabei Ordnungssinn, Konfliktfähigkeit und sozialen Umgang erlernt (und wenn’s übertrieben wird mit der Reinlichkeitserziehung, wird das Kind geizig). Soweit, etwas abgeplattet, Herr Doktor Freud.

Weiter zum Thema Sitzen und Besitzen’: Einen Schatz (‚Hort’) hütet der Lindwurm Fáfnir in der Nibelungensage (das Rheingold) bzw. ein Drache namens Smaug bei Tolkien. Wenn man ‚hortet’, häuft man Besitz an: daher der Geiz. Der Hort im Sinne von Kita kommt natürlich von lat.: ‚hortus’, der Garten (nicht allgemein Konsens, aber meine Theorie!)

Die gesamte Welt quasi als geistige Eigentum des ‚Einzigen’ bzw. ‚Eigners’ bei Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum (1845) scheint insgesamt doch übertrieben, aber er weist doch auf den geistigen Prozess des Aneignens hin.
Fast immer hat ‚privat’ etwas Exklusives, das wird Ihnen jeder Kassenpatient bestätigen. Theoretisch schließt meine Privatsphäre die Welt um mich herum weitgehend aus. Außer bei facebook: Da kann ich selbst entscheiden, wie privat meine Sphären sind, und dann kann ich das wiederum über facebook allen mitteilen.

‚Idiot’ vom griechischen „ἰδιώτης ”‚Privatmensch’, verstanden als ‚jemand., der nicht am öffentlichen Leben teilnimmt, für sich (im Privaten) bleibt’ , betont vor allem den sozialen Aspekt. Das Wort bezeichnet daneben auch: jemand., dem Fachwissen abgeht, im militärischen Kontext ‚einfacher Soldat’ - im Engl. heute noch! (‚private’ - vgl. Filmtitel „Saving Private Ryan”). Und weil das Thema in letzter Zeit immmer mal wieder erfolgreich verfilmt wurde, sei noch erwähnt: „Privateering” ist Seeräuberei! Gut, nicht ganz, aber ein „Privateer” ist ein Kaperschiff, und das ist ein privates Schiff, das – praktisch mit Genehmigung der Regierung bzw des Regenten – der Seeräuberei nachgeht (z.B. Sir Francis Drake).(1)

Interessante Zusammenhänge tun sich auf beim englischen proper → ‚eigen’, aber auch ‚angemessen, schicklich, zweckmäßig’. Entsprechend gibt es zwei abgeleitete Substantive: „property” ‚Eigentum’ und „propriety”, ‚Schicklichkeit’. Wer „property” hat, ist der Eigen(!)tümer; wer etwas besitzt, ist der „owner”, aber „to own” heißt auch ‚zugeben, eingestehen’. In Komposita heißt „own” etwa ‚eigen’; wie z:B: in „own brand” oder „own goal” ‚Eigentor’ - eigenartig! Das gängigste Synonym für „own” im Sinne von „zugeben”, nämlich „admit”, heißt auch „zulassen, Zutritt gewähren” (Man denke an Rousseaus Zaun!).

Ja, werden die Juristen einwenden, was ist denn mit dem Nießbrauch? Wenn jemand das Recht genießt, Gebrauch von einer Sache zu machen, spricht man von Nießbrauch (oder, als Volljurist gerne auch von der Verfügungsgewalt), aber man kann’s auch lassen: Nicht umsonst studieren Juristen jahrelang, und am Schluss versteht sie dann doch keiner.


„Eigentum verpflichtet” heißt im Grundgesetz (Art. 14(2)). Nur: wozu? Jedenfalls gab’s den entsprechenden Paragraphen schon in der Verfassung der Weimarer Republik ((§ 153, Abs. 3). Da ist was dran: der Versuch, das Eigentum nicht nur über den Privatbesitz zu definieren – das wäre ‚idiotisch’- sondern auch über das Wohl der Allgemeinheit. Wie heißt es doch so richtig in der Weimarer Verfassung?: „[Des Eigentums] Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.”

1 - Fußnote
Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren/ müssen Männer mit Bärten sein / Jan und Hein und Claas und Pit / die haben Bärte, die haben Bärte/ Jan und Hein und Claas und Pit,/die haben Bärte, die fahren mit .” So heißt es in einem alten Lagerfeuerlied.
Auch ein Kriterium!

