Mal was über Orange.

Orange?

Samstag, 14. November 2015

I ♥ My Style (?)

Männlichen Lesern sei es einmal gesagt: Schminken ist nicht so einfach, wie ihr denkt.
Schauen wir doch einmal an einem Beispiel, wie das geht. Dazu wählen wir den "Seventies Look", wie er in der Zeitschrift Couch (Ausgabe 7-8) vom Sommer 2015 beschrieben wird.
"So geht Hippie-Style: Violetter Cremelidschatten, als Verwandter aus der Blaufanilie, wird hier zum coolen Eyecatcher. Toll in Kombination mit Fake-Lashes, die nach dem Aufkleben noch einmal getuscht werden".
der Seventies Look von heute

Nachdem ich die Seventies selbst erlebt habe, kann ich bestätigen: das mit den verlängerten Wimpern stimmt zumindest für die Models (die man damals noch Mannequins nannte) in den Zeitschriften und in der Werbung; dass die Hippies sich ansonsten groß geschminkt hätten, muss mir entgangen sein. Im Gegenteil: Alle Blumenmädchen, die ich kannte, schminkten sich eben nicht, weil das natürlicher aussah.
Aber wir leben in der Jetztzeit; das Ganze ist "retro", und da ist alles erlaubt. Außerdem hat niemand etwas von 'authentisch' gesagt.
Die Zeitschrift mit dem eigenartig unpassenden Titel habe ich während eines Mikrourlaubs in einem Hotel ausliegend aufgelesen und fasziniert studiert. Nicht nur verspricht sie schon auf der Titelseite einen "Shopping Guide! 100 It-Pieces für einen stylischen Sommer" und "50 Seiten (gemeint sind wahrscheinlich "pages") HOLIDAY FEELING: mediterrane Möbel, Sexy Bikinis, Beach-Make-Ups & Sommerdrinks." Ein gelber Button versichert: "I ♥ MY STYLE". Auf den meisten der fast 200 Seiten (!) war ungeniert Werbung° : Keine ganzseitigen Anzeigen, sondern kataloghafte Auflistungen von Style-Elementen, ihrer bis zu 20, komplett mit Preisangaben und Bezugsquellen. Wie man da zu seinem eigenen Style kommen soll, wird nicht ganz klar.
Kommen wir zurück zu den Schminktipps:
Ein Herr Schmid, immerhin "National Make-up Artist für Chanel in Deutschland" gibt Profi-Tipps, mit denen die neuen Looks (wie z.B. oben erwähnter 'Seventies Look') "ganz easy" gelingen. Es geht diesen Sommer (bzw. ging: Wir haben ja schon stylishen Herbst) um blaue Augen.
"Die Basis. Blaues Make-up braucht eine perfekte Basis. Wer noch keinen Sommerteint aht, deckt Augenschatten mit Concealer ab und pinselt sich einfach mit Bronzepuder die Sonnenbräune auf Wangen, Stirn und Nasenrücken." Dann: "DIE NUANCEN. KNOW HOW: Das Gute an Blau: Es gibt so viele Nuancen...." und: "So hält's. Damit es nicht nach Veilchen aussieht, das Lid am besten mit einem nudefarbenen Eyeshadow vorgrundieren, erst danach das Blau auftragen. Mit leicht feuchtem Pinsel appliziert, halten die Pigmente deutlich besser." Und so weiter.
Ich gestehe, ich verstehe nicht ganz, was für einen Augenschatten (Eyeshadow?) man mit Concealer abdecken soll, wenn man doch noch gar keinen Sommerteint hat. Was ein nudefarbener (??) Eyeshadow (?!?) als Grundierung soll. Warum es dann weniger nach Veilchen aussieht, wenn doch violetter Lidschatten ein Verwandter aus der Blaufamilie ist. Aber auch, warum Blau mehr Nuancen haben soll als z.B. Grün, weiß ich nicht.
Ist eigentlich auch egal. Man braucht halt einfach "Die Produkte zum Look":
Offen gestanden: Ein Malkasten mit lediglich 4 Schattierungen, der 51 Euro kostet (und zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht einmal erhältlich ist!) ist unverschämt teuer, Chanel hin oder her.


° Man fragt sich, wieso die Zeitschrift angesichts des enormen Werbeaufkommens noch Geld kostet: immerhin 2,20€

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen