Mal was über Orange.

Orange?

Mittwoch, 1. Mai 2013

Trinkgefäße

Die Glockenbecherkultur – ein steinzeitliches (mehrere Jahrhunderte um die Mitte des 3.
vorchristl. Jahrtausends) Volk, von dem wir fast nichts wissen, als dass es erste metallverarbeitende Techniken beherrschte und dass es mithin an der schwelle zur Bronzezeit stand. Ach ja, und dieses Volk hinterließ Keramikbecher in glockenähnlich-eleganter Form, so dass man sie eben nach diesen auch benennt. (1)
Wir fassen zusammen: eine Kultur, die nach einem Trinkgefäß benannt ist. Wie man vielleicht die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts irgendwann einmal als Coladosen-Kultur bezeichnen wird. Obwohl, -kultur...?
Dieses Volk (engl. beaker people; frz. (weniger griffig) Culture campaniforme) stellte die für sie typischen Keramik-Trinkgefäße in Becherform her. Dies ist vielleicht der Urtyp des Flüssigkeitsbehälters und neben der hohlen Hand und vielleicht der einen oder anderen Schalenfrucht (Kürbisse oder Kokosnüsse: in unseren Breiten wächst da nix Geeignetes, da muss man seine beakers schon selbst herstellen). Wahrscheinlich so ziemlich der älteste. Was aber ist eigentlich ein Becher?

Wenn man das anschaut, was eine Internet-Suchmaschine an Bildern zum Thema anschleppt, kommt man auf ein paar vermutlich grundlegende Merkmale, wie etwa „kein Stiel” oder „meist schlicht in der Form”, aber wie steht es zum Beispiel mit dem Material? (Becher sind nicht immer irden: denken Sie z.B. an Papp-Becher. Aber: gibt es Becher z.B. aus Gold?) Wie steht es mit Henkeln? Ist ein Becher mit Henkeln überhaupt einer? Was soll eine „Bechertasse” sein – ein Becher oder eine Tasse? Sie hat jedenfalls einen Henkel, wie jede anständige Tasse. (Im Englischen sagt man mug, was ungeklärter Herkunft ist und nicht mit dem Slangwort für Gesicht zusammenhängen dürfte. Jedenfalls sagt man nicht beaker).


edel: (Trink)gefäße der alten Griechen. Sie kommen in diesem Artikel nicht weiter vor.
Überhaupt Tassen: Meist sind sie aus Keramik oder Porzellan (davon das feinste heißt im Englischen bone china (interessanterweise heißt „china” ja „porzellan”. Aber warum „knochen”?) Wenn Wikipedia recht hat, kommt da Knochenasche mit hinein. Na denn man Prost!). Sie reizen oft zum Kleinen-Finger-Abspreizen, während man den Tee zum Munde führt. Für bodenständigeres gibt es die oben erwähnten mugs. Tassen sind cups, und das hängt mit unserem „kopp” zusammen (im Sinne von Schädel). Man will’s nicht glauben, aber die Etymologen sind sich so ziemlich einig: Weil die Wikinger gern mal ihren Met aus den Schädeln erschlagener Feinde tranken, heißt das zierliche Tee-Tässchen „cup”!? Vielleicht stimmt das mit den erschlagenen Feinden nicht so ganz, aber das mit dem Kopp schon.


möge der Met munden

A propos Köpfe der erschlagenen Feinde, bzw. alte Germanen. Diese trugen nachweislich niemals Helme mit Hörnern (wie auch die Flederwische am Helm von Asterix frei erfunden sind). Die Hörner sind eine Zutat des 19. Jahrhunderts und haben mehr mit Richard Wagner zu tun als mit tatsächlichen Germanen. Hörner aber benutzten unse Vorfahren schon: man konnte Musik damit machen – wie auch mit dem Gemshorn, das noch „musikalischer” ist – aber vor allem trank man daraus. Schäumenden Met, oder was sonst zur Hand war, um sich zu berauschen. Also keinen Wein.

Denn den Weinanbau führten die Römer ein. Das Getränk kannten sie aus dem sonnigen Italien, und ohne Wein war das raue Germanien nur schwer zu ertragen, auch wenn man der privilegierte Besatzer war. So musste man eben den Wein importieren oder versuchen, ihn auch in der Fremde anzubauen. Was die Römer zu dem Weinbau noch einführten, war das passende Gefäß. Und das war, wie auch immer seine Form, aus Glas. Inzwischen trinken wir nicht mehr aus dem Trinkhorn, und statt Met trinken auch Germanen inzwischen ganz ordentliche Mengen Wein, auch sehr gute Tropfen aus heimischen Gefilden (denn auch die ganze Winzerei wird hier praktiziert). Und überhaupt sind wir, welterfahren und vielgereist, inzwischen auch ein Volk von Weinexperten, wissen den schweren, süßen Mavrodafne aus Griechenland vom leichten Beaujolais primeur zu unterscheiden, und selbstverständlich den Riesling vom Pinot Grigio.


feine Unterschiede zählen

Und, was wichtig ist, wir wissen, dass man Wein dekantiert (dass er atmen kann), und welchen Wein man zu welcher Speise genießt, überhaupt: welchen Wein vor, und welchen nach dem Essen. All das wissen wir, und selbstverständlich wissen wir auch, welcher Wein in was für ein Glas gehört. Es wäre ja geradezu eine Sünde, einen Dessertwein (das ist der Wein nach dem Essen) aus einem Sherryglas (woraus man ja seinen Aperitif trinkt - vor dem Essen) zu trinken! Und aus dem Römer trinken wir eigentlich kaum noch: der ist doch eher veraltet. Am edel gedeckten Tisch arbeiten wir uns so durch die Gläser (wie man das ja auch beim Besteck tut).

