Mal was über Orange.

Orange?

Sonntag, 27. Januar 2013

Yberlegungen zu einer ietst-erst-recht-ςraibreform

Wir brauchen kein c, (ck), j, (ph), q(u), v, x, y, z, (tz) und auch kein ei, denn sie entsprechen einem ts, einem 'i im Anlaut, einem k(w), einem f bzw. w (!), einem ks, ü (oder i) und einem ts. Die Verbindungen in Klammern sind überhaupt überflüssig.
Wir bräuchten eher ç (für den ich-Laut im Unterschied zum ach-Laut) und χ (ach),
ein ς (für sch) und eventuell, bei Fremdwörtern [mit Aufenthaltserlaubnis], ein З (für das sch in 'Garasche'), ein þ (für das stimmlose 'th' im Englischen) und ein ð (für das stimmhafte). Würden die obigen 7 Konsonanten aus dem Alfabet genommen, hätten wir für letztere locker Platz. Das "Abc" gäb's nicht mehr, aber ein Alfabet, das so aussähe:
A B D E F G H I K L M N O P R S T U Z Ç Χ ς З Þ und ð. Aus ei würde ai (auch beim Hühnerai), also:  ςraibwaise, Зournalist, Kwelle, iç (aber: aχ ) und so fort.
Man sollte sich dafor hyten, im Aifer des Gefeχts zuviel reformieren zu wollen, etwa die Umlaute oder Konsonantendopplungen abzuςaffen oder Vokallängen immer und yberall zu markieren. Das sollen kynftige Generationen (Generatsionen?) tun. Dann gæb's fillaiçt aine konsekwente reçtςraibung, aber aigenaartig sæhe das dann ςoon aus. (Und waarscheinliç gæb's auχ ein å, zumindest in Syddoitςlant). Irrgendwii aber sæltsamm – mann kœnnte dann glaiç das IPA-Lautςriftalfabeet neemen...
Ach übrigens: Ist das 'h' überhaupt ein richtiger Laut? (Im Griechischen nicht: da ist es nur eine 'Behauchung')

Samstag, 5. Januar 2013

Chefsache


Chef - In vielen europäischen Srachen bezeichnet er schlicht den Vorgesetzten: der Chef, el jefe im Span.und o chefe im Port; sogar auf Türk. heißt er şef. Nur im Engl. bezeichntet das Wort den "Koch", über Frz chef de cuisine, "Küchenchef". Ähnlich ist es im Dt. übrigens bei Ober(Kellner) und Arzt (vom lat. archiater, griech. ἀρχιατρός, der oberste Arzt bei Hofe: eigentlich ist der Wortteil -ατρός (-iatros) das Wort für Arzt, ἀρχ- heißt Erz-, Ober-). Der Küchenchef heißt auf frz. maître de cuisine; maître kommt von magister, woher auch unser Meister stammt. Meister als Handwerker gibt es als Lehnwort auch in einigen osteuropäischen Sprachen: z.B. ungar. mester, serb. majstor, rumän. maistru oder tschech. mistr.

Chief, Chieftain: über AFrz (chevetain) abgeleitet von (letztlich) lat. caput, (der Kopf, das Haupt) wie auch captain (etwa einer Fußballmannschaft), als militärischer Rang (etwa "Haupt(!)mann"); der Kapitän zur See heißt im Engl.oft skipper (im Ursprung holländisch). Der (Indian) chief ist ein Häuptling; der schottische chieftain Haupt seines Clans.

Boss kommt vom Holländischen baas mit gleicher Bedeutung; die weitere Herkunft ist unklar. Der Ausdruck wurde vor allem in der Seefahrt benutzt, dort lernten ihn die Amerikaner, und von denen wiederum der Rest der Welt.

Der Leiter heißt auf engl. leader, rückübersetzt auch "Führer" unseligen Angedenkens. Der Titel ist erst einmal eher harmlos und bezeichnet jemanden, der andere anführt, leitet. Das lateinische dux bedeutet dasselbe. Hiervon leiten sich nicht nur der engl. duke und Mussolinis duce ab, sondern durch Lehnübertragung auch der dt. Herzog. Dem lateinischen Wort liegt das Verb [con]ducere (eben: leiten, führen) zugrunde. Hieraus entwickelte sich der engl. conductor, sowohl im Sinne von Dirigent, als auch von – Schaffner. (1) Schaffner kommt von mhd. schaffenære, und das heißt Gutsverwalter (der, der "oschafft", wie es in Bayern heißt)

Von dirigere (heißt ebenfalls leiten, lenken) leitet sich der Direktor und der Rektor ab (Direx bzw. Rex im Pennälerslang - das letztere wiederum ist lat. für "König"); das engl. Wort director heißt "Regisseur", was wiederum im Frz. der Gutsverwalter ist, denn der Regisseur ist der metteur en scène, der Inszenierer, der director de escena, wie der Spanier sagt.

