Nicht nur seit den
Tagen von Indiana Jones (der Mann war Archäologe!) und Konsorten ist
die Peitsche ein Stück – ja, was eigentlich?? Folklore? Brauchtum?
eine Waffe? ein Spielzeug? ein Folterinstrument? Antwort: JA!
Bevor wir ins Detail
gehen, müssen wir ein paar Dinge klären. Zunächst einmal: Was ist
eigentlich eine Peitsche? Da es mir in meiner Kindheit noch
beschieden war, bei strafbaren Vergehen in der Schule gelegentlich
die Rute des Lehrers auf die Handinnenflächen appliziert zu
bekommen (was allerdings nicht der Grund dafür war, dass ich selber
Lehrer wurde!), kenne ich dieses Instrument der rustikalen Pädagogik
recht gut. Das hat zwar ordentlich"gepfetzt", wie wir das
nannten, aber eine Peitsche war das nicht. Laut Duden ist nämlich
eine Peitsche ein "aus einem längeren biegsamen Stock und einer
an dessen einem Ende befestigten Schnur bestehender Gegenstand,"
und die Rute des Herrn S. war aus einem Stück. Der Duden (online)
verrät uns zwar nur indirekt, wie die beiden Bestandteile einer
Peitsche genannt werden; die heißen nämlich tatsächlich "Stiel"
und "Schnur". Der deutschsprachigeWikipedia-Artkel
spricht zwar von "Stiel" , aber auch einem "Lederriemen"
oder "Strick". Das mit dem "Riemen" mag angehen,
aber "Strick" ist fragwürdig. Was denkt sich überhaupt
ein Wiki-Autor, der eine Peitsche allen Ernstes als "Schlagwaffe
oder ein Kommunikationsmittel" (!) bezeichnet? (im Originalton
Wiki weiter: "Zu dem ebenfalls als Peitsche bezeichneten
Musikinstrument siehe Peitsche (Musikinstrument)." OK. Das von
Wikipedia als "freies Ablenkungs-Aerophon" beschriebene
Musikinstrument gibt es wirklich; ich sage nur "Goaßlschnalzn".
Doch davon später.
So eine Peitsche
kennen wir vom Fiaker und jedem anderen Kutscher, der
etwas auf sich hält. Und ein guter Kutscher tut dem Pferd auch nicht
weh – das tun nur die Kutscher um Wilden Westen, wenn die Indianer
hinter ihnen her sind – sondern er schnalzt mit der Peitsche. Das
klingt nämlich stilecht und für das Pferdl offenbar motivierend.
A propos Schnalzen:
Das ist nicht ganz einfach, und bei genauerer Betrachtung hat eine
Peitsche (hier im Sinne von Musikinstrument) am Ende der Schnur ein
weiteres Teil, die Treibschnur, auch Bast genannt.
Damit wären wir beim Brauchtum, nämlich dem Goaßlschnalzn. das ist
mitnichten eine kleine Geiß, denn die schnalzt ja nicht, sondern die
Peitsche (Goaßl = Geißel), und es gibt Gegenden in den (Vor-)Alpen,
wo man seit ewig-urigen, also vorfrommen Zeiten schnalzt. Siehe
http://www.schnalzen.de/ . Das Schnalzen beherrschen aber, wie gesagt, auch viele Kutscher,
und die schnalzen nicht mit der Goaßl, sondern knallen mit der
Peitsche. Ob das aber Musik ist, sei dahingestellt. Immerhin schreibt
Leopold Mozart (also der Herr Vater vom Wolferl) bei seiner
"Bauernhochzeit" (Sinfonia in D-Dur) auch Peitschenknallen
vor. Bei den Reichen knallen die Sektkorken; bei den Armen knallen
höchstens die Peitschen. Nur so eine Theorie...
Zu den eher
harmlosen Vergnügungen mit der Peitsche gehört auch ihre Verwendung
als Spielzeug. Vor, sagen wir einmal: hundert Jahren etwa
bekamen artige Kinder gar oft einen gedrechselten, hölzernen
Kreisel, der mittels einer Peitsche – hier nur mit einem harmlosen
Strick bestückt – mit einer gewissen Geschicktheit eine
theoretisch endlose Zeit in Drehung gehalten werden konnte, bis
schließlich der Hund darüber herfiel oder das Kind des Treibens
müde wurde.
Gewissermaßen als
Spielzeug, wenn auch in einem völlig anderen Kontext, taucht die
Peitsche auch heute noch auf, im einschlägigen (no pun intended!)
Fachhandel, auf eBay und überhaupt im Internet auf. Googelt (oder
von mir aus "bingt") man "Peitsche", tauchen
massenhaft Begriffe wie "Domina" oder "BDSM1"
auf; und natürlich wußten wir alle, dass es in – wie man früher
sagte – der Sado-Maso-Szene unter den Hilfsmitteln auch
Peitschen gab und gibt, aber das Ausmaß überrascht dann doch. Man
muss sich wohl auch sehr anstrengen, so etwas wie eine Peitsche schön
zu finden. Die Peitsche hat offenbar tatsächlich längst Einzug
gehalten in deutschen Schlafzimmern. Dabei geht es offenbar auch gar
nicht um "schön" im ästhetischen Sinn, aber es scheint
doch eine ganze Menge Menschen zu geben, die Schmerz – und was eine
Peitsche sonst noch vermitteln mag – als lustvoll empfinden.
