Mal was über Orange.

Orange?

Donnerstag, 14. April 2016

Granatapfel (punica granatum)

Granada in Andalusien, die Stadt unterhalb der Alhambra,
des einzigartigen Juwels maurischer Architektur, ist auch sonst sehr reizvoll. Was auffällt, dass ein Ornament überall auftaucht: der Granatapfel. Gut, das mag naheliegend sein, wenn die Stadt schon so heißt. Naheliegend auch, dass der Strauch überall im Stadtbild grünt und blüht, dass es eine Pracht ist. Granada lässt keine Gelegenheit aus, sich mit dem exotischen Gewächs zu schmücken.

Der Granatapfelstrauch ist im Mittelmeerraum auch gar nicht so exotisch, aber bei uns kennt man seit jeher eher den Namen als die Frucht; was ist das eigentlich, der Granatapfel? Zunächst einmal: Es ist kein richtiger Apfel. Der Apfel ist ein Rosengewächs, und der Granatapfel gehört – trotz der prachtvollen, intensiv hellroten Blüten - zu den Myrtengewächsen. Der Granatapfel ist relativ groß, schwer (wiegt oft ein ganzes Pfund!) und ist von einer ledrig-pergamentartigen Haut umgeben. Schneidet man ihn auf, zerfällt er in hunderte (bis zu 400, sagt Wikipedia; andere sagen anderes) maiskorngroße, saftige Fruchtkörper, durchscheinend, intensiv rot und arg süß. Aus ihnen wird der Grenadinesirup (den kennen Sie vom Tequila Sunrise) hergestellt, und zwar, indem man den Fruchtsaft 1:1 mit Zucker einkocht. Manchen Leuten kann es offenbar nicht süß genug sein!

Früher wurde der Granatapfel auch anderweitig verwertet: Die Blüten sind auch getrocknet noch rot; im Aufguss als Gurgelwasser und gegen Durchfall verwendbar. Wurzelrinde hilft gegen Bandwürmer. Die Schale des 'Apfels' wurde gern zum Färben von Textilien (z.B. Teppichen) verwendet: nicht rot, sondern braun bis schwarz. Darüber hinaus und vor allem war die Frucht geradezu kulturübergreifend symbolträchtig; die Bibel erwähnt sie mehrfach, ebenso der Koran. Der Granatapfel war ein Symbol des Lebens, der Lebens- und Sinneslust und der Fruchtbarkeit. Der Apfel des Paris (den er Helena zusprach) war ein Granatapfel. Andererseits stand der Granatapfel im Mittelalter auch für die Welt (den 'Erdapfel' – von wegen, die Erde sei eine Scheibe!) - der Reichsapfeli war auch ein Granatapfel.

Warum aber 'Granat-'? Hat das was mit Granate zu tun? Doch wohl eher mit dem Granatschmuck? Wer im Lateinunterricht mehr mitbekommen hat als die blutrünstigen Eroberungen Caesars mag irgendwann auf das lateinische Wort für 'Korn' gestoßen sein: granum. Das bedeutet außerdem 'Samen' und 'kleiner Kern', und da ein Körnchen sehr wenig wiegt, nennt sich auch ein Apothekergewicht gran. Ein gran sind etwa 65 mg. Das granum steckt auch in 'filigran', im englischen grain (nicht aber in Migräne!) und schon auch in der Granate. Eine Granate ist ein mit Sprengstoff gefülltes Artilleriegeschoss (die meisten werden eher die Handgranate kennen), und da der Granatapfel mit diesen kleinen Früchtchen gefüllt ist, war das ganz offensichtlich granatum, also 'gekörnt'. Zu den Namen der Frucht gleich noch mehr.

Interludium. Ein Granatsplitter ist zum einen ein Teilstück einer explodierten Granate, zum anderen ein Konditorei-Objekt. Aus den bei der Herstellung von Torten und Biskuitrollen anfallenden Resten wird durch Zugabe von Buttercreme, Kakao und Rum ein Haufen geformt und mit Kuvertüre überzogen. Nicht unbedingt ein großer Schlankmacher...Klingt nur etwas martialisch in unseren (gottseidank) eher friedlichen Zeiten. Versuche, den Namen zu ändern – etwa in 'Bärenhaufen' – sind bisher gescheitertii. Wir können jedoch beruhigt feststellen, dass der Granatsplitter nur sehr indirekt mit dem Granatapfel verwandt ist. Auch mit dem körnigen, sehr harten Schmuckstein namens Granat ( engl. garnet, frz. grénat mittelhochdeutsch grānāt , von mittellateinisch [lapis]granatus 'körniger [Stein]') ist die Verwandtschaft nur oberflächlich, obwohl die roten Fruchtkörperchen des Granatapfel schon etwas an rote Granatsteine erinnern (letzterer heißt im Deutschen auch Karfunkel).

Doch nun zu den Namen unserer Frucht:
Die Römer nannten sie malus punica, punischer Apfel. Nun waren die Punier, auch Phönizier (und später auch Karthager) genannt ja so etwas wie der Erzfeind Roms; ergo muss sich 'punisch' auf die vermeintlich exotische Herkunft bezogen haben, also den vorderen Orient, die Heimat der Punier (oder, wie manche meinen, Nordafrika – wegen Karthago). Der wissenschaftliche lateinische Name ist punica granatum: auch hier sind Phönizier versteckt. Auf französisch grenade und auf spanisch granada genannt, heißt der Granatapfel pomegranate. Das pome- entspricht natürlich dem französischen pomme, 'Apfel'. Nun hieß ja in früheren Zeiten so manches 'Apfel' iii, das wir etwas differenzierter sehen: Birnen, Quitten, ja die Apfelsine (-sine heißt hier 'aus China') oder der Pfirsich (urspr. malum persicum = persischer Apfel), und schließlich auch etwas so wenig apfeliges wie der Erdapfel (a.k.a. Grundbirne: die Kartoffel). Gut, aber warum pomme? Das ist mehr oder weniger die römische Göttin des Obst- und Gartenbaus selbst: Pomona. Wenn Sie von ihr noch nicht viel gehört haben – auch sie kommt in Caesars De Bello Gallicoiv nicht vor...
Pomona. Gemälde von Fouché

iWie die Reichskrone und das Szepter war der Reichsapfel Teil der Reichsinsignien.
ii 'Bärendreck' gibt’s aber!
iii Wortgleich in vielen Sprachen, so germ. apfel, apple, isl epli; slaw (russ.). яблоко; kelt (walisisch). afal; balt. (litauisch) obelis, aber nicht in romanischen Sprachen: lat. malus; span. manzana (indirekt auch von lat. malus) und frz. pomme => 'Apfel' einheimisch nördlich der Alpen
iv Das Buch heißt nicht: "Über den schönen Gallier" – Caesar ist im Krieg.

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