Manager wäre der engl. Direktor, wenn das Wort nicht so eine unselige Inflation erlebt hätte. Wenn ein Hausmeister heute facility manager heißt, bezeichnet das Wort vielleicht eher einen leidenden als einen leitenden Angestellten, und schon gar nicht den Chef.

In Handwerk und Industrie gibt es im Übrigen bzw. im Süddeutschen den Kapo, offensichtlich (auf welchen Wegen auch immer) von caput: der Vorarbeiter, der Chef an der Front, sozusagen. (2)
Noch einmal kurz in die Vorstandsetage: Der Vorsitzende, etwa von Aufsichts- oder Verwaltungsrat, des Vorstands oder eines welchen Gremiums auch immer heißt auf englisch eigentlich und ganz analog chairman; handelt es sich um eine Frau, chairwoman. Letzteres liegt auch nahe bei charwoman, Putzfrau. Überhaupt und um politisch korrekt zu sein, führten die Amerikaner die chairperson ein, die Vorsitzperson quasi. Um das Ganze noch neutraler zu halten, heißt diese Person heute oft nur noch chair; das geht dann auch als Verb ("to chair a meeting"). Ich finde, wenn die/der Vorsitzende schon wie ein Möbel heißt, dann wäre doch desk (Pult) irgendwie logischer...

Fußnoten

(1) Wußten Sie, daß Chauffeur eigentlich "Einheizer" bedeutet? 

(2) Das Wort wurde von den Nationalsozialisten für Insassen mißbraucht, denen eine
     (Aufsichts- und Kontroll-)Funktion aufgezwungen wurde.

Die Rede ist vom Geld

"I spent a lot of money on booze, birds and fast cars. The rest I just squandered." (1) George Best
Ein britisches Pfund (liebevoll oft "quid") hatte noch Anfang der Siebziger zwanzig Schillinge à 12 pence (2), mithin 240 pence (3). Das war ohne Rest teilbar durch 2, 3, 4, 5, 6, 8, 10 und 12, also praktisch. 

Doch galt auch: 5 Schillinge gleich eine Crown, 21 Schillinge eine Guinee. Letzteres war durch 7 teilbar, daher auch praktisch, wenn es auch die Münze schon ewig nicht mehr gab. Münzen gab es jedoch auch vom halben und Viertelpfennig (Ha'penny bzw. Farthing), zwei und drei Pfennigen (Tuppence and Thruppence) wie auch vier Pfennige (Groat - allesamt Kupfermünzen) und natürlich die silberne Sixpence-Münze und den Florin (Wert: 2 Schillinge - "two bob", denn die meisten Leute rechneten in Schillingen, umgangssprachlich "bob". Das war damals noch viel Geld.). So waren also "two shillings sixpence" eine Half-crown wert. Jedenfalls bis zur Dezimalisierung im Jahre 1971.

Sollten Sie das Ganze verwirrend finden, dann schauen wir mal ins historische Deutschland:

Der Reichsthaler galt 24 Groschen oder 36 Schillinge lübisch - in Lübecker (und Hamburger) Währung also - oder um die (? - ja: mal mehr, mal weniger) 70 Kreuzer [kr]. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts galt er - zumindest in Preußen - 90 Groschen zu je 18 Pfennig. Das waren, wiederum nach lübischer Währung, 3 Marck.

In Süddeutschland galt meist der Gulden [fl], der war 7 Schillinge wert, 28 Groschen oder 210 Pfennige, denn der Schilling entsprach 30 schwarzen Pfennigen.
In Franken beispielsweise galten beide nebeneinander, Thaler und Gulden. Ersterer - der Fürstbischof von Würburg schlug schon seit 1523 Thaler - galt dabei 20 Groschen (oder auch Schillinge), der Gulden war 15 Batzen wert. Der Batzen war 16 Pfennige, der Groschen (oder Schilling) derer 12.

Daneben gab es überall im Reich Kreuzer, eine geringe Münze; in Frankfurt zum Beispiel machten 90 Kreuzer einen Thaler, der Gulden galt 60 Kreuzer. Da 4 Pfennige einem Kreuzer entsprachen, und 3 Kreuzer einen Schilling, waren das 5 Schillinge. 60 Kreuzer rheinisch (etwa die aus Straßburg) machten einen rheinischen Gulden, eineinhalb Gulden einen Thaler. Zu Goethes Zeiten noch war der Taler in Köln 100 Albus ( oder Weißpfennig) wert, von denen jeder ein Dutzend Heller galt. Das war in Köln: in Bremen war der Taler 72 Grot. In Berlin hatte die Marck 5 Stempel; deren 30 waren einen Taler wert.

In Preußen wurden ab Mitte des 18. Jahrhunderts obendrein der Friedrichsd'Or geprägt, in Nachahmung des französischen Louisdor und ebenfalls (wie der Name ja schon sagt) in Gold. Er galt 5 Taler Silber. In Bayern, das dabei Österreich folgte, war damals die wichtigste Münze der [Konventions]Thaler zu 120 Kreuzern, den Gulden rechnete man gleich 60 Kreuzer; das häufige 20-Kreuzer-Stück nannte man Kopfstück. In Mitteldeutschland galten 16 "Gute" Groschen einen Gulden bzw. einen halben Thaler.

So hatte jede Region, selbst und vor allem die, die über ihre Grenzen hinaus Handel betrieben, ihre eigene Währung, oder genauer: ihre eigene Auffassung vom Wert des Geldes. Wenn man bedenkt, dass noch zahlreiche andere europäische Währungen im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation umliefen, von Florentinern aus Florenz (=Gulden, daher 'fl'), Venezianischen Zechinen (=Dukaten) und böhmischen Hellern bis hin zu Salzburger und Tiroler, niederländischen oder Danziger Gulden, so kann man sich vorstellen, wie Kaufleute, Geldverleiher und Pfandhäuser rechnen mussten und tricksen konnten. Der kleine Mann (und seine Frau) schaute hilflos zu.

Der Euro hat 100 Cent.

Wer übrigens genaueres zu den historischen Zahlungsmitteln im Hlg. Röm. Reich dt. Nation nachlesen möchte, dem sei das folgende Buch wärmstens empfohlen:
Wolfgang Trapp, Kleines Handbuch der Münzkunde und des Geldwesens in Deutschland, Köln (Anaconda Verlag) 2005

"Das einzige, was man ohne Geld machen kann, sind Schulden" Heinz Schenk



Fußnoten:



(1) Ich habe einen Haufen Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben,.
Den Rest habe ich einfach verprasst

(2) Penny hat zwei Pluralformen: pence und pennies; erstere ist die Schreibweise bei Geldbeträgen, letztere bedeutet eine Anzahl von Münzen.

(3) Letztlich geht das auf Karl den Großen zurück! Das karolingische Pfund Silber (naja, 400g) sollte, so wurde festgelegt, 240 Pfennigen oder 12 Schillingen entsprechen. Pfund, Schilling und Pfennig wurden lateinisch benannt, libra, solidus, denarius und entsprechend l, s und d abgekürzt. Daher rührt das englische £, aber auch die Abkürzungen s für shilling und d für penny. Ein (400g-)Pfund Silber würde übrigens heute mehr als 300 Euro kosten.

Zahlen - einmal kompliziert

Zahlen sind ja das einzige, was zählt. Meinen zumindest die Mathematiker. Ist ja auch logisch! (1) Nun ist ausgerechnet eine Sprache, die sich für den Inbegriff des Logischen hält, das Französische nämlich, etwas - nun , sagen wir mal: umständlich, wenn's um die Zahlen geht. Denn wie sagt der Franzose, wenn er etwa 99 meint? Quatre-vingt-dix-neuf sagt er da, etwa vier (mal) zwanzig (und) zehn-neun. Und wir hatten schon Komplexe, weil wir sechs-und-dreißig sagen, wenn wir thirty-six meinen...

Geht es denn noch umständlicher als Französisch, wenn es um's Zählen geht?
Nur Geduld, Freunde, es geht!