Und
es war wohl auch ein gewisses Maß an Masochismus mit im Spiel, als
die Selbstkasteiung zur Massenbewegung wurde. Im Christentum hat ja
wegen Kreuzigung und dem Martyrium der Heiligen die bildliche,
religiös überhöhte Darstellung von Folter, Leid und dem Ertragen
von Schmerz einen ganz eigenen, schwer zu definierenden Wert.
Selbstkasteiung und freiwillig ertragenes Leid sind den meisten
Kulturen fremd2.
Auf jeden Fall gedeihen auf solchem Nährboden Absurditäten wie die
Geißlerbewegung
(auch: Flagellanten, vom lat. flagellum, "Geißel"), bei
der im 13./14.Jhd. Menschen in einer Massenhysterie durch die Straßen
zogen und sich dabei für die eigenen Sünden wie auch die der
Menschheit insgesamt selbst geißelten und ähnlich andere
Verletzungen zufügten. Eine Art religiös motivierter, aber eben
doch auch: Masochimus also. Normal ist eher die Angst vor der Geißel,
daher Beinamen wie die "Geißel
Gottes":
Attila the Hun.
Geißler / Geißeltierchen / Geißel Gottes (Attila) |
Geißel
ist ein altes gemanisches Worz; Peitsche ist aus dem Slawischen entlehnt und nicht, we man vermuten könnte,
lautmalerisch, hört man doch geradezu nach dem harten Plosivlaut
'p' die Schnur die Luft durchschneiden, um dann mit der zischenden
Affrikata 'tsch' schmerzhaft aufzuschlagen. Übrigens könnte auch
das englische 'whip' lautmalerisch aufgefassst werden: auf das
windige 'wh' folgt ein hartes 'p' – aber lassen wir das. Irgendwie
dürfte das Wort ursprünglich eine rasche Hin-und Herbewegung
bezeichnet haben (und insofern letztlich mit unserer Wippe verwandt
sein) aber so ganz genau weiß man das nicht. Darum klingt die
lautmalerische Theorie auch einigermaßen plausibel.
Kurioserweise
hat whip im Englischen auch eine parlamentarische Bedeutung.
Gewöhnlich wird es dann mit Einpeitscher übersetzt,
bezeichnet es doch den Mann, der für Parteidisziplin, vor allem bei
Abstimmungen, sorgt. Dabei stimmt sich der Chief Whip der Regierung
mit dem der loyalen Opposition ihrer Majestät ab. Von der Funktion
her hat er etwas vom parlamentarischen Geschäftsführer einer
Fraktion im Bundestag.
Die
Geißel hatte eine Funktion im Alten Ägypten, die wohl die
strenge Seite der Macht symbolisierte. Man kennt das von den
Sarkophagen verstorbener Pharaonen, deren Abbild als Halb- oder
Vollrelief den Deckel seines steinernen Sargs zierte: mit der
Doppelkrone Ober- und Unterägyptens sowie, über der Brust gekreuzt,
einem Krummstab (der – wie
man das auch vom Krummstab von christlichen Bischöfen kennt – den
fürsorgenden Hirten darstellen sollte) sowie eben einer Peitsche mit
mehreren Riemen.
In der
Fachsprache der Archäologen heißt dieses eigenartige Szepter
Flagellum.
So heißt
bei den Biologen das Fortbewegungsmittel bestimmter Kleinstlebewesen,
wie etwa dem danach benannten Geißeltierchen. Es ist dies ein
schwanzähnlicher Fortsatz,der mit rudernden Bewegungen das
"Tierlein" oder, um etwas Vertrauteres anzuführen, ein
Spermatozoon vorantreibt, wenn es im Wasser herumzieht.
«la
ligne coup de fouet»
(etwa "Peitschenschlag") nannte der bedeutende belgische
Architekt Victor Horta
jene geschwungene Linie, die wie kein zweites
Argument den Jugendstil
auf einen Nenner bringt: zeitlose Schönheit und Eleganz in
Vollendung. Man muss sich schon sehr anstrengen, wenn man so etwas
nicht schön finden will.
Hotel Tassel, Brüssel, von Victor Horta |
Aber
der eigentliche Sinn und Zweck von Geißel, Knute & Co. ist
natürlich das Bestrafen, die Zufügung
von Leid,
sei das nun als pädagogische Maßnahme verbrämt, zur Wahrung von
Disziplin oder als "gerechte" Strafe deklariert. Und
natürlich ist der Mensch hier recht erfinderisch, und schon immer
erfinderisch gewesen.