Nur die Biertrinker sind ein wenig problematisch, denn sie haben die Gläser nicht (noch nicht?) konsequent systematisiert. Ansätze gibt es wohl, etwa das Weißbierglas, die Pilstulpe oder die „Stange” für’s Kölsch; aber ansonsten scheint es dem Biertrinker egal, aus welchem Gefäß er trinkt. Manche trinken ja sogar aus dem Krug!! Ja, aus der Flasche!!!


doch irgendwie alle ähnlich...


Weil wir gerade bei der Flasche sind: Ein Baby, das nicht mehr gestillt wird, trinkt seine Milch aus der Flasche, weil’s praktisch ist. Als Studenten haben wir so ziemlich alles aus dem Senfglas getrunken (2) und täten das in der Not wohl immer noch. Und neben Glas und Porzellan gibt es noch andere Materialien für das Trinkgefäß; Horn und Keramik wurden bereits erwähnt, aber es gab/gibt auch Gefäße aus Metall (sehr oft Zinn), Tassen aus Holz (in Nordskandinavien: siehe Bild in Fußnote 3) und in neuerer Zeit Becher aus gewachster Pappe (mit Deckel, für den Kaffee „to go”) und aus buntem Plastik. Und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis jemand ein Trinkgefäß aus „intelligentem” Material erfindet (iMug?),

Wir können es abwarten.

Fußnote:
  1. Der englischsprachige Wikipedia-Artikel hat übrigens eine völlig andere Karte des vermuteten Verbreitungsgebiets als der deutschsprachige; letzterer kennt nur Spuren, wo der erstere die Becherleute fast überall in Europa ansiedelt...
  2. Ein schönes Beispiel für den Wiederverwertungs-Gedanken: Wenn kein Senf mehr im Glas ist, wird es gespült und kann dann als Trinkglas verwendet werden. Selbstverständlich wurde der Senf-im-Glas deswegen gekauft, und vielleicht wäre ein Senf im Plastiktöpfchen billiger gewesen, so dass man sich ein Glas hätte dazukaufen können. Aber es war halt praktisch.
  3. Und so sieht eine traditionelle kuksa aus Finnland aus:

Sonntag, 7. April 2013

Fachleute

Wie dilettantisch!
?
Typisch Dilettant! Hat nix studiert und meint, er wüßte was Sache ist!
Ah so!
Macht’s ja eigentlich nicht schlecht, aber...
Aber..?
Stimmt eigentlich. In der Sache kennt er sich aus! Da isser ein echter Freak!
Weil er’s nie gelernt hat und trotzdem kann?
Genau.
Wie dilettantisch!

Denn: Er weiß alles zum Thema, weil er sich dafür begeistert. Weil er die Sache liebt: „dilettare” ist das italienische Wort dafür: „sich ergötzen” steht im Wörterbuch, also Spaß - „diletto” - haben an etwas. Das kommt vom lateinischen „delectare”, was u. a. „gelüsten nach” bedeutet, con „delectatio”, „Wonne, Freude, Lust, Glück, Seligkeit, Wollust, Nutzung (?), Ergötzung, Genuss, Vergnügen,” wie Köbler, Gerhard, Lateinisch-germanistisches Wörterbuch, 3. A., 2006, weiß. (1)

Und jetzt vergleichen Sie mal damit den Fachmann, etwa den Handwerker, auf den Sie drei Tage vergeblich gewartet haben, der mürrisch Ihre Klospülung repariert, um dann eine überzogene Summe allein schon für die Anfahrt in Rechnung stellt: Ich weiß, das ist ein Klischee und völlig daneben: Andererseits (Hand auf’s Herz): Kennen Sie einen Handwerker; der bei der Ausübung seines Berufs „Glück; Seligkeit und Wollust” empfindet? Eben!

Wer das liebt, was er tut, und tut, was er tut, weil er es liebt, ist ein „Amateur”. Das kommt von „amateur” im Französischen und bezeichnet einen Liebhaber, etwa der Kunst – heute wäre das wohl eher der Sport als die Kunst - (und nicht etwa den „amant”, den, der im physischen Sinne liebt (2) ). Letztlich hat das natürlich ursächlich mit dem lateinischen „amor” zu tun: Liebe ist Hingabe, und wer kennt das Objekt seiner Liebe besser als der, der es liebt? Ich kannte mal einen Modelleisenbahner (d.h. allgemeinen Eisenbahn-Fan), der praktisch das gesamte Kursbuch auswendig kannte... (Zur Erinnerung: Haben Sie schon einmal erlebt, dass Sie am Bahnhof einen Bahnbediensteten angetroffen haben, der die Abfahrtszeiten der Züge parat hatte?)

Wo bleiben die Experten? Überhaupt: Was ist ein Experte, und warum heißt er so? Der Einfachkeit halber sei der Duden zitiert, der behauptet, der Experte sei ein „Sachverständiger, Fachmann, Kenner”, und sein Expertenwissen habe mit lat.: „experiri” zu tun, mit „erfahren, erproben” (Online-Lateinwörterbuch http://www.albertmartin.de/latein ), also -wie der Duden auch weiß- irgendwie auch mit „Experiment”. Ein Experte ist also einer, der herumexperimentiert! Sauber!

Nein, ernsthaft: Der Experte ist der Fachmann, der Mann vom Fach und hat das auch gelernt (das Fach). Wenn er aber nun nicht allzuviel gelernt hat, hat er wenigstens das richtige Werkzeug. Und er gehört zu den Eingeweihten, denen die Erfahrung sagt (oder die Kollegen), wo man draufklopfen muss, und dann „passt das schon”, Zunftwissen.

Wenn das „Fach” jenes ist, das der „Fach”arzt studiert hat, ist das schon einmal beruhigend. Meint man. In Wirklichkeit rät er oft auch rum, nur mit mehr Erfahrung (von dem „experiri”) als der Patient; viele Werkzeuge hat er meistens nicht, aber einen weißen Kittel, und das gemahnt ja an „weiße Weste”. Und mal ehrlich: Würden Sie sich dabei wohlfühlen, wenn Sie wüssten, dass Ihr Arzt sein Metier nur aus Liebe betriebe, als Hobby sozusagen, und der sich die wichtigsten Infos aus dem Internet heruntergeladen hat?