Samstag, 7. September 2013

1,000 Things To Do Before You Give Up


 
Als ”1,000 Places to See Before You Die” vor zehn Jahren erschien, fiel es erst mal auf: Im Titel eine kleine Erinnerung daran, dass wir sterblich sind – eigentlich hätte man annehmen können, dass das die potentiellen Kunden abschreckt, aber angesichts der Beliebtheit von Krimis und Thriller (im Folgenden nicht „Kriller” genannt) ist das ja vielleicht gerade das Faszinosum – und gleichzeitig eine Art Fahrplan, den man abarbeiten kann, um wirklich alles gesehen zu haben (1). Dann aber die Frage: wieso eigentlich? Wie sehr ich schon immer darunter litt, vermutlich niemals in meinem Leben in die Südsee oder nach Almaty zu kommen, kann vielleicht nur der nachvollziehen, der zwar in Krasnojarsk aufgewachsen ist, aber wahrscheinlich nie in Randersacker einen Schoppen trinken wird. Und, mal ehrlich: „In einer Jurte am Sung Köl”(Zitat) - reizt Sie das? Wo Sie doch bis gerade eben noch gar nicht wussten, wo das ist (in Kirgistan nämlich).

Außerdem ist das gar nicht der Punkt. Ich werde wahrscheinlich nie in die Südsee kommen, das stimmt, aber ich wüßte jetzt auch nicht, was ich da sollte, ich kenne dort ja doch niemanden Nein, das Geniale ist doch, dass sich das Prinzip zum einen verlängern und zum anderen übertragen läßt. Man kann also einerseits Bücher schreiben nach dem Prinzip ”1,000 Places in America to See Before You Die”, aber dann auch ”1,000 Places in Europe to See Before You Die”, ”....in Japan...” (für die Japaner) und natürlich auch „1000 Places to see before you die - Deutschland, Schweiz und Österreich,” für uns. Das Buch selbst ist schon auf deutsch, aber weil der Titel so halbwegs amerikanisch ist, steht auch drauf „Das Original” (und nicht etwa ”The Original”- sonst könnte man meinen, das ganze Buch sei amerikanisch). Es geht übrigens auch bescheidener: Ein deutscher Konkurrent hat ein Buch verfasst, „101 deutsche Orte, die man gesehen haben muss”, und das reicht doch auch. Jedenfalls brauche ich mich vor meinem Tod nicht so zu beeilen.

Wie dem auch sei: es gibt von Frau Schultzens Buch wohl unzählige Regionalausgaben „Wereld: 1000 plekken die je echt gezien moet hebben” wie auch ”1000 sitios que ver antes de morir”, nur leider nichts in Hindi.
Die Luxusausgabe in Leder
„Das Original” gibt es auch in leuchtend-orangefarbenem Leder und kostet dann $65. Oder in blau oder pink zum selben Preis und auch aus Leder. .Frau Schultz ist übrigens auch Mitautorin von ”Made in Italy: A Shoppers Guide to Florence, Milan, Rome & Venice” (was sagt uns das? Nichts nichts – ich wollt’s nur erwähnen...)

Das Prinzip läßt sich auch anwenden auf Produkte wie Kalender, Reisetagebuch (das soll man dann auch noch selber schreiben!) und natürlich eBook. Es läßt sich auch übertragen
Übrigens hat auch das oben erwähnte Buch über die 101 deutschen Orte bereits Nachahmungen gefunden, etwa „111 (!) Deutsche Wirtshäuser, ...” (derselbe Autor) oder „111 Orte in Hamburg...” (andere Autorin; sie übertreibt dann doch etwas), das irrwitzigerweise selbst nun wiederum variiert wird: „...in München...”, „...im Ruhrgebiet...”; wenn ich Lust habe, schreibe ich mal eins über „111 Orte in Würzburg, die man gesehen haben muss.” Warum nicht? „111 Deutsche Weine, die man getrunken haben muss („gesehen” reicht hier nicht)”, und Irgendjemand hat auch „111 Kölner Kneipen” gefunden.
Doch zurück zu Frau Schultz: „1,000 Recipes To Try Before You Die” (Kleiner Tipp von mir. Unbedingt Gerichte mit Knollenblätterpilzen vermeiden („Not To Try”)! Das Buch ist übrigens offensichtlich deutsch und hat gleich drei Autoren, von denen keine/r Schultz heißt: verdächtig!
Ebenso verdächtig wie naheliegend: ”1,000 Recordings to Hear Before You Die: A Listener's Life List” - aufgemacht exakt wie das Original von Frau Schulte. Ein ähnliches Buch, wenn auch in der Aufmachung tatsächlich abweichend, verspricht „1001 Songs: (2) die Sie hören sollten, bevor das Leben vorbei ist” zu sein. Bei Songs geht das ja noch, aber Wagneropern? Das geht (und gibt’s) auch mit Alben, auch Klassikalben und Filmen, jeweils 1001(!) und bei Filmen geht mir das ehrich zu weit! Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es auch zum Thema „Bücher”, die wir „gelesen haben sollten” prätumbale (3) Empfehlungen gibt (liest eigentlich noch irgend jemand das Buch „Bildung” von diesem Schwanitz? Der wollte uns doch auch sein Thema in übersichtlicher Form nahebringen...). Dann gibt es „1001 Gemälde”, die wir „kennen sollten”, „Ultimative Charthits”, gnädigerweise nur 1000 (das Buch ist aber auch schon Anno 2000 erschienen und heißt dann im Untertitel „Die besten Songs und ihre Geschichte” . Die kann man sich auch nach dem Grab noch antun),
Sonst noch im Angebot: „1001 Foods”, „Lebensmittel, die wir probieren sollten...”(vgl. oben wg. Knolli), „Gärten” (!001, sehen), „Weine” (1001, probieren), „Kinder- und Jugenbücher” (1001, „Lies uns, bevor Du erwachsen bist”) oder auch: „1000 Gefühle: für die es keinen Namen gibt” - warum der Mensch dann meint, ein Buch darüber schreiben zu müssen, ist nicht nachvollziehbar, wenn auch vermutlich lukrativ.
Wie tiefgründig, wie weise und uns im Westen vielleicht nicht immer leicht verständlich ist doch der Asiate. Zitieren wir amazon.com (die amerikanische Mother of All Amazons) zur chinesischen Ausgabe von – Sie erinnern sich – 1,000 Places To See Before You Die:

