Zahlen
sind ja das einzige, was zählt. Meinen zumindest die Mathematiker.
Ist ja auch logisch!
(1)
Nun ist ausgerechnet eine Sprache, die sich für den Inbegriff des
Logischen hält, das Französische nämlich, etwas - nun , sagen wir
mal: umständlich, wenn's um die Zahlen geht. Denn wie sagt der
Franzose, wenn er etwa 99 meint? Quatre-vingt-dix-neuf
sagt
er da, etwa vier
(mal) zwanzig (und) zehn-neun.
Und wir hatten schon Komplexe, weil wir sechs-und-dreißig
sagen, wenn wir thirty-six
meinen...
Geht
es denn noch umständlicher als Französisch, wenn es um's Zählen
geht?
Nur
Geduld, Freunde, es geht!
Blicken
wir einmal nach Wales. Dort spricht man, wie wir wahrscheinlich
wissen, neben Englisch noch ein anderes, keltisches Idiom, das
Kymrische (auch Welsh oder Walisisch genannt). Und da zählt man brav
und unkompliziert:
un
(gesprochen: ihn)
dau
(bzw. dwy
als weibliche Form) (sprich dai bzw. dui)
tri
(bzw. tair)
pedwar
(pedair)
pump
(sprich: pimp)
chwech
saith
wyth
(sprich uith, mit "englischem" th)
naw
(spricht man nau)
deg
So
weit, so nachvollziehbar. Aber dann:
un-ar-ddeg
- wörtlich: eins-über-zehn
(2)
deuddeg
- etwas unregelmäßig, halt wie zwölf
auch
tri-ar-ddeg
- drei-über-zehn
pedwar-ar-ddeg
- vier-über-zehn: kennen wir schon
pymtheg
- wortwörtlich: fünf-zehn. Seltsam!
Na
gut, aber dann:
un-ar-bymtheg
dau
(oder dwy)-ar-bymtheg
und so weiter, und so fort...! ..?? oder??!
...klar...aber
19. heißt: deunaw
(sprich dainau): zwei(mal)-neun!
20 wiederum ist
einfach: ugain
(sprich igain)
und
natürlich:
21
heißt un-ar-hugain.
Und so geht es geradezu logisch weiter, bis 30, das heißt
deg-ar-hugain,
also zehn-über-zwanzig.
Und
damit weiter und folgerichtig bis...da wären Sie jetzt nie
draufgekommen: bis 39! Das heißt, man halte sich fest:
pedwar-ar-bymtheg-ar-hugain,
also vier-über-fünfzehn-über-zwanzig. (Höre ich hier irgendeinen
Franzosen stöhnen? Nein? Na dann weiter:)
Wer
jetzt glaubt, 40 wäre eine komplizierte Rechenaufgabe, der irrt:
deugain
- zwei(mal) zwanzig. Und dann: 41 ist un-a-deugain,
42 ist dau-a-deugain
(haben
Sie's bemerkt? Plötzlich heißt es -a-
und nicht -ar-;
man sagt also etwa ein-und-vierzig, nicht eins-über-vierzig, usw.).
So geht es zu bis... na? Bis pedwar-ar-bymtheg-a-deugain,
also 59 (bzw. vier-über-fünfzehn-und-zwei(mal)- zwanzig); dann
kommt trigain
(dreimal zwanzig), also 60, dann einigermaßen folgerichtig weiter
bis pedwar
ugain,
feierlich ohne Bindestrich (weil's so eine große Zahl ist: 80, also
vier(mal) zwanzig!)
Rechnen
wir mal: nach pedwar-ar-bymtheg
a phedwar ugain
kommt? richtig!: 100. Cant
heißt das, kurz und bündig. Und dann geht's weiter mit cant
ac un,
cant
a dau
usw. usf. bis ...Achtung: cant
a phedwar-ar-bymtheg a phedwar ugain,
also (na? -) 199. Dann dau
gant,
200, und so fort.
Natürlich
muß man berücksichtigen, daß die weiblichen Formen genommen
werden, wenn man über weibliche Wesen oder Dinge spricht. Merch
heißt Mädchen, zwei Mädchen also dwy
ferch
(m mutiert zu f und spricht sich wie v). Wenn's nun 79 Mädchen sind,
sind's pedair
merch a bymtheg a thrigain
So
- das waren die klassischen Formen. Zunehmend gibt es auch im
Walisischen einfachere Formen, das sei zugegeben; statt
deg-ar-deugain
für 50 geht auch hanner
cant,
also halb hundert, und sogar Formen wie dau-ddeg-un
(wörtlich twenty-one) werden immer öfters verwendet, vor allem von
der Jugend. Aber wäre es nicht schade, wenn so eine schöne
Tradition ausstürbe?
Ein
herzliches diolch
yn fawr an
Robin Huw Bowen für seine unersetzliche Hilfe....
Fußnoten:
(1)
Hier böte sich jetzt eine geradezu geniale Abschweifung an, etwa
wegen "logos", was ja "Wort" heißt, und wie wir
Sprachler ja wissen, sind Worte das Einzige, was wirklich
zählt...schrieb ja auch schon Goethe in seinem Faust. Aber was
sollen hier Abschweifungen!
Wer
genau hinschaut, wird merken, dass sich hier noch etwas
eingeschlichen hat: es heißt nicht *un-ar-deg,
sondern un-ar-ddeg.
Weiter unten, bei 15 heißt es pymtheg
(nicht -deg)
und so weiter. Das Ganze hat gute phonetische Gründe und ist
typisch für die keltischen Sprachen. Man nennt es Mutation, aber
das wäre ein ganz eigenes (kompliziertes) Kapitel..Im Folgenden
sind Mutationen fettgedruckt,
wenn sie erstmals auftauchen