A propos Hobby: Das ist Englisch („hobby horse”), hat dieselbe – veraltete - Bedeutung wie im Deutschen: Ein „hobby horse” ist ein „Steckenpferd” (siehe Bild), und ein Kind ritt sowas mit einer Begeisterung, die 1) drollig anzuschauen war, 2) als patriotischer Überschwang gedeutet werden konnte (bei einem Kind!! Aber wir reden von der wilhelminischen Epoche, etwa kurz vor dem Ersten Weltkrieg) Und 3) die auf jeden Fall im Kind eine Leidenschaft entfachte, die der Begeisterung des „dilettante” glich.

Und heute? Heute reitet niemand mehr ein Steckenpferd. Das Kid von heute sitzt am Rechner und bildet sich fort. Ist diese Fortbildung sehr weit fortgeschritten, sprechen wir von „Nerd”. Das ist wiederum Englisch und bedeutet etwa „geek”. Was ein „Geek” ist, wollen Sie wissen? Kennt der Duden noch nicht („...oder meinten Sie: geck?”), aber er weiß, was ein „Nerd” ist, nämlich „(Jargon abwertend): sehr intelligenter, aber sozial isolierter Computerfan: der N., so das Klischee, sitzt vor dem Computer, ist nicht gesund und hat null Appeal.” (3)

Zumindest im britischen Englisch nennt man einen jener pickeligen Jünglinge, die sich dem „trainspotting” verschrieben haben – hier hilft uns Wikipedia (4) weiter: „ das hobbymäßige Beobachten von Eisenbahnen...Train spotting wird im englischen Sprachraum auch oft als Synonym für vordergründig sinnlos erscheinende Tätigkeiten oder Hobbys benutzt.” Jedenfalls nennt man besagte Trainspotter gern „Anoraks”: „Das Wort stammt aus der Sprache der westgrönländischen Eskimos...” schreibt Wiktionary, was jedoch ganz und gar nicht politisch korrekt ist: Die „Eskimos” heißen heute „Inuit”: Das hätten die Nerds der Wikidings aber wissen müssen!

Fußnoten:
  1. Das englische „delight” heißt in etwa dasselbe.
  2. Heute heißt sowas „lover”
  3. © Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM].
  4. Ein Online-Wörterbuch, das im Grunde von Nerds geschrieben wird.

Geschichten vom nuklearen AtomKern und von seinen Gegnern

Wie wir alle einmal gelernt haben, bezeichnet Atom im Griechischen das letztlich Unteilbare der Materie (von a-tomos: a = „un-” und tomos wie in Computer-Tomographie, ein Aufnahmeverfahren, bei dem der Körper in zahllose Scheiben geteilt wird: tomos heißt „Schnitt, Teilung”). Als der Mensch gelernt hatte, das Unteilbare zu teilen – die Enrtdeckung der Atomspaltung durch Otto Hahn und Lise Meitner 1938 – setzte das ungeheuere Energien frei. Natürlich sann der Mensch nach, wie man diese Energien nutzen konnte und erfand – die Atombombe.
a terrible beauty is born


Zuerst erschauderte man und war fasziniert zugleich von der schrecklichen Schönheit (1)(2) der Explosion; schließlich setzten die Bomben von Hiroshima und Nagasaki dieselbe Energie frei, die die Sonne lodern ließ. Es war das Gleißen der Schöpfung, wenn auch in ihrem zerstörerischen Aspekt (3). Viele glaubten wohl auch, dass die Atombombe den Krieg abgekürzt und somit letzten Endes sogar Menschenleben gerettet hatte. Und man erzählte ihnen alsbald, dass der Mensch nun auch gelernt hätte, die Energie der Sonne friedlich zu nutzen, eine Energie, die – wie Hiroshima gezeigt hatte – so gewaltig war, dass sie praktisch endlos war, jetzt, da man sie beherrschte. Die Ur-Kraft der Atome in jedem Atomkraftwerk! (4)

Kleiner Zeitsprung in die siebziger Jahre: In Deutschland standen einige Atomkraftwerke herum, und die produzierten nicht nur billigen Atomstrom (man hatte in den Fünfzigern davon geredet, dass es in Bälde möglich sein würde, Strom so kostengünstig zu produzieren, dass es sich nicht lohnen würde, den Kunden überhaupt zahlen zu lassen), sondern auch Atommüll, und jede Menge Dissens. Denn ein immer lautstärker werdendes Häuflein Menschen, bald eine ganze Bewegung (die später die Partei Die Grünen ins Parlament spülte), begehrte auf, kritisierte die technischen, politischen und sozialen Unwägbarkeiten der Atomkraft, und der Slogan „Atomkraft – Nein danke!” war überall zu hören (und klebte dekorativ auf vielen Autos: eine kleine, rot-gelbe Sonne mit lachendem Gesicht). Ein Spruch der Gegenseite sei an dieser Stelle auch mal zitiert: „Atomkraftgegner überwintern/ bei Dunkelheit und kaltem Hintern” (5)

Interessant ist im Übrigen, dass es mittlerweile die Atomindustrie aufgegeben hatte, von „Atom” zu reden, sei es bei Strom, Kraftwerk oder überhaupt: Man nannte das alles nun „Kern-”: „Kernkraft”, „Kernenergie”, „Kernreaktor” und so weiter. Wenn sich dabei jemand an Gesundheit, Reformhaus (oder gar „bio”) erinnert fühlte – umso besser. Auf jeden Fall wollte man die einstmals so willkommene Assoziation mit der Atombombe nicht mehr (...und „Kernspaltung”, „Kernwaffen” und so weiter. Interessanterweise eben nicht: „Kernbombe”). Die Kernkraft(?)gegner sprachen natürlich weiter von „Atom” und von unangenehmen Dingen wie „Atommüll”.

