Mal was über Orange.

Orange?

Samstag, 18. April 2015

parole veneziane



Santa Maria della Salute an der Eifahrt zum Canal Grande
 Gemälde von Canaletto (1697 - 1768) 





La Serenissima, die Stadt Venedig, oder, wie wir alle wissen, im Italienischen: Venezia, liegt am nördlichen Ende der Adria, beherrschte im Mittelalter und in der Renaissance von dort aus weite Teile des östlichen Mittelmeers und hatte als Seemacht, Kunst- und Handelszentrum enormen Einfluss nicht nur auf die Geschichte, sondern auch auf die Sprachen Europas. Dazu gleich ein paar Beispiele.

Seit Goethe hat der Deutsche eine besondere Beziehung zu Italien, zu la dolce vita, zu Chiantiwein, Spaghetti und Lasagne, und zu der offenbar italienischsten aller Städte ist die Zuneigung besonders ausgeprägt. Noch heute heißen zahllose Eisdielen in Germanistan Venezia.


 
Genau genommen liegt Venedig nicht am Meer, sonder im Wasser, aber auch nicht direkt in der Adria, sondern in einer Lagune. Eine Lagune ist ein Gewässer, das durch Sandablagerungen ("Nehrungen" – z.B. Kurische Nehrung) oder Korallenriffe – dann nennt es sich Atoll – vom Meer (fast) vollständig abgetrennt ist. "Haff" oder "Bodden" nennt man Lagunen in der Ostsee.



Die namensgebende Lagune, die Mutter aller Lagunen, ist die Laguna di Venezia. Die Nehrung, die die Lagune von Norden her einschließt, nennt sich Lido di Jesolo und kann eine Rekordzahl von Campingplätzen aufweisen; nach Süden hin schließt sich ein Streifen Land an, der schlicht Lido heißt (oder Lido di Venezia). Das Wort ist venezianischer Dialekt für "Strand", und ein Strandbad oder ähnliches wird auch anderswo Lido genannt.

In Paris entwickelte sich aus bescheidenen Anfängen (eine Art imitiertes Strandbad im Keller) in den 1940er Jahren ein Nachtclub mit Cabaret und Burlesque-Programmen, das sich Lido nannte. Dieses Etablissement wiederum wurde stilbildend, hat aber nun gar nichts mehr mit Venedig zu tun...

Ein G(h)etto ist laut Wikipedia ein "abgesondertes Wohnviertel". Hm. Das verschweigt, dass es i.d.R. sozial ausgegrenzte Randgruppen sind, die hier wohnen, und das beileibe nicht immer freiwillig. Von den Judenvierteln seit dem Mittelalter (bis hin zum Warschauer Ghetto), von Schwarzenvierteln in amerikanischen Großstädten bis zu den Favelas in den wuchernden Megastädten der Dritten Welt waren hier schon immer die Armen, Schwachen, die Minderheiten zusammengepfercht.

Das Wort Ghetto bezeichnete ursprünglich ein ziemlich isoliertes Stück des venezianischen Stadtteils Canaregio, das ursprünglich von den Eisengießern bewohnt war; ein eisenverarbeitender Betrieb (getto) hatte sich einmal dort befunden, und darum hieß das Judenviertel später so. Zwei Brücken führten hinein, und nächtens nicht mehr hinaus (nur den angesehenen jüdischen Ärzten war es fallweise erlaubt, das Viertel nachts zu verlassen). Die auch anderswo praktizierten Einschränkungen behielt man im Ghetto in Venedig auch bei, als man sie allmählich überall sonst aufgab.
Einfahrt zum Arsenale
Gemälde von Canaletto (1697 - 1768)

Ein Stück weiter östlich, im Stadtteil Castello, findet sich das Arsenale, ein ebenfalls schwer zugänglicher Bezirk, wenngleich die Absperrung hier militärisch begründet war. Es handelt sich hier um die Werft und das Zeughaus der einst bedeutenden Seemacht Venedig. Im Krieg gegen die Türken – eine ernste Bedrohung für die Lagunenstadt und ihr Einflussgebiet im östlichen Mittelmeer - wurden hier bereits im 16. Jahrhundert hundert Kriegsschiffe gebaut – in zwei Wochen!! Die Effektivität dieser Einrichtung wurde allgemein bewundert und darob in vielen Städten nachgeahmt.

Inzwischen werden auch andere militärisch wichtige Institutionen, Waffendepots von Armeen, ja der gesamten Streitkräfte eines Landes wie auch Waffensammlungen überhaupt so genannt. Der Londoner Fußballclub heißt so nach der Rüstungsfabrik, aus deren Arbeiterschaft sich die Spieler des Clubs anfangs rekrutierten.

Es gibt ein Boot, das wie kein anderes unser Bild von Venedig prägt, nämlich die Gondel. Meistens sitzen in einer solchen ein paar Touristen und bestaunen die grandiose Architektur der Stadt; von der Gondel aus, nahe der Wasserlinie, sieht man auch am schönsten, wie die Gebäude verfallen und verfaulen. Hinter den Passagieren steht der Gondoliere und treibt mit einem langen Stecken die Gondel an, während er dabei "O sole mio" schmettert und dabei die gute Akustik der Kanäle ausnützt. aber – das Bild stimmt so nicht! Zum einen sollte er nicht "O sole mio" singen, denn das ist ein Lied aus Neapel. Wichtiger noch: Die lange Stange ist gar keine, und er stochert nicht in den Wassern, sondern er rudert. Im Gegensatz zu seinen Kollegen in Tübingen oder Cambridge, die mit Stocherkähnen den Neckar bzw. mit Punts den Cam befahren, hat er ein ausgeklügeltes, raffiniert in ein Widerlager (forcole)an der Bordwand der Gondel eingelegtes Ruder in der Hand.

Wer sich früher in Venedig über die politische Lage im östlichen Mittelmeer oder wichtige Dinge in der Stadt selbst informieren wollte, konnte auf ein flugblattähnlich zusammengetragenes Nachrichtenblatt zurückgreifen, das nur einen Pfennig kostete. Genau genommen natürlich keinen "Pfennig", sondern die niedrigste Münze der Republik Venedig: eine "Gazetta", und die Zeitung hieß entsprechend "Gazetta di Venezia". In vielen Sprachen und Ländern heißen Zeitungen heute noch so, wenngleich im Deutschen bei "Gazette" immer etwas herablassend-ironisches mitschwingt.

"Sag beim Abschied leise Servus" (Venedig war im 19. Jhd. mehrmals Teil von k.u.k.Österreich-Ungarn) – in Venedig wird über s-ciavón, s-ciavo, s-ciao und schließlich ciao daraus.