Fußnoten:
  1. "At last, a book that tells you what's beautiful, what's fun and what's just unforgettable--everywhere on earth." – Newsweek. Das muss genügen!
  2. Der Zeichenfehler ist übrigens von amazon.de, nicht von mir!
  1. bevor das Leben vorbei ist”m von lat.: tumba, das Grab

Montag, 5. August 2013

Eine Minderheit und ihre Sprachen

יצחק באַשעוויס זינגער": men fregt mich oft, far wos schrejbste in yiddish? Un ich wel gebn ojf die frage an entfer, un mein entfer wet sejn a yiddish lache, des heisst ich will entfern oif a frage mit a frage: Der entfer is – was will ich nicht schreibn ojf yiddish?"

"In a figurative way, Yiddish is the wise and humble language of us all, the idiom of frightened and hopeful Humanity."
[Izhak Bashevis Singer, aus der Nobelpreisrede 1978]
1. Antike:
Die doppelte Definition der Juden als Ethnie (Volk) und als Glaubensgemeinschaft macht es oft nicht einfach, zu sagen, was eine Jüdin bzw. ein Jude eigentlich ist. So ist es auch ausnehmend schwierig, die Anfänge des Judentums einzugrenzen. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass die heiligen Schriften des Judentums (die dem Alten Testament entsprechen), der Tanach, erst im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung Gestalt annahmen. Das gilt auch für den wichtigsten Teil, die Tora. Das identitätsstiftende Babylonische Exil begann 597. Es scheint sinnvoll, die Geschichte des Judentums nicht allzu viel weiter in die Vergangenheit zu verlegen: Vorher waren die Juden eine zufällige Ansammlung von semitischen Hirtenstämmen mit unterschiedlichen Stammesgottheiten, Diese Menschen sprachen mehrere eng verwandte Sprachen, nämlich (neben Nabatäisch und Samaritanisch) vor allem Hebräisch und Aramäisch, zwei Sprachen, die noch weit über die biblische Zeit hinaus im (später so genannten) Palästina gesprochen werden. Es ist interessant, dass die Epoche des Alten Testaments, vor allem aber die des Neuen Testaments, parallel zum Hellenismus stattfand; das Neue Testament ist daher auch in Griechisch verfasst. Dennoch: was die biblischen „Väter” (und Mütter?) gesprochen haben, war Hebräisch und Aramäisch. Letzteres ist übrigens die Sprache, die Jesus offenbar gesprochen hat; „Eli eli, lama sabachthani”, „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?” ist Aramäisch.

2, Diaspora
Als der babylonische Künig Nebukadnezar ab 597 v.u.Z. die von den Juden bewohnten Lande eroberte, wurden viele Juden, vor allem aus der Oberschicht, nach Babylon verschleppt. Die Bibel berichtet verständlicherweise etwas tendenziös von der „Babylonischen Gefangenschaft”, die so schlimm nicht gewesen sein dürfte. Aber: so begann das sonderbare Schicksal der Juden, wesentliche Teile ihrer Geschichte „verstreut unter den Völkern” (5 Mose 28) zubringen zu müssen. Man nennt die Fremde, in der sie lebten, Diaspora. Dieser Zustand endete mit der Gründung am 5. Ijjar 5708 (nach dem jüdischen Kalender; nach unserem 14. Mai 1948 ) von Medīnat Yisrā'el, dem Staat Israel, durch die Zionisten. Doch leben viele Juden auch außerhalb dieses Staates, und nicht alle sind mit seiner Politik eiverstanden. In gewissem Sinn leben viele Juden auch heute noch in der Diaspora.
Chagall, Rabbiner (Ausschnitt)

