Mal was über Orange.

Orange?

Montag, 23. Februar 2015

Richtungen

Hierzu eine Fußnote 1


oben und unten gibt es nicht wirklich: Wenn wir nach oben blicken, etwa zum gestirnten Himmel, ist das nur die Richtung, die dem unten entgegengesetzt ist, und unten ist da, wo es uns hinzieht. Die Schwerkraft zieht uns Richtung Erdmittelpunkt, und wäre ein Freund in Neuseeland gleichzeitig dabei, nach oben zu schauen, wäre sein oben und unser unten so ungefähr dieselbe Richtung. Wäre unser Freund Astronaut und auf Dienstreise, gäb es für ihn dieses oben und unten nicht. Oder etwa doch? Stellen wir uns vor, er wäre auf einer Erdumlaufbahn: in dem Maße, wie ihn die Erde anzöge, hätte er noch ein Stück weit unten; wie aber, wenn er zwischen Erde und Mond wäre, dort, wo sich die relativen Anziehungskräfte aufhöben: wo wäre da oben und unten?



Gute Frage: Wo ist "oben" und "unten"? Fragt man einen Physiker – der müsste es doch eigentlich wissen – erzählt er vermutlich einen Quark – Verzeihung: von einem quark – mit einem spin, der entweder up oder down gerichtet sei, was natürlich nicht mit der Welt da draußen eins zu eins korreliere. Das quark habe schließlich noch mehr flavors! Sie fänden das Ganze irgendwie strange, und der Physiker würde Ihnen zustimmen: "Genau, strangeness ist auch ein flavor!". Und Sie würden eine höfliche Ausrede vorbringen und schnell das Weite(re) suchen: Von dieser Physik schwirrt einem ja der Kopf!!


Was ist rechts und links? Träfe unser Freund, der Astronaut, einen Außerirdischen, könnte er den rechten Arm heben zum Gruß2, und wenn ein Babelfisch, ein Übersetzungsautomat der Enterprise oder ein vielgereister Dolmetscher dem Ufonauten erklärte, dass das die rechte Hand sei, erhoben in Frieden und Freundschaft und zum Zeichen intergalaktischer Verständigung, dann wäre das relativ klar. Funktionierte der Kontakt über, sagen wir einmal, Lichtjahre hinweg, und vielleicht auch noch ohne Dolmetscher, wäre es unmöglich, links und rechts eindeutig zu definieren. Das glauben Sie nicht? Versuchen Sie's!

Stellen Sie sich im Badezimmer vor den Spiegel. Heben Sie die rechte Hand, und Ihr Spiegelbild tut es Ihnen gleich. Oder – tut es das? Ist das seine Rechte? Ist eine gespiegelte Rechte auch die Rechte des Spiegelbilds? Würde Ihr Spiegelbild das genauso sehen?

Wären wir auf dem Meer unterwegs, gäbe es ein rechts und links, weil es ein vorn und hinten gäbe. In Richtung vorn geblickt, wäre rechts …. oder anders gesagt, nein rechts ist immer... äh..
Ja, rechts ist da wo der Daumen links ist. Ein dämlicher Spruch, ebenso nutzlos wie richtig. Man weiß schließlich, wo rechts und links ist, glaubt man, nur definieren kann man's nicht.

Übrigens wäre an Bord eines Schiffes rechts steuerbord, da ist nämlich das Steuer, und die andere Seite heißt korrekt backbord. Warum, fragen Sie verständlicherweise, warum ist steuerbord eigentlich rechts, bzw. warum ist das Steuer rechts? Das Steuer ist ursprünglich ein Ruder (daher Steuerruder), und da ist es effektiver, wenn die rechte Hand näher am Schwerpunkt des Ruders greift. Darum steht der Gondoliere auf dem hinteren linken (!) Seite der Gondel, denn das Ruder und dessen Widerlager sind rechts: So lässt sich die Gondel mit dem Ruder steuern.



In der Schifffahrt gilt heute generell Rechtsverkehr, an Land nicht: Nicht nur die Briten fahren mit der ihnen eigenen Starrköpfigkeit links; das tun auch noch über 50 andere Länder. Warum in manchen Ländern der Linksverkehr gilt, lässt sich nicht mehr feststellen, aber das gilt umgekehrt auch für den Rechtsverkehr.  

