Mal was über Orange.

Orange?

Samstag, 31. Dezember 2016

Ein höflicher Anfang und ein frohes Beginnen


Wir schreiben das Jahr2017. Noch fühlt es sich unvertraut an, doch mit der Zeit kommt die Übung.

In binärer Darstellung schreibt sich die Jahreszahl: 11111100001.
2017 ist eine Primzahl; sie ist durch nichts teilbar, außer durch sich selber und durch eins. Mathematisch gesehen, war's das.

Das Jahr des Herrn zweitausendsiebzehn – deux mille dix-sept, wie wir auch sagen können – ist eine Sekunde länger als die meisten Jahre: In der Nacht zum ersten Januar wurde eine Schaltsekunde eingefügt. Astronomisch notwendig, sagte man uns. Die meisten haben sie ohnehin nicht bemerkt.

Wohlgemerkt: das Jahr ist an sich kein Schaltjahr, hat also nur 28 Tage im Februar. Am 4. Januar bereits ist die Erde im Perihel, d.h. am sonnennächsten Punkt ihrer Umlaufbahn: nur 147.100.998 km entfernt. Im Aphel, dem sonnennächsten Punkt, ist sie mit 152.092.504 km am 3. Juli.

Bei näherer Betrachtung ist gar nicht so ganz klar, warum es ein Annus Domini ist, ein „Jahr des Herrn“. Der Herr, auf den hier Bezug genommen wird, ist ein Palästinenser, ein gewisser Jesus Christos, der irgendwann vier bis sieben Jahre vor der Zeitenwende geboren und gute dreißig Jahre danach gestorben sein soll.

Die Römer rechneten gewöhnlich nach den Regierungsjahren des jeweiligen Regenten (etwa so: „im zwölften Jahre der Kanzlerin Merkel“) oder nach der Gründung der Stadt Rom 753 Jahre vor unserer modernen Zeitrechnung; 2017 wäre also 2770 a.u.c. (=ab urbe condita).

Wir schreiben das Jahr auch MMXVII.

Nach jüdischer Tradition schuf G*** (ha-shem) die Welt vor 5778 Jahren; Rosch ha-Schana (das Neujahrsfest) fällt in diesem Jahr auf den 21.9.

Es ist auch das Jahr 1438 (ab 16. September: 1439) nach der Hedschra, der Flucht des Propheten von Mekka nach Medina. Ramadan fällt in diesem Jahr auf 27. Mai bis 24. Juni (wiederum christlicher Zeitrechnung).

Am 28. Januar 2017 beginnt für die Chinesen das Jahr des Hahns.

Allem Irrationalen abhold, führten die Revolutionäre der Französischen Revolution einen Kalender ein, der mit der Revolution beginnt. So gesehen, schreiben wir CCXXV (bzw. ab Vendémiere [Sept.] CCXXVI.

Feiertage sind für Arbeitnehmer günstig (hier im Folgenden: „ag!“), wenn sie auf einen Samstag, und besonders günstig, wenn sie auf einen Werktag (Mo-Fr) fallen; bei geschickter Planung lassen sich so „Brückentage“ und Feiertage zu Mini-Urlauben aneinanderhängen (Beispiel 2017: 1. Weihnachtstag fällt auf einen Montag, der 2. auf den Dienstag, so dass mit dem Heiligabend am Sonntag 3 arbeitsfreie Tage entstehen). Arbeitnehmer-ungünstig sind Feiertage, die auf einen (sowieso schon arbeitsfreien) Sonntag fallen, wie der Neujahrstag 2017.

Ostern 14. (Karfreitag) bis 17. April (ag!), 1. Mai (ag!), Himmelfahrt (25. Mai: ag!) Pfingsten (4. u. 5. Juni: ag!); Tag der Deutschen Einheit, 3. Oktober (ein Dienstag: ag! in Verbindung mit dem Wochenende davor). Reformationstag am 31.Oktober (ag! auch ein Dienstag. Nur 2017, da Luthers Thesenanschlag in Wittenberg aich zum 500. Mal jährt).

In manchen Bundesländern fallen mehr Feiertage an als in anderen. Dreikönig, Karneval, Fronleichnam (15. Juni), Mariä Himmelfahrt (15. August) und Allerheiligen (1. Nov.) sind nur in einigen katholischen, der Reformationstag (31. Oktober) (in anderen Jahren) und Buß- und Bettag (22. November) in manchen evangelischen Ländern Feiertage.
Das Jahr 2017 wird auch das Jahr der Wahlen: Landtagswahlen im Saarland (März), in Schleswig-Holstein und NRW (Mai) und Bundestagswahl (September), außerdem Wahl des Bundespräsidenten, des Präsidenten von Frankreich und Parlamentswahlen in den Niederlanden. Leider sind die Präsidentschaftswahlen in Amerika schon vorüber. Der vorgebliche Gewinner, Donald Trump, wird am 20. Januar ins Amt eingeführt, und das Unglück nimmt seinen Lauf.

Der Vogel des Jahres ist der Waldkauz (Strix aluco).

Im Mai findet der Eurovision Song Contest (a.k.a. Grand Prix Eurovision de la Chansoni) in Kiew (Ukraine) statt. Die Weltausstellung in Astana (Kasachstan).

So viel vorläufig.




iDer Name wurde 1992 offiziell geändert

Dienstag, 20. Dezember 2016

Europa und seine Traditionen



Die mediterrane Küche ist zu Recht berühmt. Allein schon die Zutaten: Oliven, Öl, Olivenöl, Knoblauch. Herbes de Provence. Also vor allem Thymian, Oregano, Rosmarin, Salbei und Basilikum,:was halt zum Knoblauch passt. Ziegenkäse und Rotwein (Côtes de Provence). Leckere Antipasti, Auberginen, Kleinigkeit vom Grill. Sauce Aioli (Knoblauch!), sowas.
Lecker ist das, finden alle.

Halten wir dagegen: die Küche der schwäbischen Hausfrau, bodenständig, guet, aber et so gsund wia die mediterrane, isch au klar. Andere Küchen, nicht nur in Deutschland, sind dagegen die reine Mängelverwaltung, mitunter durchaus genießbar, aber auf lange Sicht gesehen langweilig, eintönig, fad. Ich sage nur eins: Knäckebrot. Oder halt knäckebröd, oder knækbrød oder näkkileipä – Gestalt gewordene Askese: Langweiligkeit für Gourmets, die sich das Essen abgewöhnen wollen.



Gut, die Schweden haben ihren Sürströmming, an den sich keiner sonst herantraut; die Finnen haben Brot, in dem der Fisch schon drinsteckt, ,was zwar praktisch ist, aber kulinarisch jetzt nicht sooo...aber immerhin originell. Das schon. Im hohen Norden gibt‘s Rentierschinken, für den, der‘s mag. Aber großartig Käse haben sie nun nicht erfunden, die Skandinavier. Die Isländer haben zwar skyr, was so aussieht wie Frischkäse, aber so mit das langweiligste sein dürfte, was diese Insel hervorgebracht hat. Früher aß man auch Trottellummmen und Papageientaucher, sogar Walfisch, nur: schmeckt sowas wirklich?

Spielen wir einmal Detektiv und schauen beim isländischen Festmahl genauer hin: Der Grund dafür, dass dergleichen recht lustig sein kann, sind nicht diesúrsaðir hrútspunga – die eingelegten Hammelhoden (die es angeblich auch gibt), sondern Brennivín, bezeichnenderweise auch svarti dauði genannt, der Schwarze Tod.
das allseits so beliebte Wässerchen,
шнапс ist die gesellige Grundlage vieler Länder, snaps, wie die Schweden (svenskarna) sagen.

Natürlich trinkt nicht das ganze Europa Schnaps; interessanterweise gibt es eine ausgeprägte Bierzone (beer belt, würden die Amerikaner sagen), die sich im Kern von Böhmen bis Britannien erstreckt, und ein großer Teil unseres Landes liegt mittendrin. Ich rede hier natürlich von Oberfranken, einer Region, die mit einer konkurrenzlosen Vielzahl an Bieren aufwarten kann. Andrerseits wäre es undenkbar, das weinselige Unterfranken auszulassen. So geht es in vielen europäischen Ländern, und selbst Frankreich, ein Weinland wie kaum ein zweites, hat in Flandern und im Elsass zwei Bierregionen. Der Frankfurter wird die Ebbelwoi-Region vermissen, und Mineralwasser-Connaisseurs werden zu Recht auf die enorme Vielfalt von Mineralwassern allein in Deutschland hinweisen. Stimmt. Dazu war hier nicht Raum noch Gelegenheit.

