Wie wir alle einmal
gelernt haben, bezeichnet Atom im Griechischen das letztlich
Unteilbare der Materie (von a-tomos: a
= „un-” und tomos
wie in Computer-Tomographie, ein Aufnahmeverfahren, bei dem der
Körper in zahllose Scheiben geteilt wird: tomos heißt „Schnitt,
Teilung”). Als der Mensch gelernt hatte, das Unteilbare zu teilen –
die Enrtdeckung der Atomspaltung durch Otto Hahn und Lise Meitner
1938 – setzte das ungeheuere Energien frei. Natürlich sann der
Mensch nach, wie man diese Energien nutzen konnte und erfand – die
Atombombe.
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a terrible beauty is born |
Zuerst erschauderte
man und war fasziniert zugleich von der schrecklichen Schönheit
(1)(2) der Explosion; schließlich setzten die Bomben von Hiroshima
und Nagasaki dieselbe Energie frei, die die Sonne lodern ließ. Es
war das Gleißen der Schöpfung, wenn auch in ihrem zerstörerischen
Aspekt (3). Viele glaubten wohl auch, dass die Atombombe den Krieg
abgekürzt und somit letzten Endes sogar Menschenleben gerettet
hatte. Und man erzählte ihnen alsbald, dass der Mensch nun auch
gelernt hätte, die Energie der Sonne friedlich zu nutzen, eine
Energie, die – wie Hiroshima gezeigt hatte – so gewaltig war,
dass sie praktisch endlos war, jetzt, da man sie beherrschte. Die
Ur-Kraft der Atome in jedem Atomkraftwerk! (4)
Kleiner Zeitsprung
in die siebziger Jahre: In Deutschland standen einige Atomkraftwerke
herum, und die produzierten nicht nur billigen Atomstrom (man hatte
in den Fünfzigern davon geredet, dass es in Bälde möglich sein
würde, Strom so kostengünstig zu produzieren, dass es sich nicht
lohnen würde, den Kunden überhaupt zahlen zu lassen), sondern auch
Atommüll, und jede Menge Dissens. Denn ein immer lautstärker
werdendes Häuflein Menschen, bald eine ganze Bewegung (die später
die Partei Die Grünen ins Parlament spülte), begehrte auf,
kritisierte die technischen, politischen und sozialen Unwägbarkeiten
der Atomkraft, und der Slogan „Atomkraft – Nein danke!” war
überall zu hören (und klebte dekorativ auf vielen Autos: eine
kleine, rot-gelbe Sonne mit lachendem Gesicht). Ein Spruch der
Gegenseite sei an dieser Stelle auch mal zitiert: „Atomkraftgegner
überwintern/ bei Dunkelheit und kaltem Hintern” (5)
Interessant ist im
Übrigen, dass es mittlerweile die Atomindustrie aufgegeben hatte,
von „Atom” zu reden, sei es bei Strom, Kraftwerk oder überhaupt:
Man nannte das alles nun „Kern-”: „Kernkraft”, „Kernenergie”,
„Kernreaktor” und so weiter. Wenn sich dabei jemand an
Gesundheit, Reformhaus (oder gar „bio”) erinnert fühlte – umso
besser. Auf jeden Fall wollte man die einstmals so willkommene
Assoziation mit der Atombombe nicht mehr (...und „Kernspaltung”,
„Kernwaffen” und so weiter. Interessanterweise eben nicht:
„Kernbombe”). Die Kernkraft(?)gegner sprachen natürlich weiter
von „Atom” und von unangenehmen Dingen wie „Atommüll”.
Im Grunde gilt das
heute noch, wenngleich die Debatte inzwischen weniger hitzig geführt
wird und seit Tschernobyl und Fukushima sprechen sogar konservativere
Kreise mitunter vom „Atom(!)ausstieg”.
