"Die Basis einer gesunden Ordnung ist ein großer
Papierkorb." Kurt Tucholsky
"Was ist Chaos? Es ist jene Ordnung die man bei der
Erschaffung der Welt zerstört hat." - Stanisław Jerzy Lec
Die
Erde war wüst und leer: tohu wa bohu
(תהו־ובהו);
bei den Griechen tat sich der Abgrund auf, Abyss, das Chaos; auch in
der nordischen Mythologie war zuerst die Leere da :
"Einst
war das Alter, da Ymir lebte:/ Da war nicht Sand nicht See, nicht
salzge Wellen,/
Nicht Erde fand sich noch Überhimmel,/ Gähnender
Abgrund und Gras nirgend. (Völuspa).
Die
moderne Chaosforschung (kein Witz: die gibt's tatsächlich!), also
die Erforschng chaotischer Systeme, ist spannenden Dingen auf der
Spur. Dabei kennt die moderne Forschung meinen Schreibtisch gar
nicht. Vielmehr geht es um emergente
Strukturen, also um das Entstehen von Strukturen aus dem
Ungeordneten, die Selbstorganisation des Unorganisierten.
Soviel
einstweilen die Forschung.
Für die meisten Menschens steht fest: Der
Mensch bringt Ordnung:
Adam
benennt die Tiere (Genesis 2, 19) bis hin zum schwedischen
Naturforscher Linné (1707 - 1778) (der tut das auch). Während Adam
sich auf Namen beschränkt, die gleichzeitig Bezeichnungen sind
(generische Namen), führt Linné 1735 den binären
Namen ein. Statt, wie bis dahin üblich,
vom "gestreiften Käfer, der auf der Kartoffelpflanze sein
schädliches Werk betreibt (oder ähnlich fantasievolle
Beschreibungen)" zu sprechen, nennt er selbigen Kerf
"Leptinotarsa decemlineata". Das ist zwar auch ein langer
Name, aber er ist präzise und folgt einer Systematik: Populär
ausgedrückt, besteht er aus Vor- und Nachnamen. So wie Giacomo
Meyerbeer ein Individuum namens Giacomo in der Familie der Meyerbeers
ist, ist unser Käferlein das Individuum "Decemlineatus"
(für die Lateiner unter uns: weil er 10 Streifen hat) in der Familie
– genau genommen nennt man die Sippschaft in der Biologie Gattung –
der Leptinotarsa. Linné wählte lateinische Namen, weil das
international verständlich war. Die Namen für Familie, Gattung, Art
haben in der Regel auch deutsche Entsprechungen (so sind Leptinotarsa
sog. Blattkäfer, und unser Beispiel ist natürlich der
Kartoffelkäfer.( Das scheint aber nur uns Deutschen logisch, denn
auf Englisch heißt er Colorado Beetle).
Wenn der spanische Name nun escarabajo
de la patata ist, leuchtet ein, dass es
vielleicht für alle besser ist, lateinische Namen zu benutzen, denn
das versteht z.B. der normale Russe oder die Chinesin nicht.
Aber
das Wichtigste ist: Linné hat eine in sich stimmige Systematik
geschaffen (die, nebenbei bemerkt, vor allem auf
Sex[ualitätskriteerien] beruht. Aber das ist eine andere
Geschichte), eine Systematik, die heute noch gilt.
Eine vorläufige Systematik der Schaffung von Ordnung sähe
vielleicht so aus:
Nicht
umsonst heißt es am Anfang der Bibel, dass die Erde "wüst und
leer" gewesen sei. Am Anfang des Universums war die bloße
Existenz, das ungeordnete Durcheinander,
Chaos. Die Dinge nebeneinander, und keiner, der sie ordnete (auch
Gott nicht, denn der ist mit der Schöpfung beschäftigt)., bis eben
Adam kam.
Eine
Aufzählung der Dinge, so ungeordnet sie sein mag, ist ein
rhetorisches Mittel: der sog. Homerische
Katalog. Der Ausdruck bezieht sich auf
den zweiten Gesang der Ilias, wo Homer eine schier endlose
Aufzählung der griechischen Schiffe und der Anführer des jeweiligen
Kontingents gibt. Das zeigt nicht nur die enorme Größe der
griechischen Truppen vor Troja, das hat mythische Dimensionen.
Demgegenüber
hat die (geordnete) Liste
fast schon etwas Banales, Bürokratisches Bei der Bestandsaufnahme
empfiehlt sich eine Ordnung und eine gewisse Präzision geradezu von
selbst. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass alle frühen
Hochkulturen (Ägypten, Mesopotamien, Indus-Kultur) in dem Moment ins
Licht der Geschichte rücken (alles vorher ist Vorgeschichte!), in
dem sie die Mittel zur Inventarisierung und damit zur Planbarkeit der
Warenströme entdecken: die Schrift, und mittelbar die Mathematik.
Verwandt,
wenn auch nicht dasselbe, sind zum einen die sog. to-do-listen
und die Agenden
als Planung und mehr oder weniger verbindliche Abarbeitung von festen
Programmpunkten. Sie dienen der Organisation von Arbeitsabläufen und
strukturiertes Zeitmanagement. Hier könnte zum anderen auch der
Einkaufszettel
stehen, der hauptsächlich als Gedächtnisstütze dient: Die Hausfrau
/ noch schlimmer: den Hausmann) möchte ich sehen, die (der) nach
einem Einkauf lediglich genau das mitbringt, was auf dem
Einkaufszettel stand!
Die
alphabetische Aufzählung
hingegen hat mit Planung und Zeitabläufen nichts zu tun; sie bedient
sich eines universellen Ordnungsschemas, das einen schnellen Zugriff
auf Fakten ermöglicht, mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Das
Alphabet ist eine der großartigsten Erfindungen der Menschheit (und,
das wiederum nebenbei, anderen Schreibsystemen, etwa den
Hieroglyphen, weit überlegen). In letzter Konsequenz wäre unsere
gesamte westliche Buchkultur nicht möglich gewesen. Auch Kulturen
mit Piktogrammen oder Hieroglyphen schreiben, aber eine
Geschichtsschreibung zum Beispiel tut sich damit schwer, Sach- und
Fachbücher mit Index wie überhaupt Lexika sind kaum vorstellbar.
Das
bringt uns schließlich zu strukturierten
Ordnungssystemen, bei denen zum
schnellen Zugriff auf Fakten zusätzliche Grundprinzipien zum Tragen
kommen. So kann die Ordnung
-
chronologisch sein, eine
- topologische Sortierung – das sind sachbezogene Reihenfolgen (etwa beim Anziehen von Kleidungsstücken), oder
- hierarchisch – man denke z.B. an soziale oder politische Rangfolgen; (Ranking)
Ein
besonderer Fall sind taxonomische
Systeme, die nach bestimmten
Eigenschaften klassifizieren (diese Klassen sind die Taxa) und dabei
Ordnungen produzieren, die es erlauben, Zusammenhänge wie
Verwandtschaft, Abhängigkeit oder Identität darzustellen. Ein
Beispiel, und zugleich das wohl bekannteste, ist die Linnésche
Taxonomie, d. h. die Einteilung von Tier- und Pflanzenreich in
vordefinierte Kategorien wie Stamm, Klasse, Familie, Gattung oder
Art.
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Ordnungssysteme |
Am (vorläufigen) Schluss unserer Betrachtung von Ordnungsstrukturen stünde wohl sinnvollerweise die Datenbank: computerbasiert und entsprechend vielseitig verwendbar und von einer Dimension, wie sie sich weder Homer noch Linné hätten vorstellen können. Doch das ist nun auch eine ganz andere Geschichte (nämlich die der Datenverarbeitung).
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