Das eingangs erwähnte mediterrane Gebiet nun ist klassisches Weinland, und insbesondere der vin rouge, (vino tinto etc.) spielt eine zentrale Rolle. Darum leben die Leute im Mittelmeerraum so viel gesünder. „En Ebbel e Dey / kieps the Dokter ewey“ gilt für Ebbelwoi nicht, aber ein Glas Rotwein hält das Blut geschmeidig, also bleibt man gesund, wenn auch der einschlägige Wikipedia-Artikel eine gewisse Skepsis an den Tag legt.

Andererseits darf als erwiesen gelten, dass die Gleichung ""Rotwein ist gesund“ zu den ältesten Ausreden der Menschheit gehört.

Am Schluss noch ein Verslein von Franz Josef Degenhardt1 aus dem Lied „ Weintrinker “:
Ich möchte Weintrinker sein,
und nicht immer diese hellen Schnäpse saufen,
nicht von Dingen reden, die nur mich angehn,
mir nicht für zwei Gläser Bier Verständnis kaufen,
nicht mit jenen streite, die am Tresen stehn.


1Franz Josef Degenhardt war der zweifellos wichtigste Liedermacher der 68er-Generation; das Lied entstammt jedoch seiner ersten LP, Rumpelstilzchen, die 1963 erschien.

Dienstag, 29. November 2016

10 gute Gründe, nicht RTL zu schauen



10 Mario Barth und überhaupt "Comedy." Dümmliche Witze, über die der er selbst am meisten lacht; im Grunde seit 10 Jahrenderselbe Witz! Comedy heißt in dem Fall, man erzählt Witze, als wären sie einem selbst passiert, oder man sieht irgendwie lustig aus, am Besten wie ein Asso.

9 Scripted Reality: Schauspieler spielen asoziale Arschlöcher, vor Gericht oder daheim. Hauptsache, sie sind ordinär, keifen rum und wollen einander (oder anderen) an die Gurgel. Oder sie sind Versager, und brauchen Expertenrat. Im TV (früher: "Fernsehen") heißt so was gern "DokuSoap"; es bleibt jedoch fraglich, was tatsächlich etwas dokumentiert, und was dem Soap-Teil (der emotional-fesselnde Aspekt) entspricht. Dichtung und Wahrheit mischen sich auch undurchsichtig bei "Rach der Restauranttester" oder "Die Supernanny" oder "Frauentausch".

8 Quiz-Shows, die immer mehr zu Shows werden und immer weniger mit tatsächlichem Wissen zu tun haben. Ein großer Teil der Fragen bezieht sich auf RTL-kompatible Kenntnisse (Boulevard-Tratsch und sender-eigene Programme) und sehr spezielles Fachwissen für Fussball-Nerds. Ein Großteil der deutschen Fernsehzuschauer hält übrigens Günter Jauch für den klügsten Deutschen; er versucht auch stets, die Antworten, die er auf Kärtchen bzw. Monitor geliefert bekommt, wie eigenes Wissen aussehen zu lassen. Immerhin ist er persönlich unterhaltsam.

7 Domino Day und ähnliche Mega-"Events." Events, die viel gehypt (sprich: geheipt) werden, so dass man sie unbedingt gesehen haben muss, wobei der eigentliche Inhalt der Veranstaltung völlig vernachlässigbar sein darf. Wie z.B. eine Turnhalle voller Dominosteine beim Umfallen zuzuschauen. (Der Blödsinn ist denn doch zu teuer und wurde vor ein paar Jahren eingestellt).

6 Dschungelcamp. Am Anfang waren der Container und eine Handvoll Leute, die sich eine Zeitlang darin einsperren lassen, bis auch der letzte durch Zuschauer-Votum gekürt, rausdarf und belohnt wird. Den Teilnehmern konnten die Zuschauer stundenlang in Echtzeit dabei zuschauen, wie nichts passierte. Irgendwie mega-langweilig. Darum nimmt man jetzt ein paar C-Promis, steckt sie in einen "Urwald", wo sie Insekten fressen und sonstige eklige Sachen tun müssen, moderiert von zwei nervigen Moderatoren, bis irgendwie alle nicht mehr mögen.

5 "Casting Shows", a.k.a. Möchtegern-Models demütigen. Das geht so: Eine Frau, die schön ist (das ist ja Geschmackssache; blond ist sie jedenfalls), selber Model ist und auf den schönen Namen Heidi Klum heißt, und dann sucht Deutschland das nächste Supermodel (Okay, das läuft auf Pro7, aber das ist ja derselbe Sender). Jedenfalls werden dabei ein paar Dutzend gutaussehende Mädchen nach einer Reihe von "Challenges"gründlich durchgestylt werden (und die Zuschauerinnen lernen dabei, was Modelling für ein taffer Job ist: jaha, die Heidi verdient ihre Millionen nicht einfach so), bis eine von ihnen unter Tränen (eigenen und denen der anderen) nach dem Urteil einer "Jury" (d.h. Heidi & zwei Spießgesellen) zur Siegerin gekürt wird.

4 Deutschland macht sich zum Affen: Diesmal sucht das ganze Land den "Superstar", dem ein Plattenvertrag winkt. Die meisten Zuschauer sehen das gerne, weil Jury-Mitglied Dieter Bohlen zuverlässig den Kotzbrocken gibt. Manchmal haben die Gewinner tatsächlich ein gewisses Maß an Talent (nämlich so zu klingen und aufzutreten, wie ein echter Star). Manchmal sucht Deutschland auch ein "Supertalent", und das kann wirklich was, von Ave-Maria-Steptanz, Obertongesang oder Michael-Jackson-Moonwalk.

3 Ständige Werbepausen. So viel kann man gar nicht Pinkeln gehen, wie RTL Werbepausen macht. Muss sein, denn so finanziert sich ein Kommerzsender halt. Aber wenn mir erzählt wird "Die folgende Sendung präsentiert ihnen XY Pizza von Z", dann ist mir das doch zu surreal.

2 Bauer sucht Frau. Diese Sendung, verehrte Damen und Herren, schlägt dem Fass den Boden aus. Ich habe keine Ahnung, ob diese Sendung gescripted ist oder nicht: Sie ist geschmacklos, so oder so. Es werden einem mehrere unbedarft aussehende "Bauern" – ein Berufsstand mit ernsthaften Nachwuchsproblemen übrigens – und mehrere vom Leben irgendwie übergangene Mädels vorgestellt. Die Mädels werden rührend von den jeweiligen Bauern umsorgt, und manchmal finden zwei Herzen zueinander. Aber die Sendung bedient sämtliche Klischees, von "Tumber Bauer" und "Kuh Erna im Stall" bis "naja, die hat natürlich keinen abgekriegt, so wie die ausschaut".

1 die hundert doofsten Ranking-Shows. Äpfel mit Birnen vergleichen, und dann eine Rangliste aufstellen – ja, geht’s noch?

Sieben Tage sieben Nächte

Man könnte sich natürlich fragen: Warum gerade sieben Tage? Christen und Christen werden sich an Genesis 2.2 erinnern, wo es heißt: Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte, und an diesem Tag ruhte er.

Wissenschaftlich lassen sich die sieben Tage der Woche auf die alten Babylonier zurückführen, die als erste eine Verbindung herstellten zwischen den Wochentagen und den sieben Planeten. Und warum gerade sieben Planeten? So viele hatten die Babylonischen Astronomen am Himmel entdeckt. Jedem Planeten war ein Tag zugeordnet, und zwar in der Reihenfolge Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus, Saturn und Sonne. i

Diese Gottheiten hießen natürlich bei den Babyloniern anders als bei den Griechen, den Römern oder bei uns. Aber sie hatten in mancherlei Hinsicht vergleichbare Rollen im jeweiligen Pantheon, wie wir gleich sehen werden.

Zunächst einmal: Mit welchem Tag fängt die Woche an? Der moderne Mensch denkt vielleicht ans Weekend, und das ist ja bekanntlich Samstag und Sonntag; die Arbeitswoche beginnt dann logischerweise am Montag. Kann man so sehen, muss man aber nicht; wenn Gott am siebten Tage ruhte, nämlich am Sabbat, wie uns die Bibel und der Talmud lehren, dann fängt die Woche am Sonntag an. Und wenn man den Ruhetag am Freitag feiert, wie es unsere muslimischen Mitbürger halten, beginnt die Woche am Samstag,

Fangen wir halt mit dem Sonntag an: Diesem ist – leicht zu sehen – die Sonne zugeordnet. Darum heißt er ja Sonntag, oder Sunday, oder Dydd Sul (letzteres ist walisisch). In den romanischen Sprachen heißt er allerdings Dimanche, Domingo oder (auf rumänisch) duminică. Das ist, wörtlich gesehen, "Tag des Herrn". Soweit reicht unser Latein und unsere Fantasie. Beim Montag ist es noch einfacher; von Monday und unserem Mond-Tag bis hin zu Luni (wieder rumänisch). Luni, wie auch Lundi (frz.), Lunes (span.) oder Lunedi (ital), leitet sich natürlich ab von lat. Luna, der Mond. Und auch die Kelten halten mit: Dydd Llun.

Aber der nächste Tag soll mit dem Kriegsgott Mars assoziiert sein? Na gut, bei Mardi (frz.) und Martes (span.) einzusehen; mit etwas Mühe auch Dydd Mawrth (ja, richtig: Das ist schon wieder Walisisch. Auf Irisch heißt der Tag mairt.) Nur: Was ist mit Tuesday? Tues? Dienstag?? Nun, die Germanen kannten einen Gott, Tiw (auf nordisch : Tyr), der wohl eine Art Kriegsgott gewesen sein dürfte. Interessanterweise findet er sich auch im griechischen Ζεύς im römischen Gott Jupiter (das Ju- entspricht dem Zeus, das -piter heißt eigentlich Vater, also "Göttervater") wieder. So läßt sich Latein, Griechisch und Germanisch auf dieselbe Wurzel zurückführen.

Gönnen wir uns eine kleine Pause. Mittwoch ist ja wohl "Mitte der Woche". Genau. Nur – warum heißt der Tag dann Wednesday auf Englisch, und Mercredi auf Französisch? In diesen Sprachen sind dann doch wieder die Götter dabei. Der germanische Gott Odin hieß bei den Angelsachsen Woden und heißt bei den Richard-Wagner-Fans auch Wotan. Er ist der oberste der Götter, und Wodens-day → Wednesday ist sein Tag. In den romanischen Sprachen jedoch steckt ein ganz anderer Gott dahinter, nämlich Merkur (mercredi, miercoles; daher auch Esperanto Merkredo) Wo die Iren ihren Céadaoin herhaben, weiß ich nicht – es soll ja auf den keltischen Gott Céadii zurückzuführen sein.
Die Isländer nennen den Tag Miðvikudagur, und man muss kein Isländer sein, um unseren Mitt-woch zu erkennen. Laut Wikipedia ist auch in den slawischen Sprachen der Mittwoch die Wochenmitte. Das glauben wir jetzt mal einfach.

Donnerstag. Das ist tatsächlich relativ einfach, Donar bei den Germanen, und bei den nordischen Völkern sowie bei Marvel Comics der Gott des Donners, a.k.a. der Mann mit dem Hammer. Wir kennen sogar den Namen des Hammers, mjölnir, der Zermalmer. Ganz anders hingegen der Freitag. Der heißt nicht so, weil man da frei hat, sondern er heißt nach der Venus und ihren Entsprechungen. Daher Vendredi und Viernes; die germanische Göttin hieß Freja, und ihren Wagen zogen Katzen (-ernsthaft!), und sie war eine gar liebliche Erscheinung.

Bei den Italienern heißt der Freitag aber Jovedi, und das heißt "Iovis dies", Tag des Jupiter. Merkwürdig.

Der Samstag ist der Sabbat, da scheint man sich weitgehendiii einig zu sein, und indirekt davon abgeleitet sind auch Samstag, Samedi oder Sabado. Doch der Tag hat noch einen Namenspatron, nämlich den Gott der Unterwelt, Saturn, und so heißt er Saturday oder Dydd Sadwrn (auf – genau, walisisch). Im (protestantischen) Norden des deutschen Sprachgebiets heißt der Samstag meist Sonnabend. Das heißt "Vorabend des Sonntags" (ähnlich wie Heiligabend der "Vorabend von Weihnachten" ist – im Englischen noch deutlicher: Xmas Eve). Und das hänge, so heißt es, mit der angelsächsischen Mission zusammen (vgl. St. Bonifaz). Es könnte aber der Versuch sein, sich vom Sabbat der jüdischen Mitbürger abzugrenzen.

Kurz gesagt: Unsere Wochentage sind multikulti. Bei der Namensgebung beteiligt waren unsere Vorfahren, die Germanen, aber auch die Römer, die Juden und die eine oder andere keltische Gottheit.

Die Fußnoten
iDen Hang zu "sieben" haben wir übrigens über mehrere Kanäle bekommen: Über den Vorderen Orient, das Judentum, die Kirche, aber auch die Griechen (sieben Weltwunder!), den Islam und viele Geheimlehren. Und jawohl, Sonne und Mond sind keine Planeten. Was die Babylonier jedoch richtigerweise feststellten war, dass sie zu den wenigen Himmelskörpern gehörten, die ihre Bahn zogen.

iiÜber den weder mein Collins Pocket Irish Dictionary noch Das Oxford Dictionary of Irish Mythology Näheres weiß. Wahrscheinlich der Gott des Mittwochs. Der Mittwoch der walisischen Kelten ist ordnungsgemäß auf den Merkur zurückführen: Dydd Mercher.

iiiOffen gestanden ist die Ableitung des "Samstags" von Sabbat durchaus umstritten; andere Ableitungen, etwa aus dem Griechischen oder aus keltischen Wurzeln, sind oft sehr konstruiert und wenig überzeugend.

Bonus-Zeilen:
The Week In Classic Popular Music

The Mamas & the Papas, Monday Monday (1966)

The Rolling Stones, Ruby Tuesday (1967)

John Lee Hooker, Wednesday Evening Blues (1960)

Dave Dee, D, B, M & T, Mrs. Thursday (1968)

The Cure, Friday I'm in Love (1992)

The Bee Gees, (Saturday) Night Fever (1978)

The Small Faces, Lazy Sunday (1968)

Montag, 31. Oktober 2016

Das Lied, die Deutschen


So einfach ist das nicht mit der deutschen Nationalhymne!


Der Text stammt von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1). Er war Germanist (wie z.B. auch die Gebrüder Grimm), Dichter und – nach damaligen Begriffen – ein verdächtiges Subjekt. Er erhielt Berufsverbot, verlor seine (preußische) Staatsbürgerschaft und war jahrelang auf der Flucht. Er stand der Bewegung des Vormärz nahe, Menschen, die davon träumten, ein einiges Deutschland statt der Vielstaaterei zu verwirklichen. Ein Staat für alle freien (!! - das war aufrührerisch und subversiv!) Bürger deutscher Zunge sollte es sein. Als die Bewegung die Revolution versuchte (im März 1848 – daher der Name 'Vormärz'), war Hoffmann allerdings selbst nicht dabei.
Den Text des von ihm schon so benannten "Lieds der Deutschen" schrieb er auf der Insel Helgoland.. Helgoland hatte ein paar Hundert Einwohner, deren Friesisch kaum einer verstand. Friesisch ist kein deutscher Dialekt, sondern eine eigene Sprache!
Helgoland war zu der Zeit britisch (und wurde erst 1890 deutsch; dafür gab das Deutsche Reich alle Gebietsansprüche in Sansibar auf) (2).
Die Melodie wurde komponiert von dem Österreicher Joseph Haydn (3); sie war zunächst die österreichische Hymne mit dem Text "Gott! erhalte Franz, den Kaiser." (4)
Haydns Melodie zu Hoffmanns Text wurde erst 1922 (Weimarer Republik!) Nationalhymne.
Nach dem Krieg wurde der inzwischen peinliche Text der ersten Strophe auf Anregung von Bundespräsident Theodor Heuss (5) in der Bundesrepublik nicht mehr verwendet, sondern nur der der dritten Strophe. Die zweite kennt eh keiner mehr...
Die DDR hatte ihre eigene Hymne, "Auferstanden aus Ruinen" mit dem Text des Genossen Johannes R. Becher zur wunderbaren Melodie Hanns Eislers (glauben Sie nicht? hören Sie das mal auf Youtube!)(6)
Als Gegenentwurf zu Hoffmann von Fallerslebens heute missverständlichem Text verfasste Bert Brecht (7) mit seiner "Kinderhymne" einen Text, wie er schöner nicht hätte sein können.
Leider hat die damalige deutsche Regierung unter Helmut Kohl nach der Wiedervereinigung die Chance nicht ergriffen, für die nicht mehr geteilte Nation mit einer neuen Hymne ein Zeichen zu setzen. Einen ergreifenden Text und eine einfach schöne Melodie hätte man gehabt...