Sprachlich gesehen ist die Situation uneinheitlich; je nachdem, wo die jüdische Minderheit lebte, und wie sie toleriert wurde, dürfte sich die Sprache unterschiedlich entwickelt haben, derer sie sich bediente. Als besonderes Volk, ja als auserwähltes, und wegen des Beharrens auf eigene Lebensweisen, Sitten und Rituale und natürlich auf den eigenen Glauben wurden sie oft angefeindet. Dem Umstand, dass sie anders lebten, begegnete man mit Misstrauen, und oft waren sie bestenfalls geduldet. Dem war nicht immer so: Es gab auch Momente in ihrer bewegten Geschichte, in denen sie angenommen und als Nachbarn geachtet wurden, etwa in Baghdad im neunten Jahrhundert, in Córdoba im zehnten. oder in den Vereinigten Niederlanden im 17. Jahrhundert. Meistens jedoch war der Frieden heikel und die Tolerierung an Sondersteuern gebunden. Pogrome (also Massaker) an der jüdischen Minderheit wiederholten sich immer wieder, und den Juden blieb vielfach nur die Flucht.

3. Vertreibungen
Die ersten Pogrome in (West)Europa standen im Zusammenhang mit den Kreuzzügen, die sich zwar vor allem gegen die (muslimischen) Sarazenen richteten, aber jüdische Gemeinden in vielen Teilen auch Deutschlands in blutige Mitleidenschaft zogen. Hirngespinste wie Hostienfrevel oder Brunnenvergiftungen oder Ritualmorde wurden ihnen nachgesagt, und der Mord an „unserem Herrn Jesu” sowieso. Die Juden Deutschlands brachten sich in Sicherheit, und die glaubte man im noch dünn besiedelten Osteuropa zu finden. Sie brachten mit sich: die deutsche Sprache. Ein einzigartiger Fall von Sprachvermischung brachte das Jiddische hervor. Die Wurzel, mithin die grammatische Struktur, blieb im Wesentlichen deutsch, aber vermischt mit einzelnen hebräischen Worten (wie man sie beim Studium etwa des Talmud fand und benutzte: die Sprache der Synagogen). Dazu kamen Wörter aus dem Polnischen, dem Russischen und anderen osteuropäischen Sprachen. Das Jiddische wirde zur familiären1 Umgangssprache, die eigentliche Muttersprache, oder, wi men sogt oif Jiddisch, die Mameloschn. Da man sie mit der (einem Juden aus dem Talmudstudien in der Jeschiwe vertrauten) hebräischen Quadratschrift und von rechts nach links schrieb, sieht sie exotischer aus als sie ist. ײדיש יז גאר ניט שײעך - Jiddisch is gor nischt asoi schwer!

Als die Reyes Católicos (Ferdinand und Isabella) im Zuge der Reconquista, der Zurückeroberung Spaniens ab den 1480ern, alles vertrieben, was sich nicht christlich nannte, betraf das natürlich und zuallererst die Juden. Diese flohen vor allem in städtische Zentren im Mittelmeerraum (Osmanisches Reich!) und darüber hinaus: nach Istanbul, Izmir, Jerusalem und Beirut, nach Livorno2, aber auch nach Bordeaux, Amsterdam und Hamburg. Man nannte sie Sephardim, und unter ihren Nachkommen finden sich einige illustre Namen: der Aufklärer Moses Maimonides, Baruch Spinoza und Jacques Derrida, beide Philosophen, der britische Premier Benjamin Disraeli, oder der Schriftsteller Elias Canetti.

Ihre Sprache war das Ladino, das manchmal auch „Judenspanisch” heißt, so wie Jiddisch das „Judendeutsch” ist. Die Grundlage ist hier Spanisch und z.T. Katalanisch und Portugiesisch, durchsetzt mit hebräischen begriffen und – das ist vielleicht ein größerer Unterschied zu Jiddisch – mit mehr gemischten Formen, d. h. spanische Wörter mit hebräischen Prä- und Suffixen (Flexionsendungen usw.) und deutlicheren grammatischen Einflüssen. Obendrein und angesichts der Umstände naheliegenderweise: voller Arabismen. Und wie Jiddisch wird es gewöhnlich mit „hebräischen” Buchstaben geschrieben. Viele der Sephardim waren Kaufleute, und ihr Ladino beeinflusste oft andere, mit denen sie Handel trieben. Trotzdem: auf lange Sicht gesehen, konnte Ladino nicht überleben, und gegen Anfang des 20. Jahrhunderts schwand es dahin. 

