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Orange?

Sonntag, 11. Oktober 2015

Von Wenden und Kreisen

turn "Turner” heißt der Drechsler (bzw, Dreher) auf Englisch, denn „to turn” heißt auch „drechseln”. Dies („turn”) wiederum („in turn”) (!) kommt vom lateinisch „tornare” („drechseln, drehen”, und zwar am entsprechenden Gerät), letztlich aus dem Griechischen „τόρνος”, für das Wikipedia „Gerät zum Ziehen von Kreisen” angibt. Aber das Wort scheint einen permanenten Richtungswechsel, eine Drehbewegung, ein Kreise(l)n nahezulegen.i In dieser Bedeutung sind viele Wörter daraus entstanden, z.B.:
return Da das „re-” meist ein „wieder” bedeutet, heißt das ganz wörtlich „wiederkehren”. Zu dem „-kehren” gleich mehr. Aber erst mal zurück zu „turn”
retour ← retourner, „zurückwenden”, „umkehren” auch „zurückschicken”, daher auch im Deutschen gebräuchlich: „Retoure”. Älteres Deutsch hat in der Umgangssprache „retour” für „zurück”.

by return of post Ein Postsystem von Staffelreitern, die in regelmäßigen Abständen postiert waren (daher letztlich „Post”) war relativ effektiv, v.a., wenn ein Brief dem umkehrenden Postreiter (bzw. dem Kurier in der Gegenrichtung) gleich mitgegeben werden konnte, vgl "postwendend".
Retourkutsche dürfte eine ähnliche Etymologie haben; möglicherweise bezieht sich das Wort auf eine leer zurückkehrende Mietkutsche. Wie dem auch sei: Das Wort hat eine Bedeutungsänderung erfahren. Heute bezeichnet es eine Abwehrtaktik gegen einen Vorwurf.
re-tour ohne re-? Das kennen wir doch von der Tour de France. Tour, weil es rund herum und wieder zurück geht? Naja, nicht ganz; die Etappen hängen nicht ganz zusammen, und zurück geht’s auch nicht – aber es geht rund. Daher Tour. In Italien heißt dieselbe Übung Giro d’Italia, und das kennen wir nun auch, will uns scheinen. Schließlich haben wir ein Girokonto bei der Bank. Da läuft das Geld durch, darum sagt man auch Kontokorrentkonto: ein endloser Kreislauf. Giro, belehrt uns das Wörterbuch, heißt „Kreis, -lauf” im Italienischen.

Ein wenig klingt das immer wie der Gyros beim Griechen; Gyros (γύρος ): Döner (Shawarma bei den Arabern) ist praktisch dasselbe wie der Gyros, und wie dieser abgeleitet von „sich drehen.”

Im Deutschen gibt es auch einiges, so der Turner (am Reck) und sein Turnschuh, , das Turnierii, die Tournee, die Tortur und den Tornister, die Tour und – den Touristen. Auch die Torte gehört hierher. Wir haben aber auch Synonyme für die Vorstellung von „Umkehr, Wende, Umdrehen”, nämlich etwa „Umkehr”, „Wende” oder „Umdrehen”.

Wende: GEMOWEIDULA. Als Anfang der 1980er durch den Wechsel der FDP von der Regierung Schmidt ins konservative Lager einen Regierungswechsel möglich geworden war, beschrieb der neue Kanzler Helmut Kohl den von ihm avisierten Wandel als „geistig-moralische Wende”, ein Anspruch, den er in den 16 Jahren seiner Amtszeit kaum einlösen konnte. Da er zu salbungsvollen Formulierungen neigte, parodierte man im Kabarett sein Vorhaben als Gemoweidula, als „geistig -moralische Wende in diesem unserem Land” Übrigens wurde die FDP damals von vielen als eine Truppe von „Wendehälsen” gesehen...

Wendeltreppe und DNA-Wendel
Wendeltreppe:eine platzsparende Erfindung des Mittelalters ist die spiralig hoch-(bzw. hinunter-)steigende Treppe. Übrigens tut sie das fast immer im Uhrzeigersinn: Auf der Burg gab dies dem von oben heruntersteigenden Verteidiger mehr Raum für die Schwerthand (meist ja die rechte), während sie den von unten hochstürmenden Angreifer beengte.

Wendejacke Man kann sie drehen und wenden, wie man will. So nutzt man beide Seiten. Das ist neutral.

Wenden (Slawen) Wenden als Bez. f. Slawische Völker hat, wie auch Wend, Wendisch, Windisch etc., wohl nichts mit Wenden im Sinne von Umkehren zu tun.

Wandwinden, welch selbiges verwandt ist mit (um)wenden, und zwar über „schlingen”, „ranken”,„umwickeln”; vgl. dazu etwa „Wendeltreppe”. Etwas windet sich (Fluss, die Straße in Serpentinen -wie Schlangen- den Berg hoch, sprichwörtl. wie ein Aal); man windet etwas (einen Kranz, sich heraus). Bei Winden denken viele, besonders junge Eltern, an Windeln: das kommt natürlich auch von winden („Pampers” hingegen verwöhnen buchstäblich – vor allem die Eltern). Gewissermaßen die Steigerung von winden ist wickeln (klingt irgendwie straffer), ist aber etymologisch nicht verwandt. Zu „schief gewickelt”, „Lockenwickler” oder „Entwicklung” hier also nichts; auch eine enge Wendeltreppe ist keine Wickeltreppe.