Blicken wir einmal nach Wales. Dort spricht man, wie wir wahrscheinlich wissen, neben Englisch noch ein anderes, keltisches Idiom, das Kymrische (auch Welsh oder Walisisch genannt). Und da zählt man brav und unkompliziert:
  1. un (gesprochen: ihn)
  2. dau (bzw. dwy als weibliche Form) (sprich dai bzw. dui)
  3. tri (bzw. tair)
  4. pedwar (pedair)
  5. pump (sprich: pimp)
  6. chwech
  7. saith
  8. wyth (sprich uith, mit "englischem" th)
  9. naw (spricht man nau)
  10. deg

So weit, so nachvollziehbar. Aber dann:
  1. un-ar-ddeg - wörtlich: eins-über-zehn (2)
  2. deuddeg - etwas unregelmäßig, halt wie zwölf auch
  3. tri-ar-ddeg - drei-über-zehn
  4. pedwar-ar-ddeg - vier-über-zehn: kennen wir schon
  5. pymtheg - wortwörtlich: fünf-zehn. Seltsam!

Na gut, aber dann:
  1. un-ar-bymtheg
  2. dau (oder dwy)-ar-bymtheg und so weiter, und so fort...! ..?? oder??!
  3. ...klar...aber
19. heißt: deunaw (sprich dainau): zwei(mal)-neun!
20 wiederum ist einfach: ugain (sprich igain)
und natürlich:
21 heißt un-ar-hugain. Und so geht es geradezu logisch weiter, bis 30, das heißt deg-ar-hugain, also zehn-über-zwanzig.

Und damit weiter und folgerichtig bis...da wären Sie jetzt nie draufgekommen: bis 39! Das heißt, man halte sich fest: pedwar-ar-bymtheg-ar-hugain, also vier-über-fünfzehn-über-zwanzig. (Höre ich hier irgendeinen Franzosen stöhnen? Nein? Na dann weiter:)

Wer jetzt glaubt, 40 wäre eine komplizierte Rechenaufgabe, der irrt: deugain - zwei(mal) zwanzig. Und dann: 41 ist un-a-deugain, 42 ist dau-a-deugain (haben Sie's bemerkt? Plötzlich heißt es -a- und nicht -ar-; man sagt also etwa ein-und-vierzig, nicht eins-über-vierzig, usw.). So geht es zu bis... na? Bis pedwar-ar-bymtheg-a-deugain, also 59 (bzw. vier-über-fünfzehn-und-zwei(mal)- zwanzig); dann kommt trigain (dreimal zwanzig), also 60, dann einigermaßen folgerichtig weiter bis pedwar ugain, feierlich ohne Bindestrich (weil's so eine große Zahl ist: 80, also vier(mal) zwanzig!)

Rechnen wir mal: nach pedwar-ar-bymtheg a phedwar ugain kommt? richtig!: 100. Cant heißt das, kurz und bündig. Und dann geht's weiter mit cant ac un, cant a dau usw. usf. bis ...Achtung: cant a phedwar-ar-bymtheg a phedwar ugain, also (na? -) 199. Dann dau gant, 200, und so fort.

Natürlich muß man berücksichtigen, daß die weiblichen Formen genommen werden, wenn man über weibliche Wesen oder Dinge spricht. Merch heißt Mädchen, zwei Mädchen also dwy ferch (m mutiert zu f und spricht sich wie v). Wenn's nun 79 Mädchen sind, sind's pedair merch a bymtheg a thrigain

So - das waren die klassischen Formen. Zunehmend gibt es auch im Walisischen einfachere Formen, das sei zugegeben; statt deg-ar-deugain für 50 geht auch hanner cant, also halb hundert, und sogar Formen wie dau-ddeg-un (wörtlich twenty-one) werden immer öfters verwendet, vor allem von der Jugend. Aber wäre es nicht schade, wenn so eine schöne Tradition ausstürbe?

Ein herzliches diolch yn fawr an Robin Huw Bowen für seine unersetzliche Hilfe....