Es gab also das Judentum im Osten, im heutigen Polen, in der Ukraine, in Weißrussland oder im Zarenreich. Die Mehrzahl dieser Menschen lebte auf dem Lande, im Schtetl, ein Leben von naiver Frömmigkeit. Daneben gab es aber auch Juden, die gesellschaftlich mehr oder weniger integriert waren und die sich in erster Linie als Deutsche, Franzosen oder was auch immer fühlten und die auch nicht, oder sehr wenig, Jiddisch sprachen. Das - die Juden der Schtetls wie auch die integrierteren Glaubensgenossen - waren die Aschkenasim. Im Unterschied dazu gab es, vor allem in den orientalischen Metropolen, aber auch in Orten wie Hamburg oder (besonders) Amsterdam die Juden, die (oder deren Vofahren) aus SPanien vertrieben worden waren: die Sephardim.

Sonderfall: Chasaren. Die Chasaren waren ein Steppenvolk, das u.a. den westlichen Teil der Seidenstraße kontrollierte und an der Kreuzung zwischen Orient und Okzident siedelte, nördlich des Kaspischen Meeres. Gegen Ende des 8. Jahrhunderts traten Herrscher und Adel und wohl auch, wie man heute zu wissen glaubt, weite Teile der Bevölkerung zum Judentum über. Da die Chasaren ihre Sprache, eine Turksprache, beibehielten, und da das Reich der Chasaren ohnehin zwei Jahrhunderte später von den Kiewer Rus (den Vorfahren der Russen) gewaltsam bezwungen wurde, ist dieses historisch so ziemlich einzigartige Ereignis hier nicht weiter von Belang.

4. Medinat Jisra’el:
Mit der Gründung des Staates Israel; Medinat Jisra’el, erfüllte sich der Traum vieler Juden: wieder zurückzukehren ins Land der Väter. Die Bewegung, die unter den Juden der Diaspora darauf hinarbeitete, dies möglich zu machen, nannte man Zionismus, und der Hinweis darauf, dass die Väter vor bereits mehr als zweitausend Jahren in eben diesem Land gelebt hatten und mithin der Anspruch etwas weit hergeholt schien, wurde von den Zionisten nicht gerne gehört. Als der britische Außenminister A. J. Balfour den Juden der Welt eine Heimat versprach (in der spg. „Balfour-Declaration” von 1917), tat er das aus politichen Gründen. und es war ein fragwürdiges Signal. Denn es war beileibe nicht jeder Jude in der Diaspora ein Zionist; viele fühlten sich in dem Land, in dem sie lebten, recht wohl, und sie hätten um nichts in der Welt in die vorderasiatische Halbwüste „zurück”-gewollt. Die Auseinandersetzung um Palästina und das Heimatrecht der verschiedenen Völker, die dort leben, wird wahrscheinlich noch lange andauern.
Klezmer-Musikanten

Israel wurde hier aber aus einem anderen Grund erwähnt, und zwar, weil dort etwas geschah, das Seltenheitswert hat. Mir ist kein anderer Fall dieser Größemordnung bekannt: Eine Sprache, die bereits tot war – oder, genau genommen, die zwar Gott verstand, aber kein Mensch mehr sprach, nämlich das Hebräisch der Torah, des Talmud und der Mischnah, die heilige Sprache der Juden, wie sie in der Synagoge feirlich gebraqucht wurde, aber sonst nirgends – diese Sprache wurde wieder zm Leben erweckt. Erfolgreich! Man kann in dieser Sprache Vorträge halten, verliebt flüstern, ordinär sein, Slang benutzen und sogar fluchen. Das ist ein kleines Wunder. Nur heißt sie nicht mehr Hebräisch – man nennt sie Iwrit.

5. Di goldene medine
Man könnte jetzt meinen, wir wären wieder am Anfang angelangt: Man spricht wieder die Sprache der Väter, und zwar im Land der Väter, und Israel ist ein großartig junges, dynamisches Land. Und doch sei noch angemerkt:
  • Es gibt gute Gründe, mit der Politik des Staates Israel nicht einverstanden zu sein, vor allem nicht mit der sogenannnten Siedlungspolitik.
  • Iwrit ist Amtssprache in Israel, eine junge Generation ist damit augewachsen. Das ist gut. Die andere Amtssprache ist Arabisch, und auch hier gibt es eine junge Generation. Auch das ist gut. Nur: Sie haben noch nicht geleern, einander gelten zu lassen. Ungut!
  • Die unter den Juden der Welt meistgesprochene Sprache ist – Englisch, Denn allein schon in Amerika (Amerike: di goldene medine / das „goldene” Land) gibt es praktisch so viele Juden wie in Israel.
  • Und nur in Amerika spricht eine nennenswerte Anzahl von Menschen noch Jiddisch.
  • Selbst die Art, wie Yiddish wet geshribn is gemakht gevorn Americanish. 
1) Im wörtlichen Sinn: die Sprache, die in der Familie gesprochen wurde. Aber schon auch „vertraut”
2) wo man sie nicht zwang, im Ghetto zu leben) Livorno galt damals als „Paradies der Juden”.