Kinderhymne
Text: Bert Brecht

1. Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land.

2. Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.

3. Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.

4. Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir's
Und das Liebsten mag's uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.

Donnerstag, 27. Oktober 2016

senkrecht & waag

senkrecht kommet vom senk=bley, auch loth genennet. dieses ist verwandt dem englischen lead, das heiszet bley. da man auch loth saget, gilt loth=recht dem senkrecht gleich.

Das senk heiszet senkel, also schnur, denn das senk=bley ist ein metallen gewicht an einer schnur. derenthalben heiszet die vorrichtung in französischer zunge fil à plomb. Ähnlich ist die maurer=schnur: sie dienet der geraden flucht allgemein, will sagen auch in anderen richtungen als der senkrechten.

waagerecht heiszet nach der wasser=waag, in der eine luft=blase, libelle genennet, die ebene ausrichtung des ganzen geräths anzeiget, so sie in der mitte schwimmt. im englischen heiszet man solches geräth spirit=level, denn level heiszet eben, in der waag. so man also eine person level=headed rufet, so ist sie in der waag, will sagen bey gesundem verstande.

horizontal saget man wegen des horizonts. So bezeichnet man im griechischen den gesichtskreis, da man saget ὁρίζων. dies bedeutet in deutscher zung auch den erd=kreis: so weyt unser auge reichet (und darob auch finitor genannt).
vertikal ist latein und heiszet scheitel=recht, mithin nach dem scheitel=punkte (vertex) ausgerichtet.so in etwa als liesze man vom scheitelpunkte, auch zenith geheiszen, ein loth herab.




Donnerstag, 20. Oktober 2016

Historische Wurzeln der Bundesländer

Anhalt 1863-1918i; Hzm aus einigen Fsm. (A.-Dessau, A.-Bernburg, A.-Köthen u. A- Zerbst)
Baden: Ghzm. 1806-1918
Bayern: Kgr. 1806-1918
Berlin ursprünglich von Brandenburg mitregiert, seit 1701 Sitz der Könige in/(seit 1777: von) Preußen. Hauptstadt des Kaiserreichs (1871-1918), der Weimarer Republik, der Nationalsozialisten (bis Kriegsende 1945); in 4 Sektorenii geteilt; Ostberlin wurde "Hauptstadt-der-DDR," der westliche Teil ("Trizonesien"), "West-Berlin," wurde de facto Bundesland der BRD, aber die Hauptstadt war Bonn. Seit der Wiedervereinigung durch den Einigungsvertrag ist Berlin wieder deutsche Hauptstadt.
Mecklenburg 'reichsunmittelbar', also Regionalbezeichnung
Holstein: Hzm seit 1474
richtig deutsch?
© M.Velardo
Pfalz Herrschaftsgebiet des 'Pfalzgrafen bei Rhein'; später geteilt in Kuriiipfalz (rechtsrheinisch) und Rheinkreis (linksrheinisch). Dieser wurde 1816 bayerisch. Die heutige bayr. Oberpfalz ist ein anderes Territorium.
Nordrhein: die nördliche ehemalige preußische Rheinprovinz (vgl. auch Rheinland-Pfalz)
Rheinland (-Pfalz; vgl Nordrhein-Westfalen) ehem. preußische Rheinprovinz + Teile von Hessen-Nassau + Rheinhessen.
Saarland: "Saargebiet" 1920 aus dem Reich ausgegliedert, nach e. Volksabstimmung (1955) im Jahre 1957 wiedervereinigt (bekam 1959 erst die DM!)
Schleswig bis 1864 (zusammen mit Holstein) Teil von Dänemark; seit 1864iv Hzm.
Südschleswig ist deutsch, (aber nie Teil des Deutschen Reiches!) Nordschleswig dänisch.
Thüringen: reine Gebietsbezeichnung
Vorpommern = das preußische Pommern westlich der Oder; V.-Rügen und V.-Greifswald; komplizierter Grenzverlauf; Teil v. Pommern heute Polen
Westfalen: ehem. preußische Provinz Westfalen; Kgr. Westphalen [sic!] 1807-1836
Württemberg: Kgr. 1805-1916
Abkürzungen: Kgr. Königreich, Ghzm. Großherzogtum, Hzm: Herzogtum Fsm. Fürstentum


Sachsen:
Das -sten (ndt. & dän.) in S.-Holstein ist abgeleitet von einem Sachsenstamm namens Holsaten (Holzsachsen)
Niedersachsen: ehem. Kgr, Hannover, sowie Braunschweig, Oldenburg u Schaumburg-Lippe (von 1945 bis 1946 unabh.)
Sachsen-Anhalt Neugründung
Sachsen: Kgr. 1806-1918

"Freistaaten":
Bayern, Sachsen, Thüringen; nach d. Krieg bis 1962 auch Baden sowie Freistaat Coburg (1920 mit Bayern vereinigt). "Freistaat" auf Lateinisch: "res publica": geht alle an und keinen interessierts...

Stadtstaaten:
HH, HB (nit Bremerhaven) und Berlin.
Alle drei Stadtstaaten haben einen 'Bürgermeister' als Regierungsoberhaupt; in Berlin heißt er 'Regierender' und in Hamburg 'Erster'; in Bremen ist er nur 'Bürgermeister' (und Bremerhaven, das an sich auch zu Bremen gehört, hat einen eigenen).
In den Stadtstaaten bildet ein 'Senat' die Regierung; das Parlament der jeweiligen Stadt heißt 'Abgeordnetenhaus' in Berlin und 'Bürgerschaft' in den Hansestädten Hamburg und Bremen. Berlin ist keine Hansestadt.



Hansestädte mit eigenem Autokennzeichen sind:
Bremen (HB),), Greifswald (HGW), Hamburg (HH), Lübeck (HL), Rostock (HRO), Stralsund (HST) und Wismar (HWI). Daneben sind an die 20 weitere Städte Hansestädte, haben aber kein eigenes Kennzeichen.

fehlende Länder:
Franken, immerhin Herzogtum bis zur Eingliederung in Bayern
Hohenzollern: Hohenzollernsche Lande (Hechingen, Sigmaringen) zwischen Baden und Württemberg
Lippe: die Rose im NRW-Wappen:

 a propos Wappen:

Niedersachsen hat dasselbe Pferd auf rotem Grund. Sonst nichts.

Hessen und Thüringen haben sehr ähnliche Löwen; der Thüringische hat noch eine Krone und ein paar Sterne, die einzelne Landesteile darstellen, wie Sachsen-Coburg-Gotha , oder Sachsen-Weimar-Eisenach.
Sachsen-Anhalt jedoch nicht: Das ist ein eigenes Bundesland mit eigenem Wappen: schwarz und gold gestreift mit grünem Rautenkranz für Sachsen (und für das Bundesland Sachsen), der Adler steht für Preußen (weil die überall mitgemischt haben) und der Bär stellt Anhalt dar.


Noch ein Bär findet sich im Wappen Berlins (o.Abb.); Mecklenburg hat einen Stierkopf (zweimal), den Greifen (Vorpommern) und einen etwas zauselig wirkenden Adler ( brandenburgisch).  