Im Grunde gilt das heute noch, wenngleich die Debatte inzwischen weniger hitzig geführt wird und seit Tschernobyl und Fukushima sprechen sogar konservativere Kreise mitunter vom „Atom(!)ausstieg”.

Bei den Waffen sieht es interessanterweise noch einmal anders aus – auch hier gibt es „Fortschritte”, von der „H-bomb” bis hin zur „dirty bomb”, von transkontinentalen Langstreckenraketen bis zu den U-Boot-gestützten Mehrfachsprengköpfen (gibt’s die, oder habe ich mir die gerade eingebildet?) Denn hier kann man von „Atom”waffen(6) sprechen, von „Kern”waffen (7), aber natürlich, und das klingt dann noch komplizierter, von „nuklearen (8) Systemen”.

Warten wir also ab, was die Zukunft bringt. Denn – so sehr manche der Duden-Einträge an den Kalten Krieg und die damals verbreitete (9) Angst vor einem Atomkrieg gemahnen, irgendwie hat man das Gefühl, dass die Zeiten andere geworden sind, und so sprechen wir auch weniger von einem „nuklearen Winter” als von der „globalen Erwärmung”, auch wenn uns die Politiker (falsch! die gibt es nicht, aber große Teile der politischen Kaste) wieder mal nicht zuhören oder von „Sachzwängen” reden.

Nein, vielleicht wird es nicht so schlimm, und die Kernfusion (oder von mir aus „Atom”fusion) gelingt schließlich doch, und dann wird der Strom so billig, dass es sich nicht lohnen wird, dafür eine Rechnung zu schreiben, und dann fahren alle Autos mit dem sauberen und praktisch kostenlosen Fusions-Strom, und alle sind glücklich und froh bis an ihr Lebensende...




Fußnote
  1. „schreckliche Schönheit – a terrible beauty [is born]” ist ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat von William Butler Yeats (Easter 1916)
  2. Bizarrerweise trägt auch der Bikini seinen Namen nicht etwa, weil er zweiteilig ist („bi-” heißt ja „zwei-”, z. B. in bilateral oder (engl.) bicycle), sondern, weil sein Erfinder, der Franzose Louis Réard; für den Wäscheladen seiner Mutter den Zweiteiler erfand, der, so vermutete er, geradezu einschlagen würde wie eine Bombe: In jenem Jahr (1946) waren im Bikini-Atoll in der Südsee eine Reihe von Atombomben getestet worden: daher der Name.
    a terrible beauty ?
    Gleichzeitig arbeitete ein anderer Franzose, Jacques Heim, ebenfalls an einem zweiteiligen Badeanzug. Er wollte ihn „Atome” nennen...(Dieses nette Detail erwähnt zumindest der englischsprachige Wikipedia-Artikel)
  3. Scheinbar noch weiter hergeholt: Der indische Gott Shiva (oder, auf deutsch, „Schiwa”) ist Schöpfer und Zerstörer zugleich, und nur sein Tanz der Zerstörung („Shiva nataraj – Shiva der Herr des Tanzes” - eine sehr verbreitete Darstellung) macht überhaupt erst die Schöpfung möglich.
  4. Zur Klarstellung:: Nicht gemeint ist hier die sog. „starke Wechselwirkung” im Atomkern – neben der Schwerkraft, der „schwachen Wechselwirkung” und der elektromagnetischen Anziehung eine der vier Grund”kräfte” der Physik, zumindest nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Dinge.
  5. sowas heißt in der Rhetorik „argumentum ad hominem”, das bedeutet quasi einen Angriff unterhalb der Gürtellinie. Trotzdem: Das Zitat zeigt auch, wie emotional aufgeladen die Stimmung war.
  6. Dazu jede Menge Einträge im Duden, so z.B. die A.-Kraft, A.-Krieg, A.-Bunker und den A.-Angriff (wäre der Ihnen eingefallen?), aber auch den A.-Busen (vgl. Fußnote 2) und das A.-Ei („scherzhaft für Kern(!)reaktor”)
  7. Kern|waf|fe, die <meist Pl.>: Atomwaffe: taktische, strategische -n.” Daneben kennt der Duden noch die K.-Forschung und die K.-Explosion, die K.-Energie und das K.kraftwerk und den/die Kk,-gegner/in.
  8. nuklear, lt. Duden: „die Kernwaffen betreffend: die -e Strategie; -er Winter (mögliche Abkühlung der erdnahen Atmosphäre nach dem Einsatz von Kernwaffen); n. bedroht sein;” Das Ganze ist jedoch „bildungssprachlich”.
  9. Im doppelten Wortsinn: Nicht nur, dass sie weit verbreitet war, sie wurde auch regelrecht verbreitet...

Alle Dudenzitate aus:
© Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM].

Freitag, 5. April 2013

Ordnung und Chaos


"Die Basis einer gesunden Ordnung ist ein großer Papierkorb." Kurt Tucholsky
"Was ist Chaos? Es ist jene Ordnung die man bei der Erschaffung der Welt zerstört hat." - Stanisław Jerzy Lec

Die Erde war wüst und leer: tohu wa bohu (תהו־ובהו); bei den Griechen tat sich der Abgrund auf, Abyss, das Chaos; auch in der nordischen Mythologie war zuerst die Leere da :
"Einst war das Alter, da Ymir lebte:/ Da war nicht Sand nicht See, nicht salzge Wellen,/
Nicht Erde fand sich noch Überhimmel,/ Gähnender Abgrund und Gras nirgend. (Völuspa).
Die moderne Chaosforschung (kein Witz: die gibt's tatsächlich!), also die Erforschng chaotischer Systeme, ist spannenden Dingen auf der Spur. Dabei kennt die moderne Forschung meinen Schreibtisch gar nicht. Vielmehr geht es um emergente Strukturen, also um das Entstehen von Strukturen aus dem Ungeordneten, die Selbstorganisation des Unorganisierten.