Fußnoten:

(1) Hier böte sich jetzt eine geradezu geniale Abschweifung an, etwa wegen "logos", was ja "Wort" heißt, und wie wir Sprachler ja wissen, sind Worte das Einzige, was wirklich zählt...schrieb ja auch schon Goethe in seinem Faust. Aber was sollen hier Abschweifungen!
  1. Wer genau hinschaut, wird merken, dass sich hier noch etwas eingeschlichen hat: es heißt nicht *un-ar-deg, sondern un-ar-ddeg. Weiter unten, bei 15 heißt es pymtheg (nicht -deg) und so weiter. Das Ganze hat gute phonetische Gründe und ist typisch für die keltischen Sprachen. Man nennt es Mutation, aber das wäre ein ganz eigenes (kompliziertes) Kapitel..Im Folgenden sind Mutationen fettgedruckt, wenn sie erstmals auftauchen


Freitag, 14. Dezember 2012

Quantenmechanik mal anders

Quantenmechanik? Wieso denn das nun schon wieder? werden Sie sich fragen, und das mit Recht. Schließlich haben Sie Sprachen gewählt, weil Sie in der Schule nie begriffen haben, wofür all diese komplizierten mathematischen Operationen (1) gut sein sollten, und Quantenmechanik sagt Ihnen ungefähr so viel wie Einsteins Relativitätstheorie. Nämlich nichts.

Falls Sie jedoch sehr gebildet sind, haben Sie von diesem Schmetterling schon gehört, der irgendwo in den Anden sitzt und mit den Flügeln schlägt, und das löst dann in der Karibik einen Sturm aus, oder so ähnlich. Geben Sie's zu: das haben Sie auch nicht verstanden. Das macht aber nichts, denn hier soll die Rede sein von einer Katze, und von einer interessanten sprachlichen Parallele.

Die Katze, falls Sie das beruhigt, kommt hier nicht zu Schaden, denn es gibt sie gar nicht. Sie ist vielmehr Teil eines sogenannten Gedankenexperiments.(2) Nehmen wir einmal an, in einer Kiste wäre eine Versuchsanordnung, bei der ein atomarer Zerfall stattfindet oder nicht. (Gut, gell?) Falls er das tut – das wäre dann ein Quantenereignis (übrigens auch, wenn das nicht geschieht!) - dann registriert das ein Instrument und setzt automatisch ein schnell wirkendes Nervengift frei. Dann stirbt die Katze, und zwar sofort. Oder, der Zerfall bleibt aus, und die Katze überlebt.

Da die Kiste hermetisch verschlossen ist, kann man von außen nicht sehen, ob die Katze lebt oder tot ist. Dazu muss man die Kiste aufmachen. Und jetzt wird’s abenteuerlich, denn: Die Katze war, bevor Sie die Kiste aufmachten, lebendig UND tot. Im normalen Leben gibt es sowas nicht, aber in der Quantenphysik. Die sagt nämlich folgendes. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Katze lebendig ist, sei, sagen wir einmal, genauso groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass sie tot ist. Fifty-fifty. Erst durch Ihre Beobachtung, also das Öffnen der Kiste, wird die eine Wahrscheinlichkeit "hundert Prozent", und die andere "null". Und zwar rückwärts! Das heißt, die Katze war dann die ganze Zeit lebendig oder tot. Solange die Kiste noch zu war, war sie – wir erinnern uns – beides. Die Physiker sagen, "die Wellenfunktion (3) kollabiert."

Um das etwas nachvollziehbarer zu machen, hier das Beispiel (kein Gedankenexperiment!) aus der wirklichen Welt: Wenn Ihnen im Englischen jemand von "my friend" erzählt, dann ist das entweder eine Freundin, oder ein Freund. Solange nur von "my friend" die Rede ist, wissen Sie nicht, was gemeint ist. Das ist sozusagen ein Freund UND eine Freundin; beides zugleich. Erst wenn dann ein Name oder ein Personalpronomen im Gespräch auftaucht, also "he" oder "she", wird Ihnen plötzlich klar: Das war die ganze Zeit schon ein Freund / eine Freundin! Erst jetzt ist quasi die Kiste offen, und die "Wellenfunktion kollabiert", um das mal physikalisch auszudrücken.

Denn das kennen wir jetzt.

Fußnoten

  1. Wenn Mathematiker etwas tun, ist das mindestens eine Operation. Die sagen nicht – wenn man eine Zahl von einer anderen abgezogen hat - "das Übriggebliebene", nein, das heißt "Differenz", und das "Ergebnis beim Teilen" ist der "Quotient" der "Division", und dergleichen mehr. Hier geht’s eigentlich um Physik, aber da ist es ähnlich.
  2. Das ist raffiniert: eine Versuchsanordnung, die man so gar nicht machen kann, und dann spekuliert man über die Ergebnisse (und nennt das Ganze "Wissenschaft")
  3. Wobei die Wahrscheinlichkeit praktisch eine Welle ist!