Dienstag, 9. Juli 2013

Gestrenge Worte

"Weh über euch, ihr verstockten Sünder!" ruft der Priester über die versammelte Gemeinde und trommelt dabei mit den Fäusten aufs Lesepult; die Herren Studiosi in der Zuhörerschaft amüsieren sich darüber, statt in sich zu kehren, und sie nennen das Fäustetrommeln Pauken. Der Priester paukt schon wieder; eine wahre Standpauke hält er uns, prusten sie...Andererseits: viele Gemeindemitglieder sitzen ganz geduckt da; sie leiden doch arg darunter, so abgekanzelt zu werden.


Schauplatzwechsel: als die Mönche sich zu nachtschlafener Zeit zur Morgenandacht versammeln, sind einige von ihnen noch recht schlaftrunken, andere whl nicht immer so recht bei der Sache. Wie dem auch sei: Der Abt läßt zur geistigen Sammlung aus der Bibel vorlesen. Vorzugshalber aus dem 3. Buch Mose, dem Buche Leviticus - nicht nur für Außenstehende eines der langweiligeren Bücher des Alten Testaments. So läßt er allen die Leviten lesen....

Manchmal hilft der gütige Beichtvater dem reuigen Sünder, die Reue in die passend frommen Worte zu fassen; er spricht ihm den Selbst-Tadel und die Zerknirschung vor, nimmt ihn ins Gebet. Erquicklich ist das nicht, denn es muss Buße getan werden.

Eine ganz andere Predigt läßt so mancher - nicht ganz freiwillig - über sich ergehen, wenn er des Abends ins Bett steigen will. Da liegt seine holde Gattin schon und keift durch die noch geschlossenen Bettvorhänge. Der Mann kratzt sich am Kopf: "Schon wieder so eine Gardinenpredigt" sagt er sich. "Mir reichts" Aber er fasst sich in Geduld; er kennt's ja schon.

Reden wir doch ohne Umschweife; gerade heraus und, wie man heute so sagt, zielführend. Sprächen wir jiddisch, würden wir sagen. "lomir redn tacheles": Reden wir tacheles miteinander!

Wie unfreundlich ist dagegen der Spielmann, der uns gerade zur Geige singend verspottet hat und uns nun auch noch den Bogen auf den Kopf hauen will. So etwas Unverschämtes. Sagt der Kerl doch glatt, er wolle uns die Meinung geigen! Dem werden wir was erzählen! Dem Kerl werden wir Bescheid stoßen; So geht's ja nun nicht!!

Wie aber sprechen die heutigen Studiosi? "Der Typ will uns dissen. Dem sag ich doch, ey Alder, chill mal!"

Doppelungen, [Silben]reduplikation oder Gemination

In einer Zeit, in der 'ganz ganz' immer häufiger verwendet wird, um 'sehr' auszudrücken ("Uns haben wieder ganz ganz viele Zuschauer angerufen, die wissen wollen..." usw.), könnte man sich einmal anschauen, was mit solcherlei Doppelungen noch alles gemacht wird:

