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Aus Goyas Bilderzyklus Desastres de la
guerra (1810-1820
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Streit, von Althochdeutsch strīt: bewaffneter
Wettstreit. Überraschenderweise ist das Wort, das dabei bevorzugt
genommen wird, aus dem Germanischen: Krieg ist Wirrnis, werra, war.
Ein regelrechter Exportschlager! Wie
übrigens auch Helm (helmet, yelmo, elmo etc.) oder Blitzkrieg (!! -
Im Englischen hat man davon sogar ein Verb abgeleitet, to blitz).
Oder Panzer. Hier ist es das Ding an sich (z.B. als 'Leopard 2' von
Krauss-Maffei), nicht das Wort: Dieses Wort kommt z.B. im
Französischen, Spanischen oder Italienischen aus dem Englischen
(tank, tanque, vom englischen tank)i.
Aber:
Das englische war entstand aus Altenglisch wyrre,
AFrz. were, vom (germanischen!) werre, ist verwandt
also mit verwirren, schon im Indogermanischen *-wers:
"durcheinanderbringen, verwirren". Aber nicht nur das
englische war kommt aus dem Germanischen, sondern auch die
spanische, italienische und prtugiesche Entsprechung zu "Krieg":
guerra. Und natürlich la guerre im Französischen.
Schwed., Norwegisch und Dänisch heißt
der Krieg wie bei uns: krig, aber im Niederländischen oorlog,
was wiederum auf ein altgermanisches Wort für Schicksal, uzliuga,
zurückgeht. Das -log (bzw. liuga)
hängt zusammen mit "liegen" und "legen"; oor-
(uz-) bedeutet etwa
"von, weg von". Eine Art Beschreibung des Unfriedens als
Schicksal, das einem gelegt (=auferlegt) ist. Auch im Altnordischen
existierte ein ähnliches Wort, ørlygi, das aber auf der
Walstatt geblieben scheint. (Falls Sie sich jetzt fragen, was das nun
schon wieder heißen soll: bitte ein klein wenig Geduld!) Synonym
sind strijd und krijg. Streit ist hier übrigens
weniger der "Zank", als der "Wettstreit der Waffen",
und die Etymologie von Kri(e)g wird erst noch zu (er)klären sein.
Zunächst erst einmal Walstatt. Denken
Sie an Walhalla, die Halle, in der Odin, a.k.a. Wotan oder Woden, die
in der Schlacht gefallenen Krieger begrüßt. Keine zweiundsiebzig
(oder waren das siebenundzwanzig?) Jungfrauen also, aber den
Abtransport der Gefallenen ebenso wie deren Versorgung mit Met nach
ihrem Tod oblag den Walküren, valkyrjar. Die erste Silbe des
Namen, Wal-, oder valr, bedeutet den Ort der Schlacht,
eben die Walstatt. Ursprünglich ein Wort von vielen (z.B. wîg, AN
vega, besonders aber Kenningariii
wie [übersetzt etwa:] "Schwertersturm", "Versammlung
der Waffen" oder "Fütterung der Raben") die vor allem
in der altnordischen Dichtkunst den Krieg beschreiben; zitiert sei
hier einmal die sogenannte Ältere Edda:
hart
er í heimi, hórdómr mikill,
skeggöld,
skálmöld, skildir ro klofnir,
vindöld,
vargöld, áðr veröld steypisk,
mun
engi matr öðrum þyrma..
..Unerhörtes ereignet sich, großer
Ehbruch.
Beilzeit, Schwertzeit, wo Schilde
krachen,
Windzeit, Wolfszeit eh die Welt
zerstürzt... (Völuspá; Übersetzung Simrock)iv
Doch warum heißt der Krieg so wie er
heißt? Angeblich ein urgermanisches Wort, *krē₂gaz, aber
das hilft nicht viel weiter. Esperanto übrigens auch nicht: da heißt
der Krieg milito, etwa "hat was mit Militär zu tun,"
oder er heißt konflikto.
Was ist überhaupt ein "Krieg"?
Eine dreifache Unterscheidung scheint
sinnvoll: Er ist eine Metapher, ein bewaffneter Konflikt (konflikto),
und eine existenzielle Erfahrung, ein Zustand: skeggöld,
Beilzeit.
Wenn jeder Ehekrach gleich als
"Rosenkrieg" gilt und Nachbarn sich gerichtlich belangen,
weil der eine partout seinen Rasen mähen will, wenn der andere
seinen Mittagsschlaf hält, ist "Krieg" eine auch noch
ziemlich dämliche Metapher. Noch dämlicher, wenn -wie Heraklit
meint- der Krieg der Vater aller Dinge sein soll.
Ein "bewaffneter Konflikt"
ist der Krieg, wenn Völker und Volksgruppen übereinander herfallen
und dabei immer absurdere Mengen an Kriegsgerät und Waffen zum
Einsatz bringen. Nebenbei: Es sind ja nie die Völker oder
Volksgruppen, die einander von sich aus mit Krieg überziehen – nur
wenn sie sich aufhetzen lassen (dazu dient allzuoft das unerbittliche
Vorurteil, das sich den Mantel der Religion umhängt), nur dann
fallen mitunter sogar Nachbarn übereinander her.
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"Modern Warfare" im Computerspiel |
Eine erschreckende
Entwicklung ist dabei auch der Einsatz von Waffen"systemen",
bei denen sich die kriegerische Handlung am Bildschirm des Soldaten
abspielt (wo sie nicht mehr von einem computer-basierten war game
zu unterscheiden ist), der vielleicht einen halben Globus weit
weg in seiner sicheren Einsatzzentrale sitzt. Im Vietnamkrieg haben
sich die amerikanischen Soldaten noch zugekifft, weil sie die
Wirklichkeit ihres Einsatzes nicht mehr aushielten; in Afghanistan,
im Irak oder heute in der Ukraine verschwimmen offenbar alle Grenzen
zwischen gut und falsch, wir und die da drüben, Feind oder enemy
combatant – комбатант ? чёрт ? wie auch immer das
auf Russisch heißt. Wenn das die "Fortsetzung der Politik mit
anderen Mitteln" (Clausewitz) ist – wie hirnrissig muss da die
Politik sein?
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„Battle of Lutzen“ von Carl Wahlbom
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i Die Sache ist noch komplizierter, denn bis in die Dreißiger hieß er
schon auch bei uns Tank, dann Panzer, und jetzt einigermaßen
offiziell PzKpfw (will sagen, Panzerkampfwagen)
ii
Leider ist mir die Etymologie von hernaður nicht bekannt.
iiiKenningar
sind feststhende poetische Metaphern in der altnordischen Dichtung;
ähnlich wie heute im Deutschen "fahrbarer Untersatz" für
Auto.
ivZum
besseren Verständnis, v.a. des Ehbruchs, hier eine englische
Version
Hard is it on earth, | with
mighty whoredom;
Axe-time, sword-time, | shields
are sundered,
Wind-time, wolf-time, | ere the
world falls;
Nor ever shall men | each other
spare.