Bei den Waffen sieht
es interessanterweise noch einmal anders aus – auch hier gibt es
„Fortschritte”, von der „H-bomb” bis hin zur „dirty bomb”,
von transkontinentalen Langstreckenraketen bis zu den
U-Boot-gestützten Mehrfachsprengköpfen (gibt’s die, oder habe ich
mir die gerade eingebildet?) Denn hier kann man von „Atom”waffen(6)
sprechen, von „Kern”waffen (7), aber natürlich, und das klingt
dann noch komplizierter, von „nuklearen (8) Systemen”.
Warten wir also ab,
was die Zukunft bringt. Denn – so sehr manche der Duden-Einträge
an den Kalten Krieg und die damals verbreitete (9) Angst vor einem
Atomkrieg gemahnen, irgendwie hat man das Gefühl, dass die Zeiten
andere geworden sind, und so sprechen wir auch weniger von einem
„nuklearen Winter” als von der „globalen Erwärmung”, auch
wenn uns die Politiker (falsch! die gibt es nicht, aber große Teile
der politischen Kaste) wieder mal nicht zuhören oder von
„Sachzwängen” reden.
Nein, vielleicht
wird es nicht so schlimm, und die Kernfusion (oder von mir aus
„Atom”fusion) gelingt schließlich doch, und dann wird der Strom
so billig, dass es sich nicht lohnen wird, dafür eine Rechnung zu
schreiben, und dann fahren alle Autos mit dem sauberen und praktisch
kostenlosen Fusions-Strom, und alle sind glücklich und froh bis an
ihr Lebensende...
Fußnote
- „schreckliche Schönheit – a terrible beauty [is born]” ist ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat von William Butler Yeats (Easter 1916)
- Bizarrerweise trägt auch der Bikini seinen Namen nicht etwa, weil er zweiteilig ist („bi-” heißt ja „zwei-”, z. B. in bilateral oder (engl.) bicycle), sondern, weil sein Erfinder, der Franzose Louis Réard; für den Wäscheladen seiner Mutter den Zweiteiler erfand, der, so vermutete er, geradezu einschlagen würde wie eine Bombe: In jenem Jahr (1946) waren im Bikini-Atoll in der Südsee eine Reihe von Atombomben getestet worden: daher der Name.
a terrible beauty ?
- Scheinbar noch weiter hergeholt: Der indische Gott Shiva (oder, auf deutsch, „Schiwa”) ist Schöpfer und Zerstörer zugleich, und nur sein Tanz der Zerstörung („Shiva nataraj – Shiva der Herr des Tanzes” - eine sehr verbreitete Darstellung) macht überhaupt erst die Schöpfung möglich.
- Zur Klarstellung:: Nicht gemeint ist hier die sog. „starke Wechselwirkung” im Atomkern – neben der Schwerkraft, der „schwachen Wechselwirkung” und der elektromagnetischen Anziehung eine der vier Grund”kräfte” der Physik, zumindest nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Dinge.
- sowas heißt in der Rhetorik „argumentum ad hominem”, das bedeutet quasi einen Angriff unterhalb der Gürtellinie. Trotzdem: Das Zitat zeigt auch, wie emotional aufgeladen die Stimmung war.
- Dazu jede Menge Einträge im Duden, so z.B. die A.-Kraft, A.-Krieg, A.-Bunker und den A.-Angriff (wäre der Ihnen eingefallen?), aber auch den A.-Busen (vgl. Fußnote 2) und das A.-Ei („scherzhaft für Kern(!)reaktor”)
- „Kern|waf|fe, die <meist Pl.>: Atomwaffe: taktische, strategische -n.” Daneben kennt der Duden noch die K.-Forschung und die K.-Explosion, die K.-Energie und das K.kraftwerk und den/die Kk,-gegner/in.
- nuklear, lt. Duden: „die Kernwaffen betreffend: die -e Strategie; -er Winter (mögliche Abkühlung der erdnahen Atmosphäre nach dem Einsatz von Kernwaffen); n. bedroht sein;” Das Ganze ist jedoch „bildungssprachlich”.
- Im doppelten Wortsinn: Nicht nur, dass sie weit verbreitet war, sie wurde auch regelrecht verbreitet...
Alle Dudenzitate
aus:
© Duden -
Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM].
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