Interessant ist jedoch der Unterschied zwischen Wand und der römischen murus, Mauer: Während diese aus Steinen besteht (meistens; bei den Römern immer), steckt in der (germanischen) Wand ein Weidengeflecht, bei dem Weidenruten sich um Weidenstäbe winden (wand, gewunden, daher der Name). Solches Geflecht wurde dann mit Lehm verschmiert, was eine Spur wärmer und winddichter und leicht zu reparieren ist.

winden kurz noch einmal zu winden ↔ wenden: Es ist ein Paradigma der deutschen Sprache: Wortpaare, die einen aktiven und einen passiven Aspekt ausdrücken, und oft wird dies durch einen Vokalwechsel von i und e signalisiert, z.B. sitzen ↔ setzen. Liegen ↔ legen. Ich sitze da; ich setze das Modellauto in den Setzkasten. Stecken ↔ stecken (mit -e- bzw. -ä-, zumindest in manchen Dialekten): Ich stecke das Geld ein; der Teufel steckt im Detail. Versteckt bei hängen ↔ hängen: da zeigt es sich in der Imperfektform: Ich hängte das Bild an die Wand, dann hing es lange Zeit dort. Fallen↔ fällen. You get the idea.

Solche Differenzierungen sind am Verschwinden; das kann bedauern, aber es hilft nichts.

Ein letztes unserer Synonyme: (um)kehren. Ohne die Vorsilbe ist es selten geworden, aber es schmückt sich mit einer ganzen Reihe von anderen Vorsilben, und jedesmal klingt es anders. Umkehren, ein-kehren, zurück-, wieder-, ver-, ab-, heimkehren. Eine Kurve ist eine Kehre, und man kann kehrtmachen. Auch eine Kehre macht schließlich – der Turneriii.
Da wären wir denn wieder.

Eins noch, quasi als Anhang! Die zweifellos verzwickteste Etymologie hat das Wort „Trophäe”. Nicht nur, dass sie zu unserem Thema gehört, überrascht, sondern auf welche Weise: Das Wort ist abgeleitet vom griechischen τρόπαιον (tropaion). Das bedeutet Trophäe, wie die Griechen das praktizierten: Ein Siegesmal aus den erbeuteten Waffen des Gegners, und zwar errichtet auf dem Schlachtfeld, wo sich die Schlacht entschied, bzw. wo sie die entscheidende Wendung nahm. Diese Wendung – Achtung, jetzt kommt’s! - hieß τροπή (trope). Dieses wiederum hängt zusammen mit den Tropen, die ja begrenzt sind von den Wende(!)kreisen (dem nördlicheren W. des Krebses, und dem des Steinbocks im Süden). Aber das ist schon komplizierte Astronomie und gehört nicht hierher.

Fußnoten:
iNoch etwas zum Thema "Permanenter Richtungswechsel" und "im Kreise": Das kennen wir ja alle vom Kreisverkehr. Mitllerweile scheint sich ja auch in Deutschland herumgesprochen zu haben, dass ein solcher verkehrstechnisch erheblich effektiver ist as eine ampelbewehrte Kreuzung (oder gar eine mit einem Verkehrspolizisten (Schupo für Schutzpolizist)), und wenn man derzeit im Umfeld einer Kreuzung schon länger nicht mehr vorbeigekommen ist, hat sie sich fast immer zu einem Kreisverkehr gemausert. In England ist man schon einen Schritt weiter. In der westenglischen Stadt Swindon etwa gibt es ein "Magic Roundabout": eine Art Super-Kreisverkehr, in dem fünf Straßen zusammenkommen. Jede von diesen hat ihren eigenen kleinen Kreisverkehr, der wiederum Teil eines großen mittleren Kreisverkehrs ist, auf dem der Verkehr dann gegenläufig rotiert. Das klingt jetzt vielleicht komplizierter als es ist, und wenn man mal den Bogen raus hat, ist diese Lösung (immerhin hat die Einrichtung 5 Straßen!) geradezu perfekt. Es soll aber auch Leute geben, die das Ding meiden wie die Pest. (andere kaufen das T-Shirt "I survived the Magic Roundabout")
Der Super-Kreisverkehr in Swindon

iiWas hat denn das mit „drehen, wenden, umkehren” zu tun? So werden Sie sich fragen. Stellen Sie sich einmal ein Turnier vor, Ritter gegen Ritter: Ausreißen gilt nicht. Man reitet gegeneinander an, wenn beide im Sattel bleiben, wenden sie um und versuchen es erneut, etc. pp. Und auch beim Schafkopfturnier wird Runde (!) um Runde gespielt...

iii (an Barren, Reck oder Pferd) Schwung über das Gerät oder vom Gerät herunter, wobei die Beine vorwärtsschwingen. (Duden)