Man denke nur an die vielfältigen Formen des corporal punishment,
Man denke nur an die vielfältigen Formen des corporal punishment,
Belting ·
Birching · Caning · Spanking · Strapping · Switch ( in
Schulen)·
Flat hand ·
Paddle · Slippering (Spanking with a pair of slippers):
(daheim·)
flogging,
whipping oder lashing (Auspeitschen) - die Bandbreite
reicht von der "ausrutschenden" Hand bis zu massiven
Misshandlungen.
Und Grausamkeiten waren und sind in praktisch allen Kulturen regelrecht an der Tagesordnung; Auspeitschen war meist öffentlich. Dass dabei besondere Sorfalt waltete, belegen die gebrauchten Instrumente nur zu gut:
Und Grausamkeiten waren und sind in praktisch allen Kulturen regelrecht an der Tagesordnung; Auspeitschen war meist öffentlich. Dass dabei besondere Sorfalt waltete, belegen die gebrauchten Instrumente nur zu gut:
z. B. die
Knute
(engl. knout) , wohl
von den Russen oder Wikingern:
eine Peitsche mit Knoten; die russische nagaika
(Russisch: нага́йка),
der Kurbasch (aus Nilpferd- oder Nashornleder; ca 1m lang) der
Osmanen (türk.: kırbaç), der afrikanische Sjambok.; der
u.a. aus Karl Mays Büchern geläufige Ochsenziemer (oder
-fiesel, laut Wörterbuch der deutschen Umgangssprache von
M.Küpper war das "eigentlich
das getrocknete und gelängte Geschlechtsglied des Ochsen"
) die Cat o' nine tails
(Matrosenslang: neunschwänzige Katze (= Peitsche mit neun Riemen;
daher auch "Not enough room to swing a cat:"
( vgl. frz. martinet, ) - und so weiter und so ewig fort.
unvollständiger Excur+
über besonder+
fiese Foltermethoden
Auspeitschen: bis die Haut in Fetzen hängt; die Schwielen
entstellen i.d.R. ein Leben lang
Bastonade (Hiebe auf die bloßen Fußsohlen)
Gassenlaufen, auch Spießrutenlauf (vgl. das Lied
"König von Preußen" im Anhang)
Stäupen: unehrenhaft; der Delinquent wird am Pranger
geschlagen
Kielholen: der zu Strafende wird unter dem Kiel eines
fahrenden Schiffes durchgezogen; kaum zu überleben!
Anhang: Ein Lied
aus dem späten 18. Jhd; Verfasser unbekannt. Seit den 1970ern ein
wieder oft gesungenes Lied über den grausamen Militärdienst, wie er
nicht nur in der preußischen Armee gepflegt wurde:
1Bondage,
Discipline, Sadism, Masochism. Vgl. hierzu den verdächtig langen
Wikpedia-Artikel, der in der deutschsprachigen Version zu den
featured articles ("the best of Wikipedia") gehört.
1.
O König von
Preußen,
du großer Potentat,
was sind wir deines
Dienstes
so überdrüssig
satt.
Was fangen wir nur
an
in diesem Jammertal,
allwo ist nichts zu
finden
als lauter Not und
Qual.
2.
Und kommt das
Frühjahr an,
da ist die große
Hitz',
da muß man
exerzieren,
daß ei'm der Buckel
schwitzt.
Da muß man
exerzieren
vom Morgen bis
Mittag,
und das verfluchte
Leben
das währt den
ganzen Tag.
3.
Vom Exerzieren weg
geht's wieder auf
die Wacht,
kein Teufel tut
nicht fragen,
ob man gefressen
hat.
Kein Branntwein in
der Flaschen,
kein weißes Brot
dabei;
ein schlechtes
Tabakrauchen,
das ist er
Zeitvertreib.
4.
Und kommt ein'
frisch' Parad',
tut man ein falschen
Schritt,
Dann hört man es
schon rufen
der Kerl muß aus
den Glied!
Patronentasche
runter,
den Säbel abgelegt,
Und tapfer drauf
geschmissen
bis er sich nicht
mehr regt.
5.
Ihr Herren, nehmt's
nicht Wunder,
wann einer
desertiert,
wir werden wie die
Hunde
mit Schlägen
strapliziert;
und bringen sie uns
wieder,
sie henken uns nicht
auf,
das Kriegsrecht wird
gesprochen:
Der Kerl muß Gassen
lauf!
6.
Und wann wir Gassen
laufen,
so spielet man uns
auf
mit Waldhorn und
Trompeten,
da geht es tapfer
drauf;
da werden wir
gehauen
von einem Musketier,
der eine hat's
Bedauern,
der andre gönnt es
mir.
7.
Und werden wir dann
alt,
wo wenden wir uns
hin?
Die Gesundheit ist
verloren,
die Kräfte sind
dahin!
Und endlich wird es
heißen:
Ein Vogel und kein
Nest!
Geh', Alter, nimm
den Bettelsack,
bist auch Soldat
gewest!
2Jedoch
nicht allen: Man denke z.B. an Fakire im Hinduismus!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen