Mal was über Orange.

Orange?

Freitag, 18. September 2015

Neue Namen 1

Beijing – Peking
Die Hauptstadt Chinas ist eigentlich die “nördliche”; die südliche war Nanking. Sie ist die Hauptstadt mindestens seit der Ming-Dynastie (15. Jhd). Da sie auf Mandarin-Chinesisch Beydsching gesprochen wird (sieht verboten aus, ich geb's zu), schreibt man sie international Beijing, das kommt der Aussprache einigermaßen nahe, und Peking schreibt man das auf deutsch, weil man das schon immer so geschrieben hat. Die amtliche, sog. Pinyin-Umschrift, erschließt sich einem ohnedies nur in Ausnahmefällen: wissen Sie, wie man Qigong spricht? Eben: Dschigong!
Mumbai, Varanasi, Kolkata und Chennai – Bombay, Benares, Kalkutta und Madras
Die Tatsache, daß Bombay sich nicht mehr so nennt, sondern Mumbai (und zwar seit 1996), hat sich teilweise schon bis nach Deutschland herumgesprochen. Wer nun meint, es sei also 'politically correct', immer Mumbai zu schreiben, macht es sich wiederum zu einfach: die Umbenennung wurde von zwei rechts-nationalistischen Parteien betrieben (Bharatiya Janata Party und Shiv Sena) und ist keineswegs allgemein akzeptiert. Ähnlich ist der Fall übrigens bei
Myanmar – Burma
gelagert: die Umbenennung geschah durch eine der übelsten Militärdiktaturen, die es derzeit gibti (z.B. wird die Nobelpreisträgerin Aung Sa Suu Kyi seit Jahren im Hausarrest gehalten; ginge es demokratisch zu, dürfte sie regieren). Myanmar soll ganz harmlos die Aussprache besser wiedergeben (desselben Worts übrigens, dem wir auch Birma - engl.Burma - verdanken. Irgendjemand muß hier schwer genuschelt haben!), aber wenn man den neuen Namen benutzt – stützt man damit nicht das System?

Burma
Myanmar
Die anderen Umbenennungen in Indien sind im Vergleich zum Fall Mumbai etwas anders gelagert; man kann die kommunistische Regional-Regierung von Bengalen kaum nationalistischer Motive verdächtigen, wenn sie Kalkutta – engl. Calcutta- Kolkata schreibt. Chennai ist tamilisch (und verkürzt für Chennappattanam) und erinnert weniger an die Kolonialzeit als Madras (was übrigens auch tamilisch ist).
Bei vielen Namensänderungen steckt natürlich eine Überwindung der kolonialen Vergangenheit dahinter, deswegen heißt Rhodesien nicht mehr nach dem Imperialisten Cecil Rhodes Rhodesien, sondern Zimbabwe nach einer alten Kultur dieses Namens.
Burkina Faso – Obervolta
Burkina Faso heißt “Land der Aufrechten” (der deutschsprachige Wikipedia-Artikel hat “Land der ehrenwerten Menschen”; auch nicht übel), und das klingt allemal besser als das frühere Obervolta, oder besser Haute-Volta. So heißt man vielleicht als (in diesem Fall französische) Kolonie, und zwar nach den drei Quellflüssen des Volta, aber seit 1984 heißt das Land nach seinen Menschen. Ein Bürger des Staates heißt übrigens Burkiner (wie man den Bürger von Obervolta nannte, entzieht sich meiner Kenntnis)
Auch in vielen Nachfolgestaaten der Sowjetunion will man die Vergangenheit vergessen machen, und sei es durch kleine Namensänderungen:
Almaty – Alma Ata
Die ehemalige (bis 1997) Hauptstadt Kasachstans (heute ist die offizielle Hauptstadt ein im Westen weitgehend übersehener Ort mit immerhin über 600 000 Einwohnern, Astana) heißt auf deutsch soviel wie “Großvaters Apfel”. Wenn es einen Preis für besonders schöne Namen gäbe: der Ort hätte ihn verdient! Almaty kommt wohl einfach der kasachischen Aussprache näher; warum man das allerdings erst 1997 gemerkt hat, weiß ich auch nicht.
Kaliningrad – Königsberg
St. Peter(s)burg – Leningrad – Petrograd
a propos post-sowjetische Zeit: Kaliningrad heißt Königsberg schon seit Sowjetzeiten, und erstaunlich ist eigentlich eher, daß die Stadt ihren angestammten (es handelt sich um eine Gründung des Deutschen Ordens!) ostpreußischen Namen bis Ende des Zweiten Weltkriegs trug. Sankt Petersburg hieß zu Anfang des 20. Jahrhunderts Petrograd (also “Peters Stadt”), dann aber (bis 1991) Leningrad nach W.I. Lenin, der von dieser Stadt aus die Revolution zum Sieg geführt hatte.
Eine Revolution später, nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems, wurde die Stadt wiederum umgetauft, aber nicht in Petrograd – was letztlich auf Zar Peter den angeblich Großen verwiesen hätte – sondern nach dem Heiligen dieses Namens. Nur war der kein Russe.
Ljubljana, Zagreb – Laibach, Agram
Bratislava, Brno – Preßburgii, Brünn
Viele Städte in Osteuropa tragen neben ihren slawischen Namen seit jeher auch deutsche Namen; das ist nach Jahrhunderten des weitgehend friedlichen Zusammenlebens auch kein Wunder. Wir haben ja sogar deutsche Namen für Städte, mit denen wir sehr viel weniger direkt zu tun haben, wie etwa Mailand für Milano oder Venedig für Venezia. Meiner Meinung nach ist nichts dagegen einzuwenden, wenn man Brünn statt Brno sagt; das läßt sich zumindest auch leichter aussprechen. Die korrekte polnische Aussprache der folgenden Orte kriegt ein Deutscher eh vermutlich nicht hin, es sei denn, er kann Polnisch:
Gdaňsk, Wrocław, Cęstochowa – Danzig, Breslau, Tschenstochau
Ohne das deutsch-polnische Verhältnis mal wieder zu sehr strapazieren zu wollen (wenn man sich die “gemeinsame” Geschichte der beiden Länder näher anschaut, versteht man einen Großteil der polnischen Emfindlichkeiten auf diesem Gebiet): Man sollte das Ganze einfach etwas lockerer sehen. Wer Paris sagt statt Pahrieiii und London statt Landen, soll ruhig Breslau sagen; wir alten Wrocławer verstehen ihn schon.

 Auch wenn die Diktatur sich inzwischen ein pseudodemokratisches Mäntelchen umhängt: Der "State Law and Order Restoration Council" (mit der schön-gruseligen Abkürzung SLORC) heißt jetzt "State Peace and Development Council" (SPDC), und einen lupenreinen Demokraten als Präsidenten hat das Land auch: den Ex-Militär Thein Sen.Plus ça change, plus c'est la même chose!
iioder nach der neuen Rechtschreibung Pressburg – das wäre aber nun völlig absurd, nach dem Motto 'So müsste man es schreiben, wenn es noch jemand schreiben würde'.
iiioder, wie eine Stadt in der surrealen Welt der Comic-Serie Les Cités Obscures von Schuiten und Peeters sich nennt: Pâhry. Bedauerlich, dass diese grandiose Serie nicht so bekannt ist, wie es ihr gebührt. Daher sei hier schon einmal auf einen Beitrag unter Comics – die Neunte Kunst verwiesen.

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