Mal was über Orange.

Orange?

Sonntag, 8. Dezember 2013

O Òc Sí Bai Ya Win Oui Oyi Awè Jo Ja Oua = "Ja" auf Französisch

Gallia est omnis divisa in partes tres...schrieb Julius Cäsar in seiner Kriegsfibel (durchaus polemisch gemeint: „De bello gallico" heißt das Buch, und wir wurden damals im Lateinunterricht damit gequält – das nur nebenbei), und das ist interessant aus mehreren Gründen. Zum einen, weil er von mehreren Stämmen spricht (und er hätte ruhig noch mehrere erwähnen können), und zum anderen, weil er von einem Gallien spricht. Ganz Gallien war von den Römern besetzt...Naja, das kleine Dorf in Armorica ausgenommen, aber: ein Gallien, oder das Gallien – das gab es nicht. Aus römischer Sicht gab es Gallia Cisalpina (Gallien diesseits der Alpen: also Kelten im heutigen Italien!), es gab Gallia Narbonnensis (das Gallien im heutigen Frankreich), und den Rest von Gallien, eben nicht von den Römern besetzt.
Das mit den Stämmen ist auch so eine Sache: Es gab mindestens zwei Dutzend von ihnen, und man weiß bis heute nicht allzu viel über sie. Außer dass das alles Kelten waren. Das heißt: wahrscheinlich. So ganz genau weiß man das eigentlich auch nicht. Kelten hieße: Sie alle sprachen eine keltische Sprache (Gallisch, aber das war wahrscheinlich auch ein Sammelsurium von Dialekten). Ansonsten taten sie am liebsten das, was man auch den (britannischen) Inselkelten nachsagt: in Frieden leben, was soviel heißt wie Trinken, Raufen, dem Nachbarstamm das Vieh klauen (vgl. das altirische Epos Táin Bó Cúaligne), und ansonsten Teutates einen guten Mann sein lassen. Diesen Frieden brachen die Römer. Gut, sie brachten auch ein gewisses Maß an Zivilisation mit, Aquädukte, befestigte Straßen, Thermen und Nachtigallenzungen in Aspik („Aber was haben die Römer sonst noch für uns getan?" wie es so schön in Leben des Brian heißt) und jeder Gallier konnte und sollte Bürger des mächtigen Römischen Reiches werden. Letztlich muss diese Besatzungszeit vor allem eins gebracht haben: eine Vermischung der Sprachen. Wir wissen auch über dieses Gallorömische eher wenig, aber es hat sich zweifellos um eine Pidgin-Sprache gehandelt, eine Kontaktsprache, wie sie entstehen, wenn Völker (vor allem, wenn sie von verschiedener Kulturstufe sind) in ständigem Kontakt sind. Man gewöhnt sich aneinander, benutzt für die zunächst zaghaft unternommene Kommunikation i.d.R. die Sprache des Mächtigeren/Reicheren, und weil das in diesem Fall die Römer waren, eben Latein.
edler Römer
Man beachte die leicht angeschmutzte Toga...

Aber eben nicht die Sprache Julius Caesars (mit der man uns damals im Lateinunterricht quälte, doch davon genug!) Nein, es handelte sich um sogenanntes Vulgärlatein. Zum einen ist das aber nicht so vulgär, wie es sich anhört; es ist „nur" die Sprache des Volkes (lat.: vulgus), und die ist nicht die Sprache der vornehmen Leute, der Machtpolitiker und Philosophen in weißer Toga, stilvoll, elegant (also die Sprache, die wir damals...), sondern lebendig, deftig und sehr vielfältig. Oder bunt. Man stelle sich einmal die römische Armee vor: das waren kaum die Römer aus der Stadt Rom, sondern Menschen aus allen Teilen des Weltreichs,. Also, sagen wir mal, Daker, Thraker, Kimbern, Häduer, und Makedonier und Alamannen, übergelaufene Sachsen und angekaufte Numidier, und und und. Auch sie müssen ein Kauderwelsch gesprochen haben, das weit war vom klassischen (Schul-)Latein. Im Kontakt mit den keltischen Galliern erweiterte sich diese Mischung noch mehr, auch wenn spätere Generationen nicht allzuviel von dem Keltisch ihrer Vorfahren überliefert bekommen haben. (Und doch: Wissen Sie, warum die Franzosen quatre-vingt dix sagen, wenn sie 90 meinen? Weil die Kelten ein Zwanziger-Zählsystem hatten!)
Noch einmal zurück zum Pidgin der römisch-gallischen Begegnung: Irgendwann wird dies nicht mehr nur auf sporadische Kontakte beschränkt geblieben sein. Die Menschen freunden sich an, heiraten gar, haben Kinder, und über kurz oder lang wächst eine Generation heran, die reines Gallisch oder – naja, einigermaßen reines – Latein gar nicht mehr kennen. Kinder, für die Galloromanisch Muttersprache ist. Eine solche Sprache nennt man Kreolsprache (richtig: in der Karabik gibt's das sogar mehrfach), und die Tatsache, dass Französisch solche vergleichsweise gewöhnlichen Anfänge hat, mißfiel späteren Franzosen-Generationen, und erst allmählich gewöhnt man sich an den Gedanken, dass daran ja auch nichts Ehrenrühriges ist. Fast allen anderen Völkern ging es ebenso. 
Und jetzt sind wieder neue Einflüsse da, neue Immigranten – die beurs (arabischstämmige Neufranzosen aus Nordafrika) der banlieus, und auch deren Sprache wird Französisch verändern, ja bereichern.