ata ata
Babysprache für "byebye"
Bonbon
nannte meine Oma immer "Gutserle": stimmt ja auch
Cancan
ein Schautanz und höchst unkeusch, besonders beliebt im Western
dalli dalli
ist Polnisch und heißt "schnell schnell". Ganz früher hieß mal eine hektische Fernsehshow mit Hans Rosenthal so; auf Russisch hieße das "dawei dawei", welches man sich ganz langsam und österreichisch vorstellen sollte (etwa Helmut Qualtinger). Nur so, aus Jux.
eff eff
Eigentlich ja "aus dem ff". Das hat mit einem falsch geschriebenen/gelesenen Π
(griech. P, also pi) zu tun, und das wiederum steht für die Pandekten, die komplexen römischen Rechtstexte. Wer da noch durchblickt, beherrscht die Sache aus dem Effeff.
go go
So feuert man auf Englisch jemanden an; im konkreten Fall waren das Disco-Tänzerinnen, und das Ganze war in den 1960ern. Daher Gogo-Girls.
har har
die Schurken im Comic (z.B. Panzerknacker) lachen so: hämisch
itai itai
eine schmerzhafte Cadmium-Vergiftung (Chemie im Trinkwasser). Itai ist japanisch und heißt 'aua'
Jo-jo
der Name ist möglicherweise Tagalog; das Spiel kannten die alten Griechen schon: ein Kreisel an der Leine
Kuckuck
Schauschau, sagt der Vogel selber, und alle plappern es nach.
Sogar auf Russisch heisst er Kukuschka (куку́шка).
Lang Lang
Klavier-Star aus der Mandschurei, Da ist dann auch egal, was Vor- und was Nachname ist. Außerdem leichter zu merken als etwa Mstislaw Rostropowitsch.
Mau-Mau
ein Klassiker unter den Kartenspielen; kommerziell heißt es Uno
Ngorongoro
Ein Krater am Rand der Serengeti; kurzzeitig be[vieh]wirtschaftet von einem Herrn Adolf Siedentopf aus Bielefeld, jezt nur noch Wildlife. Der Name ist Maasai und bedeutet vermutlich Kuhglocke. Klingt ja auch ähnlich.
Orang orang
Orang orang ist der Plural von Mensch (Orang), und Orang utan ist der wilde Bruder des Menschen, der Waldmensch
Pipi
im Englischen wee-wee, ansonsten (F, Span., It) wie bei uns
quidquid
Quidquid agis prudenter agas et respice finem (1) ; wie wahr! Man beachte neben dem schönen Konjunktiv auch das verallgemeinernde Relativpronomen quidquid, bei dem die Doppelung ein "[was] auch immer" ausdrückt
RoRo
RoRo-Frachtschiffe heißen so, weil bei ihnen Lkw/Züge mitsamt ihrer Ladung am einen Ende (mittels Rampen) rein- und nach der Überfahrt am anderen Ende wieder rausfahren: "roll on, roll off" heißt das auf Englisch
Sing Sing
Ein Hochsicherheitsgefängnis in upstate New York, wenige Meilen vom Big Apple den Hudson aufwärts, mit exzellenter Bahnanbindung. Die Indianer, denen das Land ursprünglich gehörte, hießen so: nix Chinesisches also
Tamtam
ein ostasiatischer Metallgong, auch Aufmerksamkeit heischendes Getue, das man macht: Lärm halt
UU
steht natürlich für die University of Ulster, bzw. die Universiteit Utrecht. Aber auch für die Union University, "a four-year, liberal arts, Christian university located in Jackson, Tennessee, USA". Schon interessant, was sich alles ungestraft Universität nennen darf!
Van Van
genauer: Los Van Van ist eine kubanische Salsa-Band, die es schon fast so lange gibt wie Los Rolling Stones
Wikiwiki
ist, so heißt es, hawaiianisch für – dalli dalli
Xai-Xai
ist eine Stadt und ein katholisches Bistum in Mosambik, aber das wußten Sie ja bereits,,,
Ylang-Ylang
ein Baum in Südostasien (Cananga odorata), dessen Blüten ein begehrtes ätherisches Öl enthalten
Zsa Zsa
Zsa Zsa Gábor hieß eigentlich ZsuZsanna: ex-Miss Ungarn, später Hollywood

Kennen Sie eigentlich die "Schm"-Reduplikation? Im (amerikanischen) Englisch ist sie gut verbreitet, kommt aber eigentlich aus dem Jiddischen. Wenn man etwas ironisch, liebevoll spöttisch als "ach, Quatsch" abtun will, wiederholt man das betreffende Wort und setzt ein "Schm-" davor. Das klingt etwa so:
"Mutti, Mutti, Doktor Freud hat gesagt, ich hätte einen Ödipus-Komplex!"
"Ach, Ödipus Schmödipus! Hauptsache, du hast deine Mama lieb.!


Eine weitere Form der Reduplikation ist eine mit "Ablaut"; im Deutschen wechselt man dabei gewöhnlich von i zu a, wie in tick-tack oder zickzack. Oder Hickhack. Im Englischen gehts häufig von i nach o: hip hop. Oder halt be [sprich bi] bop.

Fußnote:

(1) Was auch immer (quidquid) du tun mögest: tu es wohl und schau auf das Ende! (Latein)

Samstag, 1. Juni 2013

Eilige Geschäfte (00)

Die Rede ist von einem Haus, auch Häusl, mit dem Herz in der Tür (warum eigentlich?): im Englischen u.a. house of ease ('Haus der Erleichterung'), tŷ bach im Walisischen ('kleines Haus', bzw. eben 'Häusl'). Ursprünglich war dies außerhalb des Hauses, etwa im Garten, und aus Geruchsgründen war das auch sinnvoll. Da mußte dann eben "auch der Kaiser zu Fuß hin". Toiletten im Haus, auf der Etage oder gar in der Wohnung, waren daher verpönt, bis das Wasser-Closett dem Geruch ein Ende bereitete. Im Italienischen heißt es oft schlicht Water (2), und weil's nicht mehr riecht, sagt man im Spanischen Inodoro. Zivilisiert eben.