                            Soviel einstweilen die Forschung.
               Für die meisten Menschens steht fest: Der Mensch bringt Ordnung:  
Adam benennt die Tiere (Genesis 2, 19) bis hin zum schwedischen Naturforscher Linné (1707 - 1778) (der tut das auch). Während Adam sich auf Namen beschränkt, die gleichzeitig Bezeichnungen sind (generische Namen), führt Linné 1735 den binären Namen ein. Statt, wie bis dahin üblich, vom "gestreiften Käfer, der auf der Kartoffelpflanze sein schädliches Werk betreibt (oder ähnlich fantasievolle Beschreibungen)" zu sprechen, nennt er selbigen Kerf "Leptinotarsa decemlineata". Das ist zwar auch ein langer Name, aber er ist präzise und folgt einer Systematik: Populär ausgedrückt, besteht er aus Vor- und Nachnamen. So wie Giacomo Meyerbeer ein Individuum namens Giacomo in der Familie der Meyerbeers ist, ist unser Käferlein das Individuum "Decemlineatus" (für die Lateiner unter uns: weil er 10 Streifen hat) in der Familie – genau genommen nennt man die Sippschaft in der Biologie Gattung – der Leptinotarsa. Linné wählte lateinische Namen, weil das international verständlich war. Die Namen für Familie, Gattung, Art haben in der Regel auch deutsche Entsprechungen (so sind Leptinotarsa sog. Blattkäfer, und unser Beispiel ist natürlich der Kartoffelkäfer.( Das scheint aber nur uns Deutschen logisch, denn auf Englisch heißt er Colorado Beetle). Wenn der spanische Name nun escarabajo de la patata ist, leuchtet ein, dass es vielleicht für alle besser ist, lateinische Namen zu benutzen, denn das versteht z.B. der normale Russe oder die Chinesin nicht.

Aber das Wichtigste ist: Linné hat eine in sich stimmige Systematik geschaffen (die, nebenbei bemerkt, vor allem auf Sex[ualitätskriteerien] beruht. Aber das ist eine andere Geschichte), eine Systematik, die heute noch gilt.
Eine vorläufige Systematik der Schaffung von Ordnung sähe vielleicht so aus:
Nicht umsonst heißt es am Anfang der Bibel, dass die Erde "wüst und leer" gewesen sei. Am Anfang des Universums war die bloße Existenz, das ungeordnete Durcheinander, Chaos. Die Dinge nebeneinander, und keiner, der sie ordnete (auch Gott nicht, denn der ist mit der Schöpfung beschäftigt)., bis eben Adam kam.
Eine Aufzählung der Dinge, so ungeordnet sie sein mag, ist ein rhetorisches Mittel: der sog. Homerische Katalog. Der Ausdruck bezieht sich auf den zweiten Gesang der Ilias, wo Homer eine schier endlose Aufzählung der griechischen Schiffe und der Anführer des jeweiligen Kontingents gibt. Das zeigt nicht nur die enorme Größe der griechischen Truppen vor Troja, das hat mythische Dimensionen.
Demgegenüber hat die (geordnete) Liste fast schon etwas Banales, Bürokratisches Bei der Bestandsaufnahme empfiehlt sich eine Ordnung und eine gewisse Präzision geradezu von selbst. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass alle frühen Hochkulturen (Ägypten, Mesopotamien, Indus-Kultur) in dem Moment ins Licht der Geschichte rücken (alles vorher ist Vorgeschichte!), in dem sie die Mittel zur Inventarisierung und damit zur Planbarkeit der Warenströme entdecken: die Schrift, und mittelbar die Mathematik.
Verwandt, wenn auch nicht dasselbe, sind zum einen die sog. to-do-listen und die Agenden als Planung und mehr oder weniger verbindliche Abarbeitung von festen Programmpunkten. Sie dienen der Organisation von Arbeitsabläufen und strukturiertes Zeitmanagement. Hier könnte zum anderen auch der Einkaufszettel stehen, der hauptsächlich als Gedächtnisstütze dient: Die Hausfrau / noch schlimmer: den Hausmann) möchte ich sehen, die (der) nach einem Einkauf lediglich genau das mitbringt, was auf dem Einkaufszettel stand!
Die alphabetische Aufzählung hingegen hat mit Planung und Zeitabläufen nichts zu tun; sie bedient sich eines universellen Ordnungsschemas, das einen schnellen Zugriff auf Fakten ermöglicht, mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Das Alphabet ist eine der großartigsten Erfindungen der Menschheit (und, das wiederum nebenbei, anderen Schreibsystemen, etwa den Hieroglyphen, weit überlegen). In letzter Konsequenz wäre unsere gesamte westliche Buchkultur nicht möglich gewesen. Auch Kulturen mit Piktogrammen oder Hieroglyphen schreiben, aber eine Geschichtsschreibung zum Beispiel tut sich damit schwer, Sach- und Fachbücher mit Index wie überhaupt Lexika sind kaum vorstellbar.
Das bringt uns schließlich zu strukturierten Ordnungssystemen, bei denen zum schnellen Zugriff auf Fakten zusätzliche Grundprinzipien zum Tragen kommen. So kann die Ordnung
- chronologisch sein, eine
    • topologische Sortierung – das sind sachbezogene Reihenfolgen (etwa beim Anziehen von Kleidungsstücken), oder
    • hierarchisch – man denke z.B. an soziale oder politische Rangfolgen; (Ranking)
Ein besonderer Fall sind taxonomische Systeme, die nach bestimmten Eigenschaften klassifizieren (diese Klassen sind die Taxa) und dabei Ordnungen produzieren, die es erlauben, Zusammenhänge wie Verwandtschaft, Abhängigkeit oder Identität darzustellen. Ein Beispiel, und zugleich das wohl bekannteste, ist die Linnésche Taxonomie, d. h. die Einteilung von Tier- und Pflanzenreich in vordefinierte Kategorien wie Stamm, Klasse, Familie, Gattung oder Art.
Ordnungssysteme

Am (vorläufigen) Schluss unserer Betrachtung von Ordnungsstrukturen stünde wohl sinnvollerweise die Datenbank: computerbasiert und entsprechend vielseitig verwendbar und von einer Dimension, wie sie sich weder Homer noch Linné hätten vorstellen können. Doch das ist nun auch eine ganz andere Geschichte (nämlich die der Datenverarbeitung).