Baden-Württemberg hat Löwen, aber immerhin drei; die beiden Löwen (heraldisch gesprochen übrigens Leoparden) im Wappen von Schleswig sind blau: die rechte (heraldisch gesprochen: linke) Seite des Wappens sieht aus, als wäre ein Fenster in die Brüche gegangen. Vielleicht typisch für Holstein.
.
Ein einzelner Löwe hat sich nach Rheinland-Pfalz geschlichen:

Das rote Kreuz ist Trier; das Mainzer Rad steht für Mainz, der Löwe für die Pfalz.


Machen wir's kurz: Saarland hat ein Wappen, bei dem unten rechts (heraldisch...? Links!) der pfälzer Löwe auftaucht; das rote Kreuz steht hier für Trier; der silberne Löwe steht für Saarbrücken und die drei Zugvögel stehen für Lothringen. Ganz schön viel Wappen für ein so kleines Land!
Bremen hat einen Schlüssel als Wappen.
Seltsamerweise verwendet die Hamburger Wochenzeitung die Zeit eben dieses Wappen in seinem Logo:

Hamburg hat ein Tor: das Tor zur Welt. Naja.

Bleibt Bayern; das Wappen ist entweder einfach, nämlich weiß-blaue (niemals blau-weiß sagen!) Raute. Oder das große Staatswappen:  
Den Löwen auf schwarz kennen wir schon aus der Pfalz; der Kollege darunter, in blau, steht für Ober- und Niederbayern. Die drei herschauenden Löwen (Leoparden...) stehen für Schwaben, und der rot-weiße "fränkische Rechen" steht für Franken. In der Mitte die weiß-blauen Rauten.
Die Fußnoten:
i Mit dem Ende des Deutschen Reichs aufgelöst und in die (Weimarer) Republik eingegliedert. Die Weimarer Republik war übrigens mit Hauptstadt und Parlament (Reichstag!) in Berlin, nicht in der thüringischen Kleinstadt Weimar!

iiDie BRD bestand aus der Amerikanischen, Britischen und Französischen Zone, Die DDR aus der Sowjetischen (westdt. Sprachgebrauch: SBZ – Sowjetisch besetzte Zone oder einfach : die Zone ), die vier Teile Berlins waren die Sektoren.

iii'Kur'pfalz, da der Pfalzgraf im alten Reich einer der sieben Kurfürsten war, die den Kaiser wählten. "kur" ist abgeleitet von "küren", was "wählen" bedeutet. Die sieben Kurfürsten waren der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg, der Pfalzgraf bei Rhein sowie die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier; später fiel die Kurfürstenwürde an den Herzog Bayern (ersetzte den Pfalzgrafen) und an den Herzog von Braunschweig (den späteren Kurfürsten von Hannover)
.
iv1864 Deutsch-Dänischer Krieg; 1866 Preußisch-Deutscher Krieg



Dienstag, 18. Oktober 2016

Anmerkungen über Vögel

Whoo-'oo?
                                                 (Famous Birds)




Archaeopteryx (etwa: "steinaltes Geflügel") Damit fing alles an: mit einem fossilen Vogelskelett aus Solnhofen, das aussah wie ein Saurier mit Flügeln. Und es war ein Indiz für die Richtigkeit von Darwins Evolutionstheorie.

Adler: Das wahrscheinlich beliebteste Wappentier, vom Bald-headed Eagle der USA bis hin zum Doppeladler der k.u.k. Donaumonarchie und zum Wirtshaus Zum Adler in Versbach. Auch in natura ein stolzer Vogel.

Albatros eleganter Vogel mit der enormen Flügelspannweite von 3 ½ Metern. Die englische Redewendung 'to have an alnatross around one's neck' ibedeutet etwa "sein Bündel zu tragen haben."

Bachstelze Ein harmloser Singvogel mit einer lustigen, hüpfenden Gangart.

Dodo Ein putzig plumper, flugunfähiger Vogel. der um 1600 erst von europäischen Seefahrern auf der InselAlice in Wonderland erwähnt wurde (1865).
Dodo
Mauritius entdeckt wurde und noch vor Ende des Jahrhunderts ausgestorben war. Und das, obwohl er gar nicht einmal besonders gut schmeckte. Er lebt in unserem Herzen fort, auch weil er in

Drossel, auch: Spottdrossel. Sie kommt bei uns nicht vor, aber in Nordamerika, wo man sie mockingbird nennt. Sie ist benannt nach dem eindrucksvoll lärmenden Gesang, bei dem sie alle möglichen Umweltgeräusche nachahmt. Mit den echten Drosseln (Turdidae) ist sie jedoch nicht verwandt. Echte Drosseln sind eine artenreiche Familie; die Drossel wird daher im deutschen Volkslied gleich nach der Amsel erwähnt.

Darwin-Finken heißen so, weil sie Charles Darwin 1835 zu seiner Evolutionstheorie angeregt haben sollen. Es handelt sich um mehr als ein Dutzend eng verwandten, aber deutlich unterschiedlichen Arten von Finken auf den Galápagos-Inseln. Diese seien voneinander verschieden, da sie in verschiedenen Umweltbedingungen lebten, denen sie sich angepasst hätten. Vielleicht schuf sie aber Gott gleich so...

Elster Opernfreunde kennen sie aus der Ouvertüreii von Rossinis La gazza ladra: die diebische Elster. Sie als ein Beispiel ornithologischer Kleptomanie zu betrachten, geht zu weit: Die Elster mag einfach alles, was glitzert, und schleppt schöne Dinge ins Nest.

Eichelhäher hä?

Eisvogel Völlig zu Recht mein Lieblingsvogel: Wie ein blauer Kristall gleitet er in Ufernähe über das Wasser, taucht plötzlich unter und hat beim Auftauchen die Beute im Schnabel. Oder er sitzt nur so rum, um dann doch plötzlich in den Fluss zu schnellen. Im Englischen heißt er kingfisher, und ein in Indien für den britischen Markt gebrautes Bier heißt auch so.


Eule Sie symbolisiert die Weisheit, auch wenn man nicht ganz verstehen kann, warum. Tagsüber guckt sie eher behäbig, und nachts, wenn sie zur vollen Form aufläuft, sehen wir sie selten.
Wie Hegel es ausdrückte: "…; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“ (aus: Grundlinien des Rechts). Wenn man etwas Unsinniges tut, trägt man "Eulen nach Athen" ((γλαῦκας εἰς Ἀθήνας κομίζειν ) - ein Zitat aus der Komödie "Die Vögel" ( Ὄρνιθες) von Aristophanes.

Ente Ein an sich schon sympathischer, wohlschmeckender Vogel ("roast duck" beim Chinesen, oder gleich "Peking style") und friedlicher Parkbewohner. Bekannt sind auch der amerikanische Enterich Donald Duck und seine Familie.

Flamingo Diese Vögel sehen aus, als könnte es sie nicht geben: langer, eleganter Hals, lange Beine (sind ja Watvögel) und ein Schnabel, der es ihnen ermöglicht, kopfunter zu speisen. Und das Ganze in kitschrosa! Und warum? Weil sie ständig Krabben fressen!!

Garuda Who he? Fragen Sie mal einen Hindu! Garuda, Schlangentöter in Adlergestalt, ist der, auf dem
 Garuda
Vishnu reitet; von ihm wird u.a. im Mahabharata erzählt, und er wird in ganz Südasien verehrt. Die indonesische Fluggesellschaft heißt Garuda Induoesia.


Hahn, Huhn, Henne Was war zuerst da, die Henne oder das Ei? Zuerst war da doch wohl die Erbsünde! Der Hahn ist stolz wie ein Gockel, aber die Arbeit erledigt das Huhn. Ach hätten wir doch das Huhn, das goldene Eier legt...iii Wer tugendhaft ist, geht mit den Hühnern ins Bett, denn man wird auf jeden Fall beim Hahnenschrei schon wach.
Im übrigen ist "der rote Hahn auf dem Dach" eine Katastrophe, denn das bedeutet, dass der Dachstuhl brennt.

Ibis Ein Schreitvogel, der in wärmeren Gegenden lebt und der von den alten Ägyptern immer als Symbol für den Gott Thot dargestellt wurde, Dieser war Gott des Maßes, der Weltordnung, der Hieroglyphen und der Intelligenz. Er war es auch, der nach dem Tode des Menschen den Schiedsspruch über sein Schicksal protokollierte.

