Männlichen
Lesern sei es einmal gesagt: Schminken ist nicht so einfach, wie ihr
denkt.
Schauen
wir doch einmal an einem Beispiel, wie das geht. Dazu wählen wir den
"Seventies Look", wie er in der Zeitschrift Couch (Ausgabe
7-8) vom Sommer 2015 beschrieben wird.
"So
geht Hippie-Style: Violetter Cremelidschatten, als Verwandter aus der
Blaufanilie, wird hier zum coolen Eyecatcher. Toll in Kombination mit
Fake-Lashes, die nach dem Aufkleben noch einmal getuscht werden".
der Seventies Look von heute |
Nachdem
ich die Seventies selbst erlebt habe, kann ich bestätigen: das mit
den verlängerten Wimpern stimmt zumindest für die Models (die man
damals noch Mannequins nannte) in den Zeitschriften und in der
Werbung; dass die Hippies sich ansonsten groß geschminkt hätten,
muss mir entgangen sein. Im Gegenteil: Alle Blumenmädchen, die ich
kannte, schminkten sich eben nicht, weil das natürlicher
aussah.
Aber
wir leben in der Jetztzeit; das Ganze ist "retro", und da
ist alles erlaubt. Außerdem hat niemand etwas von 'authentisch'
gesagt.
Die
Zeitschrift mit dem eigenartig unpassenden Titel habe ich während
eines Mikrourlaubs in einem Hotel ausliegend aufgelesen und
fasziniert studiert. Nicht nur verspricht sie schon auf der
Titelseite einen "Shopping Guide! 100 It-Pieces für einen
stylischen Sommer" und "50 Seiten (gemeint sind
wahrscheinlich "pages") HOLIDAY FEELING: mediterrane Möbel,
Sexy Bikinis, Beach-Make-Ups & Sommerdrinks." Ein gelber
Button versichert: "I ♥ MY STYLE". Auf den
meisten der fast 200 Seiten (!) war ungeniert Werbung° :
Keine ganzseitigen Anzeigen, sondern kataloghafte Auflistungen von
Style-Elementen, ihrer bis zu 20, komplett mit Preisangaben und
Bezugsquellen. Wie man da zu seinem eigenen Style kommen soll, wird
nicht ganz klar.
Kommen
wir zurück zu den Schminktipps:
Ein
Herr Schmid, immerhin "National Make-up Artist für Chanel in
Deutschland" gibt Profi-Tipps, mit denen die neuen Looks (wie
z.B. oben erwähnter 'Seventies Look') "ganz easy"
gelingen. Es geht diesen Sommer (bzw. ging: Wir haben ja schon
stylishen Herbst) um blaue Augen.
"Die
Basis. Blaues Make-up braucht eine perfekte Basis. Wer noch keinen
Sommerteint aht, deckt Augenschatten mit Concealer ab und pinselt
sich einfach mit Bronzepuder die Sonnenbräune auf Wangen, Stirn und
Nasenrücken." Dann: "DIE NUANCEN. KNOW
HOW: Das Gute an Blau: Es gibt so viele
Nuancen...." und: "So hält's. Damit es nicht nach Veilchen
aussieht, das Lid am besten mit einem nudefarbenen Eyeshadow
vorgrundieren, erst danach das Blau auftragen. Mit leicht feuchtem
Pinsel appliziert, halten die Pigmente deutlich besser." Und so
weiter.
Ich
gestehe, ich verstehe nicht ganz, was für einen Augenschatten
(Eyeshadow?) man mit Concealer abdecken soll, wenn man doch noch gar
keinen Sommerteint hat. Was ein nudefarbener (??) Eyeshadow (?!?) als
Grundierung soll. Warum es dann weniger nach Veilchen aussieht, wenn
doch violetter Lidschatten ein Verwandter aus der Blaufamilie ist.
Aber auch, warum Blau mehr Nuancen haben soll als z.B. Grün, weiß
ich nicht.
Ist
eigentlich auch egal. Man braucht halt einfach "Die Produkte zum
Look":
Offen
gestanden: Ein Malkasten mit lediglich 4 Schattierungen, der 51 Euro
kostet (und zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht einmal erhältlich
ist!) ist unverschämt teuer, Chanel hin oder her.
° Man
fragt sich, wieso die Zeitschrift angesichts des enormen
Werbeaufkommens noch Geld kostet: immerhin 2,20€
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