Samstag, 2. März 2013

eEine TastaTour





Wenn jemand, wie das allzeit schlaue Online-Lexikon Wikipedia, erklärt, das Wort „Tastatur” komme einerseits von italienisch „tasto” und sei andererseits schon 1801 nachgewiesen, stutzt man: Gab es damals schon Computer? Nicht einmal die Schreibmaschine, wie wir sie kennen. Nein: Tastaturen haben auch Musikinstrumente (wie das Klavier oder das Akkordeon – das gilt übriegens auch für das englische „keyboard”). Aber wer kennt noch das fast musikalische ra-ta-ta-ta-ta-ta—ping-ratsch-ra-ta-ta- einer (mechanischen) Schreibmaschine?
Und doch: Fast jede[r] von uns geht fast täglich mit einer Tastatur um, und vielleicht lohnt es sich, einmal etwas genauer hinzuschauen, was einem da geboten wird..

(Wir fangen oben links an; streng genommen wäre da in der allerobersten Reihe die Esc[ape]-Taste - praktisch der Notausgang. Die Schreibmaschine hatte dergleichen nicht (nötig). Daneben noch eine Unmenge (na gut: ein Dutzend) Sondertasten, F1 bis F12, deren Funktion v.a. vom Betriebssystem abhängig ist. Die lassen wir jetzt weg und schauen eine Reihe tiefer)

. Da gibt es:

° Grad und zwar Temperatur, Winkel (erinnern Sie sich noch: Mathe...), damit auch (Längen- und Breiten-)Grad. Das Zeichen hat in manchen Sprachen auch eine phonetische Funktion, etwa im Schwedischen (å – das wird zumindest heute im Schwedischen wie 'o' gesprochen und heißt dann auch o-Kringel. Andererseits spricht sich etwa der Physiker Ångström [ˈɔŋˌstrøm]; die Aussprache war früher üblich). Oder im Tschechischen (ů – langes 'u', aber es ist nicht das °, das die Länge ausdrückt! Es hat eigentlich nur historische Gründe.). In den hilflosen Versuchen, den Laut [ɔ] – ein dumpfer Laut zwischen a und o – in zahllosen deutschen Dialekten wiederzugeben, wird oft zum å gegriffen: "es wår ämål" sagt beispielsweise der Franke für "once upon a time".


Der kleine Strich, den manche Deutsche auf dem 'u' schreiben (nicht als Umlaut gedacht), ist kein °, sondern er verdankt sich der altdeutschen Schreibschrift (Sütterlin), wo zur Unterscheidung des u vom n – die ansonsten identisch aussahen – ein kleiner Haken gebraucht wurde. Manche haben das in die lateinische Schreibschrift übernommen.

" oben, unten, einfach und doppelt, französische: Es gibt der Anführungszeichen viele (vielleicht sollte man sagen: Zitierzeichen (1). „Gänsefüßchen” halt.), und ihre Verwendung ist beileibe nicht auf wörtliche Zitate beschränkt. Oft schaffen sie ironische Distanz (das ist also seine neue „Ehrlichkeit" – dass ich nicht lache!) oder deuten an, dass etwas mit Vorsicht zu genießen ist. Jedenfalls heben sie Textteile aus dem Zusammenhang heraus, nennen Dinge beim Namen. Interessant wird es, wenn sie das im Rahmen eines Zitats tun: „Er tat ihre Einwände als ‚Gewäsch’ ab” (gemerkt? Das Zitat im Zitat steht zwischen einfachen Anführungszeichen)(2)
In anderen Sprachen gibt es auch noch andere Zitierzeichen: die «französischen», und zwar <einfach> und «doppelt», und natürlich nach »innen« und nach «außen ».

§ das Paragraphenzeichen (heute auch gerne -graf-) ist ein Zeichen zur Markierung von Absätzen; das Zeichen besteht offensichtlich aus zwei S und könnte somit als Abkürzung von "signum separandi" (Trennzeichen) gelten. Jedenfalls kennt man es heute ganz überwiegend aus einem juristischen Kontext, etwa als Mittel zur Unterteilung von Gesetzen.

$ auch das weltweit geläufige Zeichen für den Dollar ist von nicht geklärter Herkunft. Es scheint mysteriös, dass "Dollar" (ein Wort, das sich übrigens vom deutschen "Thaler" herleitet.
Daher zahlt man in Entenhausen mit – Talern) nicht mit D, sondern mit einem S bezeichnet wird, und auch die beiden senkrechten Striche geben Rätsel auf. Eine zumindest originelle unter den zahllosen Theorien geht von einem monogramm-ähnlichen Übereinanderlegen von U und S (für "United" und "States") aus, wobei das U sich allmählich zu den beiden Strichen entwickelt hätte.Jedenfalls hat der Dollar Nachahmer gefunden, denn eine Reihe von Währungen nutzt ebenfalls den parallelen Doppelstrich als Symbol für "Währung", so das britische Pfund (), der japanische Yen (¥) und natürlich der europäische Euro (€). Auf der Tastatur ist der $ von Haus aus immer, der € inwischen so gut wie immer, das ₤ selten und der ¥ nie; diese Zeichen muss man über die Zeichentabelle einfügen

% das Zeichen für Prozent ist eine clevere Übernahme aus der Mathematik; es ist sinnfällig, ausgewogen und - auch wenn im Nenner eine Null steht (womit der Wert des Ganzen mathematisch ausgedrückt => ∞, was wiederum ≠ ) irgendwie auch logisch. Egal: mit zwei Nullen im Nenner, also ‰, heißt es Promille, "je Tausend" – 'mille' heißt ja 'Tausend', nicht 'Million', und 'Zent-' kommt von 'centum', 'Hundert' und nicht 'Zehn' – und daher heißt "Prozent" auch "je Hundert".

