Gallia
est omnis divisa in partes tres...schrieb Julius Cäsar in seiner
Kriegsfibel (durchaus polemisch gemeint: „De bello gallico"
heißt das Buch, und wir wurden damals im Lateinunterricht damit
gequält – das nur nebenbei), und das ist interessant aus mehreren
Gründen. Zum einen, weil er von mehreren Stämmen spricht (und er
hätte ruhig noch mehrere erwähnen können), und zum anderen, weil
er von einem
Gallien spricht. Ganz Gallien war von den Römern besetzt...Naja, das
kleine Dorf in Armorica ausgenommen, aber: ein
Gallien, oder das
Gallien – das gab es nicht. Aus römischer Sicht gab es Gallia
Cisalpina (Gallien diesseits der Alpen: also Kelten im heutigen
Italien!), es gab Gallia Narbonnensis (das Gallien im heutigen
Frankreich), und den Rest von Gallien, eben nicht von den Römern
besetzt.
Das
mit den Stämmen ist auch so eine Sache: Es gab mindestens zwei
Dutzend von ihnen, und man weiß bis heute nicht allzu viel über
sie. Außer dass das alles Kelten waren. Das heißt: wahrscheinlich.
So ganz genau weiß man das eigentlich auch nicht. Kelten hieße: Sie
alle sprachen eine keltische Sprache (Gallisch, aber das war
wahrscheinlich auch ein Sammelsurium von Dialekten). Ansonsten taten
sie am liebsten das, was man auch den (britannischen) Inselkelten
nachsagt: in Frieden leben, was soviel heißt wie Trinken, Raufen,
dem Nachbarstamm das Vieh klauen (vgl. das altirische Epos Táin Bó
Cúaligne), und ansonsten Teutates einen guten Mann sein lassen.
Diesen Frieden brachen die Römer. Gut, sie brachten auch ein
gewisses Maß an Zivilisation mit, Aquädukte, befestigte Straßen,
Thermen und Nachtigallenzungen in Aspik („Aber was haben die Römer
sonst
noch
für uns getan?" wie es so schön in
Leben des Brian heißt)
und jeder Gallier konnte und sollte Bürger des mächtigen Römischen
Reiches werden. Letztlich muss diese Besatzungszeit vor allem eins
gebracht haben: eine Vermischung der Sprachen. Wir wissen auch über
dieses Gallorömische eher wenig, aber es hat sich zweifellos um eine
Pidgin-Sprache gehandelt, eine Kontaktsprache, wie sie entstehen,
wenn Völker (vor allem, wenn sie von verschiedener Kulturstufe sind)
in ständigem Kontakt sind. Man gewöhnt sich aneinander, benutzt
für die zunächst zaghaft unternommene Kommunikation i.d.R. die
Sprache des Mächtigeren/Reicheren, und weil das in diesem Fall die
Römer waren, eben Latein.
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edler Römer Man beachte die leicht angeschmutzte Toga... |
Aber
eben nicht die Sprache Julius Caesars (mit der man uns damals im
Lateinunterricht quälte, doch davon genug!) Nein, es handelte sich
um sogenanntes Vulgärlatein. Zum einen ist das aber nicht so vulgär,
wie es sich anhört; es ist „nur" die Sprache des Volkes
(lat.: vulgus), und die ist nicht die Sprache der vornehmen Leute,
der Machtpolitiker und Philosophen in weißer Toga, stilvoll, elegant
(also die Sprache, die wir damals...), sondern lebendig, deftig und
sehr vielfältig. Oder bunt. Man stelle sich einmal die römische
Armee vor: das waren kaum die Römer aus der Stadt Rom, sondern
Menschen aus allen Teilen des Weltreichs,. Also, sagen wir mal,
Daker, Thraker, Kimbern, Häduer, und Makedonier und Alamannen,
übergelaufene Sachsen und angekaufte Numidier, und und und. Auch sie
müssen ein Kauderwelsch gesprochen haben, das weit war vom
klassischen (Schul-)Latein. Im Kontakt mit den keltischen Galliern
erweiterte sich diese Mischung noch mehr, auch wenn spätere
Generationen nicht allzuviel von dem Keltisch ihrer Vorfahren
überliefert bekommen haben. (Und doch: Wissen Sie, warum die
Franzosen quatre-vingt
dix sagen,
wenn sie 90 meinen? Weil die Kelten ein Zwanziger-Zählsystem
hatten!)
Noch einmal zurück
zum Pidgin der römisch-gallischen Begegnung: Irgendwann wird dies
nicht mehr nur auf sporadische Kontakte beschränkt geblieben sein.
Die Menschen freunden sich an, heiraten gar, haben Kinder, und über
kurz oder lang wächst eine Generation heran, die reines Gallisch
oder – naja, einigermaßen reines – Latein gar nicht mehr kennen.
Kinder, für die Galloromanisch Muttersprache ist. Eine solche Sprache
nennt man Kreolsprache (richtig: in der Karabik gibt's das sogar
mehrfach), und die Tatsache, dass Französisch solche vergleichsweise
gewöhnlichen Anfänge hat, mißfiel späteren
Franzosen-Generationen, und erst allmählich gewöhnt man sich an den
Gedanken, dass daran ja auch nichts Ehrenrühriges ist. Fast allen
anderen Völkern ging es ebenso.
Und
jetzt sind wieder neue Einflüsse da, neue Immigranten – die beurs
(arabischstämmige Neufranzosen aus Nordafrika) der banlieus,
und auch deren Sprache wird Französisch verändern, ja bereichern.
Doch erst einmal
kommen germanische Besatzer. Next time: die Merowinger.
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