Mal was über Orange.

Orange?

Donnerstag, 11. Februar 2016

Exkrement nochmal!

Scheiße geht zurück auf ein indogermanisches /*skei/ mit der Bedeutung "trennen, scheiden." Es ist das gängigste Wort für "Ausscheidung, Exkrement" – eine Sache, mit der man sich buchstäblich "auseinander-setzt.°" Abgesehen von dieser Bedeutung ist das Wort eine sehr häufig gebrauchte Interjektion, ein Ausruf des äußersten Ärgers, ein Fluch, z.B. wenn etwas nicht gelingt, oder wenn man sich besonders heftig auf den Daumen gehaut hat. Wir gebrauchen das Wort so oft, dass es geradezu als Charakteristikum der Deutschen und ihrer Sprache gilt. Mögen andere Völker religiös schimpfen und fluchen – "porco dio!" "madonna!" "Jesus Christ!", wieder andere sexuell – "¡hijo de puta!" "f***ing hell" und dergleichen, greifen wir zur Fäkalsprache. Das ist natürlich etwas platt, aber es ist nicht völlig von der Hand zu weisen.

Übrigens: haben Sie's bemerkt? Bei dem eben zitierten f-word wurde die prüdere Schreibung mit Sternchen benutzt, die wiederum oft verkürzt und verschleiert als "effing" gebraucht wird, und doch weiß jedes Kind, was gemeint ist: sexual intercourse: Geschlechtsverkehr. Eigentlich völlig unsinnig! Das geht natürlich auch mit dem Wort, um das es uns geht: Sch***! Aber was soll's.

Ein zum Nachttopf umgenutzter Stahlhelm
Quelle: http://www.museumderdinge.de - überhaupt eine sehr empfehlenswerte Website!


DEGUSSA war (und ist, unter leicht verändertem Namen) die Deutsche Gold- Und Silber-Scheide-Anstalt: ein Unternehmen, das sich auf die Gewinnung (Scheidung) von reinen Edelmetallen aus vermischten Metallen spezialisiert hatte. An diesem extrem, sagen wir einmal: saubereren Beispiel erkennt man dieselbe Wortwurzel, aber wir wollen doch einmal genauer hinsehen. Der Zusammenhang zwischen faeces (das ist nun wirklich ganz vornehm für Scheiße) und Gold ist übrigens tiefenpsychologisch höchst interessant, soll aber an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden.i

Zum einen: Es ist offensichtlich, dass das englische "shit" auf dieselbe indogermanische Wurzel zurückgeht – das (englische) Wort wird in jüngster Zeit auch im Deutschen gern verwendet, meist mit derselben Bedeutung wie sein deutsches Äquivalent. Daneben haben beide Wörter einige unterschiedliche Bedeutungen. Das deutsche Wort wird dabei gern leicht modifiziert, also etwa "Scheiß" (=Unsinn), oder zusammengesetzt - "Scheißkerl" (=üble Type)"; das englische Wort bezeichnet dagegen auch Haschisch, doch in "no shit" heißt es "echt, kein Witz!"

In romanischen Sprachen ist von "merde", "merda" oder "mierda" die Rede, abgeleitet vom lateinischen"merda". "Merdam aedificavi!" heißt "da hab ich Scheiße gebaut", oder "Mist!"
Klar ist auch, dass es in fast allen Sprachen auch Synonyme gibt, gehobene wie vulgärere. Wenn der Arzt von "Stuhl" spricht, meint er oft nicht das Möbel, und der Jäger sagt "Losung", auch wenn er gerade reingetreten ist. Bei Vogelkot spricht der Jäger von "Geschmeiß" oder "Gestüber", aber auch wir kennen unterschiedliche Bezeichnungen für tierische Hinterlassenschaften, etwa "Kuhfladen", "Pferdeäpfel", "Hundehaufen", oder etwas allgemeiner "Mist" oder "Dung."° Oder, ganz allgemein und menschliche Fäkalien eingeschlossen, "Kot."°°
Im Gespräch mit kleinen Kinder ist oft von Kacka oder A'a die Rede; ersteres gibt es auch in der Erwachsenenform: "Kacke." Im Englischen spricht man gelegentlich von "crap" oder "turd", aber man gewinnt tatsächlich den Eindruck, dass Deutsch in dieser Beziehung erheblich kreativer ist als viele andere Sprachen.

Mediziner sprechen von "faeces" und wir auch, wenn von "Fäkalien" die Rede ist. An sich bedeutet das Wort "Bodensatz, Abschaum" – auch im übertragenen Sinn. Manchmal wird es moralisch: «Inter faeces et urinam nascimur» – 'zwischen Fäkalien und Urin erblicken wir das Licht der Welt'. Das Zitat stammt vom Kirchenvater Augustinus – was er damit gemeint hat, soll sich jeder selbst überlegen.

κόπρος (kopros) heißt merda auf griechisch; ein Koprolith etwa ist versteinerter Kot. Von kopros und kithos (Stein) – es gibt nichts, womit sich die Wissenschaft nicht befasst! (Befasst sie sich mit Kot, nennt sie sich Skatologie oder Koprologie). Bevor mich jetzt jemand der Koprolalie beschuldigt, höre ich besser auf. Denn das ist, laut Duden, die "krankhafte Neigung zum Aussprechen unanständiger, obszöner Wörter (meist aus dem analen Bereich)."

Dennoch: Ein Literaturtip muss sein:

Werner Holzwarth (Text) und Wolf Erlbruch (Bilder),
Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. ISBN: 3779505037

Wer es noch nicht kennt, besorge es sich morgen!

Ach ja, noch was:
Der 19. November ist seit 2013 offizieller (von der UNO anerkannter) World Toilet Day. Die Begründung: More people in the world have a mobile phone than a toilet.
Dem ist nichts hinzuzufügen!

° Angeblich staunt der Rest der Welt über die in Deutschland immer noch weit verbreiteten Flachspüler-Toiletten, die eine Inspektion des Endprodukts zulassen, bevor gespült wird. Sooo genau wollen es die meisten gar nicht wissen. In ihrem 1974 erschienen Roman Fear of Flying belustigt sich die amerikanische Autorin Erica Jong über die "carefully contrived facade to intimidate foreigners with Germany's agressive wholesomeness." [die sorgfältig errichtete Fassade, um Fremde mit dem aggressiven deutschen Gesundheitsfimmel einzuschüchtern]
iWeil es aber gar so interessant ist, folgt demnächst mehr!
°What comes out of a cow and sounds like a bell? - Dung. (Spike Milligan)
°° Obwohl das Wort eher "Dreck" bedeutet, siehe "Kotflügel."



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