Doch erst einmal kommen germanische Besatzer. Next time: die Merowinger.


Die Anfänge der Kohle

Karbon (engl. carboniferous)

Die Erde hat vor langer, sehr langer Zeit einmal ganz anders ausgesehen; zwei Kontinente hatten sich im Silur (vor gut 400 Mio. Jahren) gebildet, Gondwanaland im Süden und Laurussia, die sich schließlich im Perm zum Superkontinent Pangäa vereinigten; damit endete das Erdaltertum.

Die Luft war reich an Sauerstoff, so dass das Leben - noch weitgehend in Gestalt von Gliedertieren und Riesenfarnen – wuchs und gedieh. Die Atmosphäre war meist feucht und warm. Dschungelklima in weiten Teilen Pangäas. Oder, anders gesagt; es wucherte üppig. Der Meeresspiegel schwankte beträchtlich. Die Riesenfarne aber wurden immer größer, ebenso die Schachtelhalme und einige Koniferen.

Das war vor, sagen wir, 300 Millionen Jahren. Immer wieder einmal wurden die Schachtelhalm- und Farnwälder überflutet, von Schlammfluten eingedeckt und eingeschlossen. Dabei verändert sich das organische Material: aus Holz wurde durch den hohen Druck und hohe Temperaturen allmählich (Stein)Kohle. Das geschah nicht über Nacht, sondern in einem Zeitraum von zig Millionen Jahren.
Das Zeitalter, in dem soches geschieht, liegt zwischen Devon (vor ca.400 – 350 Mio. Jahren) und Perm (vor etwa 300 – 250 Mio Jahren). Es heißt Carbon, nach dem Haupt”produkt”
.

Coda
50 bis 100 Millionen Jahre später – wir befinden uns im sog. Jura – war die Erde weit mehr bevölkert; Sauriere und der Urvogel Archäopterix lebten im Schachtelhalm- und Farnwald, in dem sich auch immer mehr „richtige” Bäume fanden. Eine noch nicht so recht anheimelnde Welt, aber nicht so schlimm wie „Jurassic Park”. Hollywood ist noch in weiter Ferne.

Und doch spielen sich Tragödien ab, die man fast verfilmen könnte, allein schon wegen der special effects. Hier eine Version aus dem Biedermeier, von Viktor von Scheffel, und zwar aus dem Jahre 1876:

Der Ichthyosaurus

Es rauscht in den Schachtelhalmen,
verdächtig leuchtet das Meer,
da schwimmt mit Tränen im Auge
ein Ichthyosaurus daher.
Ihn jammert der Zeiten Verderbnis,
denn ein sehr bedenklicher Ton
war neuerlich eingerissen
in der Liasformation.

"Der Plesiosaurus, der alte,
er jubelt in Saus und Braus,
der Pterodaktylus selber
flog neulich betrunken nach Haus.

Der Iguanodon, der Lümmel,
wird frecher zu jeglicher Frist,
schon hat er am hellen Tage
die Ichthyosaura geküßt.

Mir ahnt eine Weltkatastrophe,
so kann es länger nicht gehn;
was soll aus dem Lias noch werden,
wenn solche Dinge geschehn?"

So klagte der Ichthyosaurus,
da ward es ihm kreidig zu Mut,
sein letzter Seufzer verhallte
im Qualmen und Zischen der Flut.

Es starb zu derselbigen Stunde
die ganze Saurierei,
sie kamen zu tief in die Kreide1,
da war es natürlich vorbei.

Und der uns hat gesungen
dies petrefaktische Lied,
der fand's als fossiles Albumblatt
auf einem Koprolith.


1Das Erdzeitalter, das vor ca. 150 Mio Jahren auf das Jura folgte.