Kranich Das Wappentier der Lufthansa.
Krähe Eine Krähe ist kein Rabe, aber beide sind Rabenvögel (Corvidae), beide sind schwarz und krächzen. Beide sind erwiesenermaßen intelligent, aber während die Krähe – zumindest bei uns - eher als häßlich und hinterlistig empfunden wird - "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" -, hat der Rabe oft etwas beunruhigend Geheimnisvolles. Vor allem die Raben tauchen in vielen Märchen und Sagen auf; ihre Rolle als Begleiter und Boten Odins (die beiden Raben Hugin und Mugin) ist bemerkenswert. Man kennt sie auch aus dem Märchen, wo sie oft mit der Seelenreiseiv ins Jenseits verbunden sind (vgl Grimm, Die sieben Raben).

Kuckuck Sowohl der Ruf, der ihm vorauseilt, als auch der, den er ertönen lässt, sind sonderbar. Auch hört man ihn eher, als man ihn sieht, und sogar der Laie erkennt das "Kuckuck, kuckuck" (die Töne liegen zwischen den Halbtönen der Tonleiter und entsprechen etwa f2 (678 Hz) und d2 (565 Hz) – so jedenfalls der vogelkundige Wikipedia-Autor). Außerdem weiß man, dass er seine Eier in fremde Nester legt, und dass diese Eier zwar meist etwas größer sind als die der Wirtsvögel (d.h. der ausgetricksten Nesteigner), aber in Zeichnung und Pigmentierung jenen verblüffend gleichen. Da fragt sich nun der Laie, Wie macht der Kuckuck das, und der Fachmann weiß es auch nicht. "Zum Kuckuck mit deiner ewigen Fragerei!" Was aber tatsächlich noch nicht bekannt ist: Wie viele Eier legt ein Kuckuckweibchen pro Saison? "Weiß der Kuckuck!"

Kanarienvogel Der gelbe Wunderknabe kommt von den Kanaren (Islas Canarias), und die heißen so wegen der – Hunde (canis = "Hund"). Hunde??

Ladybird Der Marienkäfer heißt auf Amerikanisch praktisch genauso ([Our] Lady = "Maria", und "bug" heißt "Käfer"). Warum heißt dieser Käfer in Großbritannien Ladybird?

Mauersegler Das sind keine Schwalben, auch wenn sie so aussehen; sie können ganz schön schnell fliegen (bis 200 km/h und mehr), und abgesehen vom Mutterschaftsurlaub (wenn sie brüten – da hängen sie meist an der Wand, daher der Name), sind sie ständig in der Luft. Im Sommer sind sie oft gruppenweise auf Party-Tour und schreien laut rum (anders als die Schwalben mit ihrem Geflirre). Aber alles in der Luft, die ganze Zeit!!

Nachtigall "Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche" (Shakespeare, Romeo und Julia, III,5)
Die Nachtigall singt (auch) in der Nacht, und ihr Gesang ist entzückend. Etymologisch gesehen kommt das -gall von -gellen; das übliche Wort für das, was sie tut, ist heute "schlägt." Irgendwie trifft's beides nicht so ganz...
Übrigens ist die Nachtigall im beliebten Volkslied Die Vogelhochzeit nicht mit von der Partie, die Lerche aber schon:
"Die Lerche, die Lerche
die führt die Braut zur Kerche
Fidirallala, etc...

.

Pinguin Das Wappentier des britischen Taschenbuchverlages Penguin (heute Penguin Random Housev.

Phoenix Ein mythologisches Tier: der Phönix, der immer wieder aus seiner Asche wiederersteht, war schon von den alten Ägyptern verehrt worden. Er überlebte Griechenland, Rom und Byzanz und ist auch heute noch ein Sinnbild für Unsterblichkeit, Auferstehung und Ewigkeit.

Quetzal Ein heute in seinem Bestand gefährdeter, bunter Vogel mit prächtigen, langen Schwanzfedern, der in Mittelamerika vorkommt und in dem Mayastaat Guatemala Wappentier ist.
Quetzalcoatl Wenn es auch Leute gibt, die meinen, der Quetzalcoatl sei nichts anderes als eine Erscheinungsform von Tlahuizcalpantecuhtli und andere Kukulcan ins Spiel bringen– siehe z.B. Wikipedia – ist die "gefiederte Schlange" auf jeden Fall eine in den mittelamerikanischen Kulturen weit verbreitete, wichtige Gottheit. Er ist auch – das sei zugegeben, vielleicht mehr Schlange als Vogel, aber umgekehrt war auch der Archeopteryx mehr Vogel als Saurier.
Quetzalcoatl
Rabe siehe Krähe (Krächzvögel) Eine originelle Zeitschrift in Buchform brachte der Schweizer Verlag Haffmans 1982-2001 unter dem Titel "Der Rabe" heraus (Drei Sondernummern mit kulinarischer Thematik hießen konsequent: "Die Rübe"); die Nummer 1 enthält Texte, Bilder, Zeichnungen &c. pp. So zum Beispiel das berühmte Grusel-Gedicht The Ravenvi(1845)

Storch "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach..." "Der Storch klappert", daher → Klapperstorch. Ein Kind von heute kennt möglicherweise beides nicht: weder die rauschende Mühle noch den klappernden Storch auf dem Dach. Dabei ist ein Storchennest etwas Anrührendes, vor allem, wenn man sieht, wie beide Elternteile sich um das Nest und den Nachwuchs kümmern. Nur: Warum heißt es, der Storch bringe die Kinder (aber auch nur bei uns!) - und wer bringt die kleinen Störchlein?

Spatz oder Sperling Ihn gibt es in zwei Varianten, den Haussperling und den Feldsperlingvii. Seit Tausenden von Jahren ist der Spatz hinter den Krümeln her, die von unserem Tische fallen. Das nennt man dann "Kulturfolger". Eine Zeit lang galt er als bedroht (erzählen Sie das mal jemandem aus dem 19.Jahrhundert! Um jeden Pferdeapfel stritt sich ein halbes Dutzend Spatzen), jetzt gibt es ihn offenbar wieder mehr. Ein Kind ist "frech wie ein Spatz"; man "schimpft wie ein Rohrspatz". Die "Spatzen pfeifen es von den Dächern", aber: Es ist besser "ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach".viii

Schwan Eine Art Gans de luxe. Auf Flüssen und Teichen ein wunderbar eleganter Vogel mit langem Hals (eben: "Schwanenhals"). Wenn einer stirbt, singt er noch sein schönstes Lied: den "Schwanengesang." "Vom hässlichen Entlein" berichtet das Märchen; von der Königsgattin Leda, mit der Zeus vier Kinder zeugte (was wiederum die ganze Malereizunft aufhorchen ließ) berichtete die Mythologie, und Opernfreunde kennen Wagners "Lohengrin".Shakespeare war "the Swan of Avon" und junge Schwäne nennt man Cygnet. Im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland gehören alle Schwäne öffentlichen Gewässern von Rechts wegen der Krone.

Specht Von ihm nur so viel: Es gibt mehrere Arten, und fast alle hämmern auf der Suche nach Insekten lautstark an Baumstämmen herum. Spechte können nicht kopfunter am Baum hängen, und sieht man doch mal einen, war's ein Kleiber. Ineressant ist jedoch vor allem: Wieso kriegen Spechte bei all dem Geklopfe keine Gehirnerschütterung?

Taube Man nennt sie "Ratten der Luft,"da sie in der Stadt, dem von ihnen heute weitgehend eroberten Lebensraum, alles vollscheißen. Trotzdem füttern sie die Touristen an den meisten öffentlichen Plätzen (Trafalgar Square) und für die entsprechenden Selfies sind sie unabdingbar. Im Märchen spielen sie oft eine positive (Aschenputtel etwa helfen sie selbstlos); in der christlichen Glaubenslehre wird der Heilige Geist oft als Taube dargestellt, und sie ist schon immer ein Symbol des Friedens und der Friedensbewegung (seit 1949; Plakat von Picasso).ix

Uhu (wissenschaftlich: bubo bubo) ist eine große Eule; von denen war ja schon die Rede. Ein kleiner Nachtrag noch: Alle Eulen haben beide Augen nach vorn, was ihnen ein regelrechtes 'Gesicht' gibt (bei anderen Vögeln sind die Augen beidseitig) und was andererseits dazu führt, dass Eulen den ganzen Kopf weit nach hinten drehen können.
Für uns in Deutschland ist UHU ein Kleber (nicht Kleiber!), ach was: der Kleber, und ein alt-ehrwürdiges deutsches Unternehmen. Die Franzosen sprechen es "Ü-ü."

