Als
die ersten Auvergnaten in Paris siedelten – in größerer Zahl ab
etwa dem 17. Jahrhundert -, verdienten sie ihren Lebensunterhalt als
Scherenschleifer, Wasserträger und durch den Verkauf von
Kaninchenfellen. Doch die Gemeinschaft der auvergnats in Paris
wuchs erheblich, besonders nach dem Bau einer Eisenbahnlinie nach
Rodez in Südfrankreich (1860) und auch deshalb, weil für den
radikalen Umbau der Hauptstadt durch Baron Haussmann große Massen an
Arbeitern gebraucht wurden.
Das 11. Arrondissement |
Die Auvergne, eine Region im Massif
Central, war (und ist) eine zwar von Natur aus reizvolle, aber
eher arme Region. So kamen sie zu Zigtausenden, nicht nur, aber
besonders aus der Auvergne in die Hauptstadt. Und anders als andere
Bevölkerungsgruppen siedelten sie nahe beieinander und bestärkten
einander gegenseitig, dasss man nur eine Zeit in Paris bleiben
wollte, und dass man zurrückkehre, irgendwann.
M.Rascalou spielt die Cabrette |
Sie
waren eine sonderbare Gemeinschaft. Das Klischeebild des Auvergnats,
eher klein, dunkel(haarig) und mit Schnurrbart, entsprach nicht dem
Selbstbild des Parisers. Nicht nur, dass sie sich in überwiegender
Mehrzahl in derselben Gegend niederließen (11. Arrondissement, d.h.
etwa zwischen Bastille und dem Friedhof Père Lachaise), und das auch
noch entsprechend den Regionen der Heimat, sieunterhielten auch in
Paris noch ihre sozialen Netzwerke. Sie pflegten auch hier ihre
traditionelle, ländliche Lebensweise, tanzten die Tänze aus dem
Zentralmassiv und spielten den hergebrachten Dudelsack, die Cabrette.
Sie sprachen auch ihre eigene Sprache, die langue d’oc aus
dem Zentralmassiv. Da sie zusammenhielten und auch in Paris als
Auvergnats lebten, waren sie im 11. Arrondissement sozusagen
eine Auvergne im Kleinen.
Sie
waren nicht alle wirtschaftlich erfolgreich; manche eben doch, und
viele von diesen betrieben kleine Kohlehandlungen, die gleichzeitig
als Cafés oder als Bars dienten. Daher auch der Name: cafés-charbon.
Warum die Cafebetreiber aus der Auvergne auch noch ausgerechnet Kohle
verkauften, ist nicht ganz leicht zu eruieren. Unter den, wie man
heute sagen würde, Migrantengemeinschaften scheint sich ein gewisses
Maß an Spezialisierung herausgebldet zu haben. Warum dies bei den
Auvergnats ausgerechnet Kohlehandel war, ist nicht so einfach zu
erklären. Es ist ja nicht so, dass die Auvergne ein klassisches
Kohlerevier gewesen wäre. Von Mineralwasser und Taschenmesser bis
hin zu Gummireifen (Michelin) sind dort zu Hause, Kohle nicht.
Jedenfalls wurden diese
cafés-charbon zur Urform der für Frankreich, und besonders für
Paris, so typischen Bistros. Mindestens eins von ihnen pfegt diese
historischen Ursprünge sehr bewusst:
Café Charbon
109 rue Oberkampf
75011 Paris
In
den 80er Jahren gab es eine Folkgruppe dieses Namens, ein Trio,
bestehend aus Geige, Cabrette und Drehleier (vielle à roue), die zum
erklärten Ziel hatte, „de jouer et mettre en valeur le
répertoire traditionnel collecté au sein de la capitale”(wie
es in dem Miniartikel der französischen Wikipédia heißt).
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