& Ampersand: heißt "und" bei den Buchdruckern, nicht "plus"! Da ist schon ein Unterschied; wenn man einen Firmennamen wie Müller & Co. hat, ist das OK. Schriebe man Müller + Co, sähe das a) albern aus oder b) heutzutagig (wobei, mathematisch ausgedrückt, oft gilt b = a.) Die Schreibweise &c. für et cetera gilt als veraltet, obwohl sich & von da herleitet: Es ist entstanden aus dem Lateinischen "et" für "und". Der Name Ampersand kommt übrigens von "and" "per se and", etwa "und" "an und für sich".

/ bzw. \, das heißt Slash und Backslash, oder natürlich Schrägstrich (hin und her?). Beide wurden ersonnen, um zu trennen. So schreibt man Alternativen/Optionen (statt 'oder' auszuschreiben); man trennt Zähler und Nenner 23/97 (doch verbindet der Schrägstrich sogar manchmal, etwa bei „Hausnummer 23/25”). Ob das eine Verbindung ist oder eine selbstbewusste Trennung, wenn man einen Stadtteil aufführt als „Würzburg/Versbach”, sei dahingestellt. Früher einmal war er auch trennendes Satzzeichen (ein Vorläufer des Kommas), und in manchen Ländern schreibt man das Datum damit: 26/4/1986. Doch aufgepasst: das ist nicht DIN-gerecht!
Im Zusammenhang mit Computern gilt: Der umgekehrte Schrägstrich (Backslash) wird in manchen Systemen, vor allem auch in Windows™, verwendet, um die Verzeichnisebenen einer auf der Festplatte gespeicherten Datei darzustellen. Etwa so: C:\Eigene Dateien\Fotos\Griechenland-Urlaub\Rosi.jpeg. Bei Internet-Adressen hingegen kommt stets der normale Schrägstrich zum Einsatz: (jetzt nur mal so als Beispiel): http://www.dolmetscherschule.de/de/absolventen.html

( [ { und zurück } ] ) Die normale Tastatur hat drei Arten von Klammern; mit ihnen lassen sich Hierarchien ausdrücken, also eine Erklärung in der Erklärung in der Anmerkung, etwa so: Laurence Sterne (Autor des Tristram Shandy  [ das ist einer der wichtigsten {und kurzweiligsten } Romane der Literaturgeschichte]) lebte hier bis zu seinem Tode". Das klingt jedoch nicht nurr kompliziert, das ist es auch. Man sollte dergleichen vermeiden! 

= heißt „ist” bzw. „sind”; darüber hinaus ist das Zeichen ein (sehr) altmodischer Bindestrich. Warum ist das Zeichen auf der Tastatur? Weil man dann auch mal 5 gerade sein lassen kann („5 = gerade”)

? Fragmichzeichen; im Spanischen (wie !) auch umgekehrt am Anfang des jeweiligen Satzes. ¿Wozu das gut ist?  ¡Eine tolle Sache! Erfindungen wie das „Ironiezeichen” (ein spiegelverkehrtes Fragezeichen) sind hingegen weitgehend unnötig; das gilt erst recht für den < „Interrobang”, der ein Ausrufe- mit einem Fragezeichen kombiniert und einem Ausdruck mehr Nachdruck verleihen soll.

´ ` ^ Ägü, Graf und Sir Cornflex: das sind Akzente und keine Satzzeichen, und wir bedürfen ihrer nur in Ausnahmefällen (bei eingebürgerten Fremdwörtern wie „Café” zum Beispiel, obwohl man das ja zunehmend „Caffè” schreibt - und der ist dann meistens „to go”). Immerhin: gut, dass wir sie problemlos tippen können!

die Rücknahmetaste (auch TippEx-Taste). Für manche die wichtigste Taste überhaupt!

* Asterisk (kein Druckfehler!). Ein Sternchen, das für vieles steht. Es ist das klassische Zeichen für Fußnote. Es ist auch ein Zeichen für den Lebensanfang „Hölderlin (* 20. März 1770 in Lauffen am Neckar; † 7. Juni 1843 in Tübingen).” Als ich das letzte Mal in Goethes Geburtshausin Frankfurt war (lang her), war sein Geburts-Zimmer markiert mit einem Stern aus Goldpapier. Das nur nebenbei. 
Wichtig ist seine Funktion als „wild card”: Bei Suchoperationen in der EDV ist es Platzhalter für das, was man nicht kennt. In der Etymologie steht es für erschlossene Formen, z.B. die Urform eines Wortes, die aus Lautentwicklungs-Gründen so geheißen haben muß, auch wenn kein Beleg dafür existiert. So glaubt man zu wissen, dass das indoeuropäische Wort für Schaf *owis gelautet haben muss, denn das lässt sich zurück erschließen.

+ plus, wie gesagt

~ daher Ma~ (okay, I couldn’t let that one pass...) Man kennt die Tilde aus dem Wörterbuch; da steht sie als Platzhalter für den immer wieder gleichen Oberbegriff. In der Mathematik steht die doppelte Tilde für „ungefähr, annähernd”, und in Sprachen wie dem Portugiesischen steht sie für die Nasalisierung des Vokals, auf dem sie liegt. São Paulo. Im Spanischen andererseits liegt sie auf dem ‚n’, das dann ‚nj’ gesprochen wird: Señor.