Samstag, 1. Dezember 2012

Von Irren und Idioten


In wenig zimperlichen Zeiten pflegte man zu unterscheiden zwischen dem Irren, etwa dem, der in der Irrenanstalt herumtobte oder dem, der sich für Napoleon hielt, und andererseits dem Idioten, dem geistig Minderbemittelten, auch schwachsinnig genannt oder zurückgeblieben.

Der Irre war und ist (wenn auch oft unter anderem Namen) "ver-rückt", und zwar im wörtlichen Sinn: seine Weltwahrnehmung ist gegenüber der unseren verschoben, und je nachdem, wie groß der Unterschied ist, wie groß auch sein Zweifel an der Welt, kennt unsere Diagnose die unterschiedlichsten Bezeichnungen. Interessant hierbei ist, dass auch andere Sprachen diese Verschiebung benennen und ebenso, dass es jeweils endlos viele Synonyme zu geben scheint.

So sprechen z.B. die Franzosen von fou (bzw - bei Frauen - folle), was letztlich vom lateinischen follis abgeleitet ist, und das heißt - "Windbeutel, Ballon". Verrückt heißt auf Lateinisch de mente captus (daher dement) bzw. insanus (daher im Englischen insane). Es gab früher in der Rechtssprache den Fachterminus de compos mentis, "bei klarem Verstand"; war einer das nicht, also non compos mentis, war er im Englischen (aus der Verballhornung dieses Begriffs) ein nincompoop, also ein "Trottel", ein "Einfaltspinsel" - fast schon ein Idiot, aber aufgeblasener als dieser, eben ein Windbeutel. Im Spanischen ist ein Verrückter loco (wovon die Herkunft ungewiss ist: Coromines führt es auf den Plural des Feminins von arabisch lauq zurück, aber das muss man nicht glauben. Loco ist der Spanier übrigens auch, wenn er verrückt nach etwas ist, etwa seiner Spanierin.

Im Italienischen sagt man pazzo, wenn man "toll, rasend" meint, aber auch "unsinnig". Wenn das Verhalten des Verrückten inkongruent ist mit dem, was ich für normal halte. A propos "rasend": Es gibt ein gewichtiges Werk der italienischen Literatur, den Rasenden Roland des Ludovico Ariosto (um 1520), in dem Roland (Orlando) vor Liebe seinen Verstand verliert (soll es geben), bis ein mitleidiger Prinz Astolfo zum Mond reitet (wenn man einen Hippogryphen hat, geht das) und ihm von dort seinen Verstand in einer Flasche zurückbringt. Der rasende Roland heißt im Original L’Orlando furioso. Interessanterweise hat das Wort furios, eigentlich "von den Furien gehetzt", eine geradezu positive Konnotation im Deutschen. Wahrig gibt neben 1. wütend, hitzig, leidenschaftlich auch 2. mit begeisterndem Schwung, packend an. Das englische furious dagegen heißt "wütend", und zwar vor Zorn, nicht vor Leidenschaft. Diesen Zorn benennt etwa auch das französische furieux, oder furioso im Spanischen und im Italienischen
Aber bleiben wir kurz beim Englischen: es kennt zwei Wörter für verrückt, die geradezu in die deutsche Umgangssprache eingegangen sind: mad und crazy. Warum aber sagt man z.B. Mad Cow Disease (Rinderwahn: wenn der Kuh auch noch das bisserl Verstand abhanden gekommen ist), warum nicht Crazy Cow Disease?

Mad heisst "mentally ill; insane: Very enthusiastic about someone or something" (zitiert nach dem Oxford Dictionary of English), hingegen ist crazy erst mal "informal" (umgangssprachlich), kann zwar auch so etwas wie "ausgerastet" heißen, ebenso auch "unsinnig"; laut dieses Wörterbuchs sogar "especially as manifested in wild or aggressive behaviour". Der Unterschied ist nicht immer einfach zu fassen: es scheint, als ob bei crazy mehr das Ausgeflippte, Närrische im Vordergrund steht, und bei mad eher das Kranke, Wahnsinnige. Andererseits sind die beiden Wörter in vielen Zusammenhängen fast synonym.