Warum geben wir einander beim Händeschütteln die Rechte? Weil wir überwiegend Rechtshänder sind und mithin eine Waffe, so wir eine einsatzbereit mit uns führten, in der rechten Hand hätten. shake hands mit rechts heißt daher: 'Schau, ich bin unbewaffnet' . Und das gilt sogar in Eng- und Schottland.

Übrigens sind in mittelalterlichen Burgen Wendeltreppen so angelegt, dass für den Hinaufstürmenden, im Folgenden 'Feind' genannt, die engere Seite der Stufen rechts ist. Für den von oben Herunterkommenden, im Folgenden 'Verteidiger' genannt, hat die Hand, die das Schwert führt, erheblich mehr Bewegungsfreiheit. Selbst wenn der Feind Linkshänder ist, hat der Verteidiger immer noch den Vorteil, dass es sich von oben herab besser kämpft, denn so kommt ihm die Schwerkraft zugute. Er behält die Oberhand, und der Feind ist meist der Unterlegene.

Und weil gerade der Wind weht: die Windseite des Schiffes heißt Luv, und Lee ist die dem Wind abgekehrte Seite. Da ist klar, was was ist, wenigstens, solange der Wind weht.

Wüssten Sie übrigens an Bord eines Schiffes, wo Sie gerade sind? "Irgendwo auf dem Meer" wäre keine befriedigende Antwort; wenn Sie, sagen wir einmal, vor einer halben Stunde in Malaga abgelegt hätten, könnten Sie immerhin ziemlich sicher sein, dass Sie sich a) nördlich des Äquators und b) westlich von Greenwich befänden. Je nachdem, wie weit man weg ist vom Äquator, befindet man sich auf soundsoviel Grad nördlicher (oder, auf einem anderen Schiff in einem anderen Urlaub, südlicher) Breite. Parallel zum Äquator sind die Breiten, und selbst ein Leichtmatrose fände es nicht allzu schwer, mittels eines Sextanten und mit der Hilfe einer Person, die ihm die Funktionsweise eines solchen Instruments zeigen könnte, den Breitengrad zu bestimmen. Hier ist jedenfalls nicht der Ort, auf Details einzugehen. Nur eines: Wenn man der Stand der Sonne über dem Horizont peilen kann, hat man schon fast den Breitengrad.

Der Längengrad ist schwieriger, aber was uns hier interessiert, ist die Tatsache, dass er auf einer willkürlichen Festlegung beruht: Greenwich bei London ist Null, genauer: Dass der Nullmeridian, das heißt, die Linie - die von Pol zu Pol und senkrecht zum Äquator gedacht - die Linie ist, auf die sich alle, Seefahrer, Landratten und Google (natürlich auch Wikipedia, wenn es heißt, Würzburg etwa sei 49° 48′ N, 9° 56′ O) beziehen, und dass diese Linie durch die Königliche Sternwarte Ihrer Britannischen Majestät verläuft.

Wir fassen zusammen: oben und unten gibt es nicht, kein Mensch kann sagen, was links und rechts bedeuten, und Angaben zur Position sind, mindestens zur Hälfte, reine Willkür. Na sauber!

Ach ja: In jeder Tropfsteinhöhle gibt es Tropfsteine, klar, und die gibt es von oben und von unten.
Wer ist da Stalagmit, und wer Stalaktit? Das Gestein tropft vor sich hin, und eigentlich ist es ihm egal, ob es Stalagmit oder -tit ist. Steter Tropfen höht den Stein, pitsch...patsch...titt...t...
Seit ewigen Zeiten.

Wo aber geht es hin, wenn's so weitergeht? Ganz am Ende steht die totale Entropie des Universums, der Kältetod, wo sich nichts mehr regt, und die Existenz den Geist aufgibt.

Aber getrost, Freunde, bis dahin ist noch lang.

1Vgl. das Gedicht "lichtung" von Elnst Jandr
2Das heißt etwa "Ich komme in Frieden – schau, ich hab nichts in der Hand".
Mehr dazu weiter unten [Das Paradoxe ist hier jetzt: Wenn diese Fußnote am Ende stünde – als Endnote – hieße dieses unten eigentlich oben....]