Abgesehen von vulgären Ausdrücken wie Sch***haus (man beachte die elegante Umschreibung!) ist der wohl urigste deutschsprachige Ausdruck der Abort, was laut Grimmschem Wörterbuch "abgelegener Ort" oder gar "heimliches Gemach" heißt. Ähnlich auch der Abtritt, "für welchen die sprache eine menge andrer namen bietet", etwa (zu Grimms Zeiten) das goldige Läublein.. Meyers Konversations-Lexikon kennt Ende des 19. Jahrhunderts noch eine ganze Reihe Synonyme, die wir so nicht mehr gebrauchen, etwa Appartement, Kommoditee, oder Privet (auch im Englischen).

Demgegenüber hat Latrine einen freudlos-militärischen Klang. Sie bezeichnet ja auch die Mannschaftstoilette und war oft nur ein wenig hygienischer Donnerbalken.

Eine Definition auf Esperanto: Necesejo estas loko por feki kaj urini. Von necesa ('notwendig'): ein loko (also 'Ort', 'Örtchen') für große und kleine Geschäfte (daher im 17. Jhd im Englischen auch house of office. Übrigens: number one: kleines Geschäft, number two: großes Geschäft). Im loko steckt natürlich das lateinische locus ('Ort'), unser Lokus, das "stille" Örtchen. Der Ort, wohin man sich zurückzieht, derhalben man früher auch Retirade sagte (vgl. engl. to retire = sich zurückziehen), im Spanischen auch retrete.

Die 00 auf der Toilettentür dürfte übrigens mit Zimmernummern im Hotel zusammenhängen: die Toilette war zwar ein Raum, aber kein Zimmer!

Englisch: WC = water closet = flush toilet.. Toilet bezeichnete ursprünglich (nachweisbar seit dem 16. Jahrhundert) im Französischen einen Kleiderbeutel oder eine Abdeckung aus Stoff, später überhaupt Kleidung, dann auch den Ankleideraum (2), und schließlich das, was er idealerweise auch hatte: das Closett. Von diesem, dem abgeschlossenen (und abschließbaren) Raum stammt auch unser Klo. Das doch sehr Private des Raums betont das privy, ein sehr alter Ausdruck (frühes 13. Jahrhundert)

Ein seltsames englisches Slangwort ist John, daneben auch bog ('Sumpf') oder loo. Das letztere stammt aus den Zeiten, als man noch den chamber pot (= Nachttopf) ungeniert aus dem Fenster schüttete. Um Passanten zu warnen, rief man "garde à l'eau' ('Achtung, Wasser!'), und l'eau wurde loo. Das ist zumindest eine Theorie, und wenn's nicht wahr ist, ist es doch ben' trovato. Ein geradezu charmanter Ausdruck für das, was sich außer Wasser noch im Nachttopf befand, ist übrigens night soil, Schmutz der Nacht.

Zu den mehr oder weniger gelungenen Euphemismen für die Toilette gehört im Englischen das lavatory, eigentlich der Waschraum, (zu frz. lavoir, waschen. Eigentlich aus dem Lateinischen, von lavare und sogar lavatorium) und der vor allem im oft so prüden Amerika reflexhaft übliche bathroom ('Mummy, the dog went to the bathroom on the lawn.'). Auch powder room war gebräuchlich, die Dame ging mal eben das Näschen pudern.

Französisch: Cabinet de toilette: cabinets ou toilettes. Siehe oben.

Wer übrigens online unterwegs ist und eine Toilette sucht - hier ist eine:

Schließlich noch: Der bekannte österreichische Schriftsteller Peter Handke hat ein Buch vorgelegt, das sich ebenfalls mit der Toilette beschäftigt:

Versuch über den Stillen Ort ,
Suhrkamp Verlag; Oktober 2012;
ISBN-10: 3518423177

Damit ist das Thema ja nun endgültig salonfähig...

Fußnoten

(1) Laut Wikipedia in Argentinien gelegentlich wohl Vatercló

(2) "Das Ankleiden und Schmücken eleganter Frauen heißt auch Toilette machen und ihre Ankleidezimmer heißen Toilettenzimmer;. aber auch ihren Anzug und Schmuck zusammen nennt man Toilette" Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon von 1841