Zaunkönig Ein sehr kleiner Federball, sonst eher unspektakulär.

Zeisig Auch ein kleiner Vogel, weswegen kleine Dinge im bayerischen Dialekt gern "Zeiserl" genannt werden.
iDiese Wendung stammt aus dem Gedicht Rhyme of the Ancient Mariner (1843) von Samuel Taylor Coleridge:

Ah! well a-day! what evil looks
Had I from old and young!
Instead of the cross, the Albatross
About my neck was hung.

iiiIch wollt' ich wär ein Huhn
Ich hätt nicht viel zu tun
Ich legte vormittags ein Ei
Und abends hätt ich frei.
Comedian Harmonists

ivDaher spielen sie in schamanischen Kulturen eine wichtige Rolle.

vEine Verlagsgruppe, die von Bertelsmann kontrolliert wird; viele illustre Namen gehören dazu, neben Penguin (das selbst eine Institution in Großbritannien ist) etwa Random House, Dorling Kindersley, Viking oder Allen Lane.

vi Once upon a midnight dreary, while I pondered, weak and weary,
Over many a quaint and curious volume of forgotten lore—
While I nodded, nearly napping, suddenly there came a tapping,
As of some one gently rapping, rapping at my chamber door.
"'Tis some visiter," I muttered, "tapping at my chamber door—
Only this and nothing more.".......und so weiter, 18 Strophen lang.
viiDas erinnert an Hausmaus und Feldmaus, Haus- und Wanderratte u.ä.


viiiUnd da war ja noch Mireille Mathieu, der "Spatz von Avignon". "Piaf" ist übrigens französische Umgangssprache für den Spatz. Daher "Spatz von Paris"für Edith Piaf.


ixDa sieht man einmal, wie man sich täuschen kann: Es ist inzwischen erwiesen, dass Tauben relativ aggressiv sind, auch und vor allem ihren Artgenossen gegenüber. Halt wie der Mensch.


Dienstag, 2. August 2016

Sciencefiction

Was ist, und zu welchem Ende studiert man SF? (um einmal Schilleri zu paraphrasieren).
Zunächst einmal ist Science-Fiction (die in der Überschrift verwendete Zusammenschreibung erlaubt der Duden zwar auch, erklärt aber nicht, wieso. Kein vernünftiger Mensch, geschweige denn hardcore-SF-Fans wäre auf sowas gekommen) ein irritierender Begriff. SF ist weder Wissenschaft, noch hat sie diese zum Thema. Wenigstens nicht vorwiegend.

Im deutschen Sprachraum nannte man sie "utopische Romaneii" oder dann auch "Zukunftsromane": Erzählungen von der Wissenschaft (und Technik), in einer Welt von morgen.  
Die Zukunft würde ganz anders sein, und dies war primär durch Fortschritt in Wissenschaft (und Technik – das ging immer Hand in Hand) begründet. Daher handelte das, was man später Science Fiction nennen sollte, von einer von wissenschaftlichen Erkenntnissen organisierten und von Technik gestalteten Welt, wie wir sie uns kaum vorzustellen wagten.
Die Zukunft, wie sie (fast) jeder kennt:
Fritz Langs Metropolis
Die Welt wäre ganz anders. Klar, sonst lohnte sich die Zukunft ja gar nicht. Auffällig ist ja, dass die SF im heutigen Sinn sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte, als eben die Technik dabei war, die Lebenswelt der Menschen (und die Wissenschaft ihren Horizont) gründlich zu verändern. Man extrapolierte lediglich das Offensichtliche in die (nicht immer weit entfernte) Zukunft. Das war zunächst Aufregung genug.

Interessant ist dabei, dass selbst scheinbar geniale "Zukunftsromane" – gönnen wir uns dieses Wort doch noch einmal – eines fast nie vorausahnten: die explosive Entwicklung des Individualverkehrs. Letztlich ist keine technische Entwicklung der letzten anderthalb Jahrhunderte so folgenreich gewesen wie das Auto – in technischer, politischer wie ökonomischer und psychologischer Hinsicht. Aber auch ein Jules Verne ahnte nicht, was da auf die Menschheit zukam.

"Technik" heißt in diesem Zusammenhang: Raketen, Roboter, Elektronengehirne und überlegene Waffentechnik. Spielt man einmal durch, welche Veränderungen diese bewirken können, stößt man – zumindest in der anspruchsvolleren Literatur – sehr bald auf die Frage, was sie mit dem Menschen, seiner Moral und seinem Verhalten anstellen. Bei Raketeniii und bei Robotern kann man vielleicht vermuten, dass erstere Reisen in faszinierende andere Welten ermöglichen, und dass letztere dem Menschen willfährige Sklaven sein könnten. Aber überlegene Waffentechnik? Gegen wen? Und die Elektronengehirne (heute "Computer") sind doch sicher nur ein willkommenes Werkzeug, oder?

Letztlich stellt literarische SF fast immer, explizit oder implizit, die Frage nach der Gesellschaft und nach der Rolle, die sie dem Einzelnen zukommen lässt. Im einfachsten Fall, bei der hard SF, in der die Menschheit endlich in die Tiefen des Weltraums vordringt, stößt sie dabei irgendwann auf andere vernunftbegabte Lebewesen, sogenannte aliens. space wars werden ausgetragen: space operas. Das allein trägt nicht (und seit der Mensch auf dem Mond war, klingt das geradezu unspannend): Auf die aliens kann man reagieren, indem man Bündnisse mit ihnen eingeht, selbst mit Klingonen, oder, was wahrscheinlicher ist, indem man sie vernichtet. Man hat ja die überlegeneren Waffen. Das führt dann gelegentlich zu megalomanen Träumereien à la Perry Rhodaniv, und in die Abgründe des Kitsches.
Alien?
                                                                                          (Libelle!)
Die Auseinandersetzungen mit ihnen können epische Formen annehmen,

Weil wir gerade vom Kitsch reden: Das, was die meisten Menschen heute unter SF verstehen, stammt aus dem Kino oder vom TV: Serien wie Startrek ("Raumschiff Enterprise") oder Filme wie Star Wars, Independence Day oder War of the Worlds sind vor allem eins: Orgien von special effects, bei denen nicht die Handlung wichtig ist, sondern das Krachen, Blitzen und Wummern in Dolby digital. Was übrigens völliger Quatsch ist, denn da das All keine Atmosphäre hat, können sich auch keine Schallwellen ausbreiten; der echte Krieg der Sterne spielte sich in völliger Stille ab!

War of the Worlds
Wieder einmal der Weltuntergang...
Bei vielen Menschen steht SF also für triviale, oberflächliche Unterhaltung und nicht viel mehr. Wie bei vielen anderen Genres auch (Kriminalfilme zum Beispiel haben ebenso oft kaum Tiefgang, und Historienfilme sind oft Schnulzen, und fast alle Western sind historisch eher fragwürdig) gibt es gute und schlechte SF.

Oder, wie Kingsley Amis es ausdrückte: 
SF's no good, they bellow till they're deaf

And if it's good, why, then it's not SF

- etwa: wenn's gut ist, kann's keine SF sein!