Des Weiteren kennt gerade auch das Englische eine Unmenge an Synonymen für "verrückt". Ein aufschlussreiches Wort sei noch herausgegriffen: lunatic. Hier steckt ganz deutlich der Einfluss des Mondes (lat. luna; frz. la lune) dahiner, der das Tun mancher Menschen, so glaubte man, beeinflusst. Das Wort hat auch eine umgangssprachliche Form, loony, und das Irrenhaus heißt dementsprechend loony bin (früher und offiziell lunatic asylum). Loony bin heißt übrigens wörtlich "Irreneimer" (quasi der Mülleimer für Irre). Schön ist auch das Kuckucksnest: cuckoo ist verrückt, und das nest ist die Anstalt. Wer im Biologieunterricht aufgepasst hat, weiss, dass der Kuckuck. ....na? J
Jedenfalls heisst der Film mit Jack Nicholson aus dem Jahre 1975 One Flew Over the Cuckoo's Nest

Ein interessantes Wort in diesem Zusammenhang ist das Jiddische meschugge: Im heutigen Umgangsdeutsch (nicht unbedingt in der Jugendsprache, scheint mir) ist es ein Synonym zu "bekloppt" oder "irgendwie bescheuert"; im Jiddischen heißt es auch schon, neben "verrückt und wahnsinnig", "spinnert", "kauzig". Das Wort deckte eigentlich die ganze Bandbreite, von "liebenswert schrullig" bis "toll, rasend" ab.

Noch einmal zurück zum Wort irre: schon die Gebrüder Grimm bezeichnen das Wort als urverwandt mit (lat.) errare -humanum est, wie wir wissen- und bedeutet somit "sich täuschen, irren, herumirren", und daher auch "Irrweg", "Irrgarten" und "Irrtum". Der Irre, das will die Bezeichnung ausdrücken, ist neben der Spur, nicht auf dem rechten Weg. Er irrt sich, wenn er glaubt, er sei Napoleon, und wenn ihm keiner glaubt, bzw. wenn er glaubt, dass ihm keiner glaubt, rast er vor verzweifelter Wut.

Der Idiot hingegen ist ein Trottel. Das ist auch nicht mehr politisch korrekt; er ist einfältig (im 18. Jahrhundert wollte Johann Jacob Winckelmann noch das Erhabene der antiken griechischen Kunst aus deren "edler Einfalt" (!) und "stillen Größe" herleiten) und er ist blöde (im Sinne von einfachen Gemüts; die Grimms zitieren Luthers Übersetzung von Hiob: "gott hat mein herz blöde gemacht und der allmechtige hat mich erschreckt"). Er ist zurückgeblieben, von schwachem Verstande, ein Simplex, ein Schwachkopf.

Aber das Wort Idiot hat eine sehr eigenartige Etymologie: ἰδιότης , Idiotes, heißt im (Alt)Griechischen die Privatperson; im 16. Jahrhundert wird daraus "der Ungebildete, Laie, Stümper" (zitiert nach Kluge); als juristischer Fachausdruck für "nicht im Vollbesitz der geistigen Kräfte" geht das Wort in die Gemeinsprache ein. Meyers Konversationslexikon von 1895 schreibt: "Idiotie, Idiotismus (grch.), in der Medizin der Inbegriff aller Formen von Geistesschwäche (s. d.), die durch frühzeitig (im Kindesalter bez. schon vor der Geburt) eintretende Störung der Gehirnentwicklung zu stande kommen," und "Der Grad der Geistesschwäche zeigt große Verschiedenheiten, von der einfachen Dummheit bis zum tiefsten Blödsinn"

So hartherzig man scheinbar früher mit "Schwachsinnigen" verfuhr: viele "Dorftrottel" waren durchaus akzeptiert im Dorf, und nicht jeder idiot de la famille wurde in der Besenkammer versteckt. Und mal ehrlich: Mit der scheinbar so objektiven IQ-Messung in unseren Tagen ist es auch nicht so weit her. Kann man denn Intelligenz messen (messen Sie mal den Regenbogen, den Hass oder die Ewigkeit!), sollte man sie messen? Was hätte man denn gewonnen?

Ein "wissenschaftlich" begründetes "ÄTSCH!"

NB: Das im Englischen oft auch heute noch gebräuchliche Wort für chaotisches drunter und drüber, wenn es also zugeht “wie im Tollhaus”, bedlam, leitet sich von einer Anstalt namens Bethlehem Hospital (gegr. in London 1377) her; die erste zwang- u. gewaltfreie Anstalt war das von einem Quäker namens Tuke im englischen York 1796 gegründete Retreat. Doch das ist nochmal eine andere Geschichte...