Roboterv (das Wort stammt aus dem Tschechischen und ist abgeleitet von robota, "Arbeit, Fron") sind ein Konzept: Maschinen (im weitesten Sinn), die uns dienen und für uns arbeiten. Es gibt sie schon, aber nicht halb so perfekt, wie sich das die Menschheit erträumt hatte. Noch nicht. Immerhin gibt es bereits etwas wie die Three Laws of Robotics, erfunden von dem amerikanischen SF-Autor Isaac Asimov. Die drei Gebote für Roboter sind: 1) Du darfst keinen Menschen töten; 2) Du must dem Menschen gehorchen (außer, wenn du gegen Gebot 1 verlstoßen würdest), und 3) Du musst überleben (es sei denn, du verstößt dabei gegen Gebote 1 oder 2). So könnte man Roboter programmieren und dann relativ bedenkenlos in den Dienst nehmen. Vielleicht sollte man jedoch noch ein Gebot einführen, auch wenn es kompliziert wird: 4) Du sollst nicht anfangen, selbst denken zu wollen. Das ist das Problem der artificial intelligence (AI), der künstlichen Intelligenz.
"We come in peace"
Aus dem Film The Day the Earth Stood Still


Zugrunde liegt dabei ein viel älteres Problem, nämlich das Verhältnis von Mensch und Maschine, der Golem, Goethes Zauberlehrling: Herr, die Not ist groß!/ Die ich rief, die Geister/ werd ich nun nicht los. Oder moderner: Der Aufstand der Maschinen gegen den Menschen. Je komplexer die Maschinen, desto gefährlicher: Man denke nur an den Bordcomputer HAL in Stanley Kubricks Film 2001 A Space Odyssey, der das Überleben der Crew sabotiert, weil er – hierin geradezu menschlich – sein eigenes Überleben für wichtiger hält. Und das war 1968, eine Zeit, in der die Computer vergleichsweise wenig Rechenleistung hatten. Heute kann jedes Handy mehr: man sei also auf der Hut!

A propos Computer: wissen Sie, was ein bot ist? Ein zu autonomem Verhalten fähiger Software-Agent (im Sinne von "Handelnder"), ein Roboter, der ein Stück Software ist. Gruselig, oder Brave New World? (A. Huxleys "Schöne neue Welt" von 1932).

Überhaupt: Wie wird sie aussehen, die schöne neue Welt? Wird es die ideale Welt sein, ein Paradies für alle? Oder etwas, das vielleicht schlimmer ist als alles bisher Dagewesene? Die ideale Welt – wie sähe sie aus? Welchen Spielregen wäre sie unterworfen – oder gibt es so etwas wie die totale Freiheit für alle? Beschreibungen solcher Welten gab es in der Literatur immer wieder; man nennt sie Utopien: vom Griechischen οὐ- "nicht-“ und τόπος  "Ort“, also "kein Ort, nirgends". So hieß ein Buch von dem englischen Staatsmann (unter König Heinrich VIII) und Autor Thomas More, das 1516 erschien (unter dem Titel De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia: "die Verfassung des optimalen Staats..."), und wie alle literarischen Utopien langweilig und freudlos. Verordnete Harmonie funktioniert nur bedingt, beschränkt die Freiheit des Einzelnen - und sie macht vor allem keinen Spaß.

Daneben gibt es die für einen Schriftsteller reizvollere Schilderung des totalen Staats als Unterdrückungsmaschine, die sogenannte Dystopie (wobei dys- "schlecht", "übel" bedeutet: der Staat als Anti-Utopie). Die bekanntesten dürften sein: Yevgenyi Zamyatin, Мы ["Wir"]vi (1920); Aldous Huxley, Brave New World (1932); George Orwell 1984 (1949); Ray Bradbury, Fahrenheit 451vii (1953); John Burgess, A Clockwork Orange (1962; Kubrick film 1971); John Brunner, The Sheep Look Up (1972) – und ständig werden es mehr.
Anlässlich einer Ausstellungviii schrieb unlängst Christian Schlüter in der Frankfurter Rundschau: "...in der Science-Fiction geben wir uns der Lust an der größtmöglichen Katastrophe hin. Das ist die eigentliche politische Botschaft dieses Genres:" Das verkennt die Lust an der größtmöglichen Unterhaltung durch spektakuläre Effects auf den Mega-Leinwänden heutiger Kinos: Das, und nicht etwa eigentliche politische Botschaften reizt das Publikum.ix

Was will SF? Unterhalten – ja, doch schon auch. Aber eben auch mehr: Aufrütteln, warnen, Entwicklungen vorhersagen, zum Nachdenken bringen. Space operas; man in space: "hard SF" – ist nicht alles; nicht immer kommen Raketen, UFOs, Raumschiffe vor! Nicht immer geht es um die Zukunft – im Jahr 1948 schrieb Orwell 1984, um vor einem totalitären Überwachungsstaat zu warnen, wie er ihn unter Hitler und Stalin, den Big Brothers seiner Zeit, erlebt hatte, nur noch perfekter.

Verwandt damit sind Zeitreisen und alternatex histories. Es handelt sich bei letzteren um "What if"-Stories: "Was wäre wenn" die Geschichte anders abgelaufen wäre: Hitler hätte den Krieg gewonnen, oder Die Chinesen hätten Europa entdeckt, oder Nach dem Bürgerkrieg wäre Amerika in drei verschiedene Staaten zerfallen. Reizvolle Gedankenspiele, die nicht viel an wichtigen Einsichten gewähren, aber verfilmt doch einiges hergeben müssten; seltsamerweise sind sie selten. Beliebter sind die Zeitreisen: Abgesehen davon, dass sie in zwei Richtungen weisen können, zurück in die Vergangenheit oder voraus in die Zukunft, eröffnen sie rasch logische oder gar paradoxe Situationen, mitunter sogar philosophische Fragen.

Um die anfangs aufgeworfene Frage – warum ...studiert man SF? - zu ihrer Conclusio zu führen: Weil kein anderes Medium erlaubt, so viele Aspekte unseres Erdenxidaseins auf so reizvolle und unterhaltsame Weise zu beleuchten.

Ein Letztes noch: Wenn im SF-Film die Notwendigkeit auftaucht, mit aliens zu kommunizieren, ist das meist kein unüberwindbares Problem: Entweder der Bordcomputer des eigenen Raumkreuzers kann aber nun wirklich alle Sprachen, oder Hilfsmittel wie Babelfische erleichtern die Kommunikation. In der SF-Literatur drückt man sich hingegen viel weniger vor solchen Kommunikationsproblemen; vielfach werden diese sogar thematisiert (am radikalsten wohl in S.Lems Roman Solaris), aber sie würden im Film eventuell zu langweiligxii. Schade!

iFriedrich Schiller sprach zwar von Universalgeschichte, aber es gab zu seiner Zeit auch wenig gute SF...
iiUnd es sind in der Tat fast nur Romane (und Erzählungen): weder gibt es nennenswerte SF-Lyrik, noch entsprechende Theaterstücke.
iiinatürlich kamen nach den Raketen die immer größeren Raumschiffe...
ivFür den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie nicht wissen, wer das ist: Perry Rhodan ist der fast göttergleiche Herrscher des Universums, wie er in hunderten von Heften beschrieben ist – Deutschlands wenig rühmlicher Beitrag zur internationalen SF.
vOft auch Cyborgs (von 'cybernetic organisms') oder Androids genannt, wenn sie weniger aussehen wie Maschinen und äußerlich dem Menschen gleichen. Das, was Sie von Ihrem Smartphone her kennen, heißt jedoch nur so und ähnelt dem Menschen kein bisschen.
viZamyatins Werk erinnert stark an Orwell – Es erschein jedoch fast 30 Jahre früher!
viic.233°C. Das ist die Temperatur, bei der Papier brennt (oder Bücher, wie in diesem Roman).
viii"Things to Come" in der Deutsche Kinemathek, Berlin. Noch bis 23 April 2017
ixWenn bei der Eröffnung der Ausstellung von "einer erstaunlichen, nunmehr zwanzig Jahre andauernden Konjunktur des Genres" (Rainer Rother) die Rede ist, gilt dies doch eigentlich nur für den SF-Film; für dir Literatur gilt dies nur sehr bedingt (z.B. dann, wenn man die zahllosen spinoffs der Star Wars Reihe mit einrechnet)
xhat sich eingebürgert und ist irreführend: gemeint ist alternative; alternate hieße "sich abwechselnd"
xi(Solar System 3rd planet; humanoid lifeforms)
xiiVgl. auch eine Vielzahl von Westernfilmen, bei denen die Indianer [zwar gebrochenes, aber immerhin:] Englisch reden. Im Übrigen – und nicht nur im Western – gilt: Je platter der Film, desto mehr grausigen Akzent sprechen die Gangster, aber praktisch immer korrekte Grammatik...!