Fußnoten:
  1. Joan Coromines, Breve diccionario de la lengua castellana, Madrid 32008
  2. Gerhard Wahrig, Deutsches Wörterbuch digital 2.1
  3. vgl. hierzu Beckett, Endgame
  4. das Wort fehlt interessanterweise im Altnordischen, sagt das Grimmsche Wörterbuch
  5. Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache Berlin 221989

Fachwerk



Man muss nicht vom Fach sein, um Fachwerk zu mögen; es hat (heute, muss man sagen; früher war das anders) etwas Romantisches und gilt als so deutsch wie Grimms Märchen. Fragen Sie einmal die Heerscharen von japanischen Touristen, die durch Rothenburg ziehen, was ihnen dort so gefällt! Eigentlich war die Fachwerk-Bauweise die Art, wie weniger begüterte Menschen ihre Häuser bauten. Wer es sich leisten konnte, baute in Stein (war also "steinreich". Das gilt natürlich nicht für den Backstein). Fachwerk besteht aus einem Skelett von Hölzern, die senkrecht (Ständer), waagerecht (Riegel) und zumindest in Deutschland auch schräg (Streben) angebracht sind und beim fertigen Bau von außen zu sehen sind. Die Fächer dazwischen (daher "Fach"werk) wurden entweder mit einem Weidengeflecht verschlossen, das mit Lehm verschmiert wurde, oder sie wurden mit Steinen (mancherorts dann auch mit Backsteinen) verfüllt und gewöhnlich weiß gestrichen. Die Balken blieben dann meist braun, wurden gelegentlich auch farbig bemalt. Später, als man sich der "billigen" Bauweise schämte, wurde oft die ganze Fassade verputzt, das Fachwerk also versteckt. Mit etwas Gewöhnung sieht man es diesen Häusern an, was unter dem Putz liegt.


Auf jeden Fall, und das ist das Schöne am Fachwerk, ist jedes Haus ein Individuum, jeder Balken ist anders krumm, und das Ganze lebt und atmet geradezu. Übrigens gibt es regionale "Schulen" im Fachwerkbau: Rheinisch-Fränkisch, Nord- und Ostmitteldeutsch, und Schwäbisch-Alemannisch. Einzelheiten würden jetzt zu weit führen. Aber so leuchtet ein, warum Zimmerleute "auf die Walz" gingen – man sieht sie gelegentlich heute noch. Die breit ausgestellten Hosenbeine (mit "Schlag": damit kein Sägemehl in die Schuhe fiel), die Weste mit (8) Perlmuttknöpfen und der breitkrempige Hut (wiederum damit kein Sägemehl in den Kragen fiel) – kein Zweifel am "zünftigen" Zimmermann (ein "ehrbares" Handwerk!) Er hatte übrigens auch meist einen (nur einen!) Ohrring, und wenn ihm der unehrenhaft abgerissen wurde, war er ein "Schlitzohr". Ach ja, und auf die Walz ging er natürlich, um möglichst viele Konstruktionsweisen kennenzulernen.



Fachwerk gibt es auch in Osteuropa, etwa in Böhmen, Polen oder Litauen, aber es ist dort in aller Regel eine Folge der Besiedlung dieser Landstriche durch deutsche Immigranten, also, wenn man so will, "deutsches Fachwerk" und sieht auch so aus.



Fachwerk ("timber framing") in England (kaum in anderen Teilen der britischen Inseln) ist französisch (bzw. normannisch) beeinflußt und zeichnet sich durch enggestellte Ständer ("studs") aus, praktisch ohne Streben und Riegel.  

Eine britische Besonderheit sind die "cruck houses", wo krumm gewachsene Baumstämme in ihrer Krümmung baulich genutzt werden. Die Ausfachung nennt sich "wattle and daub"; der Kontrast zwischen den gewöhnlich fast schwarzen Balken und den weißen Fächern ist typisch und führte zur Bezeichnung "Tudor style". Am besten erhalten sind allemal die Pubs.



Auch in Frankreich gibt es eine reiche Fachwerktradition ("pan de bois"); hier sind es besonders Nordfrankreich (Normandie!) und das Elsaß. Daneben auch in den Niederlanden, in Belgien und – man höre und staune! - in Amerika. Eigentlich logisch: von europäischen Einwanderern "eingeschleppt" und ein Stil, der sich schließlich über Jahrhunderte bewährt hat.