' Apostroph, kein Akzent! Er markiert eine Auslassung (Ellipse), wie zum Beispiel bei „Das ist Hans’ Fahrrad” - für „Hansens”. Den Apostroph beim Genitiv sollte man – außer in solchen Fällen – generell meiden, beim Plural ist er ein Gräuel. Aufgemerkt: Es heißt nicht „Juliane’s Kindermoden” und erst recht nicht „2 Kilo’s Kartoffeln”!

# wichtig als hashtag bei sozialen Netzwerken: erleichtert die Suchbarkeit von Präferenzen. Und sonst? Das anglo-amerikanische Nummernzeichen, das wir bisher auch nicht recht vermisst hatten. Jedenfalls kann man jetzt „The #1 New York Times Bestseller” originalgetreu schreiben.

< und > größer und kleiner Zusammen mit einem Bindestrich schriebt der Computer automatisch → einen Pfeil: nützlich!

| wird gern übersehen: nützt's was? Naja, wenn man z.B. einen Duden schreibt, ist es ganz sinnvoll, die Trennfugen eines Wortes zu markieren; mit dem „senkrechten Strich” geht das so: „wie|de|rum <Adv.>”... Ansonsten...

. , ; : sind normale Satzzeichen, gewissermaßen die Klassiker. Ich werde hier den Teufel tun, die ganzen Feinheiten zu erklären.

- ist – je nachdem, ein Binde- oder ein Gedankenstrich. Zur Not auch ein minus und ein bis. Und natürlich ein Trennzeichen. Die verschiedenen Funktionen hatten in der guten alten Bleisatz-Zeit unterschiedliche Längen; jeder Setzer kannte den Unterschied. Wir verwenden unterschiedslos den „Viertelgeviertstrich.”
An dieser Stelle muss ich gestehen, dass mir das überambitionierte Schreibprogramm, das ich benutze, sofort den ganzen Abschnitt einrückt, wenn es am Anfang einen Gedankenstrich wittert, und würde das auch beim nächsten tun, wenn ich nicht einschritte. Das nervt furchtbar!

_ ist der Unterstrich, aber nicht zum Unterstreichen.

Dann gibt's noch Ctrl: für Control-Freaks (ansonsten auch Strg.); damit ließ sich die Funtionalität der Tastatur noch um einiges erweitern; es gibt dafür noch zwei weitere Tasten, die Alt bzw. AltGr: viele Tasten sind mehrfach belegt, und in Kombination mit Ctrl, Alt und AltGr kann die Tastatur sehr viel mehr, als beste Schreibkraft mit der guten alten Schreibmaschine je konnte. Meine hatte Typenrad (und ich hatte damit zwei Schriften, eine regulär und eine kursiv), und Korrekturband gab’s auch schon. Das war’s dann aber auch.

Den Tabulator ( ← bzw, → ) sollten wir noch erwähnen; der Name kommt von „tab[ulator] key”, also „Taste zum Erstellen von Tabellen”, und so etwas geht tatsächlich einfacher mit dieser Taste. Das gab’s schon bei mechanischen Schreibmaschinen und war eine großartige Funktion.

So. Und jetzt noch ein kurzer Blick auf etwas ganz anderes: auf die Unterschiede bei der Tastaturbelegung in anderen Sprachen. Die werden zum Beispiel bei der isländischen augenfällig:



Es ist ja ganz logisch, dass Tastaturen voneinander abweichen, je nach Sprache. Und wenn es mit Akzenten nicht mehr getan ist, wenn die Sprache eigene Buchstaben hat – wie im Deutschen das ä, ö, ü und ß – ist es sinnvoll, wenn diese Zeichen auf der Tastatur auch vorkommen. Das isländische Layout z.B. hat nicht nur (im Vergleich zum deutschen) Y und Z vertauscht; generell sind einige Akzente und Satzzeichen (z.B. das ?) nicht da, wo wir sie suchen würden; das Ö ist in der obersten Zeile usw. Interessant ist auch die Taste ganz oben links: neben dem ° (bzw. darüber) hat sie das Trema, also unsere Punkte auf den Umlauten! Und natürlich gibt es Tasten für die isländischen Laute Æ (æ) Đ (đ) und Þ (þ) (in Klammern die Kleinbuchstaben)

Fußnoten zu Anführungszeichen
  1. Im Amerikanischen sagt man gerne ”quote / unquote” - aber die ”quotes”, die Anführungszeichen, setzt man nur oben.
  2. Im britischen Englisch setzt man für normale Zitate in der Regel einfache ’quotation marks’, für Zitate im Zitat dann die doppelten; im Amerikanischen ist es gerade umgekehrt!

Samstag, 16. Februar 2013

Kapitale Sachen

"Haupt|stadt, die [mhd. houbetstat]: [größte] Stadt eines Landes, in der sich der Regierungssitz befindet (Abk.: Hptst.)." Da macht es sich der (CD-ROM) Duden (5.1.0.0. von 2006) nun doch etwas zu leicht: Was ist, wenn die größte Stadt nicht Regierungssitz ist? (Wahrig ist übrigens auch nicht besser). Online ist man da etwas vorsichtiger: "[politisch bedeutendste] Stadt eines Landes, in der sich (in der Regel) der Regierungssitz befindet; Abkürzung: Hptst". In der Regel! Welche Regel?

Zweiter Versuch: Gablers Wirtschaftslexikon: "Hauptstadt; wirtschaftliches, politisches und kulturelles Zentrum eines Landes (Steuerungszentrale). V.a. zentralistisch strukturierte Staaten und viele Entwicklungsländer weisen eine Metropole auf, die in Größe, Bedeutung und Reichweite ihrer Funktionalität allen anderen Großstädten überlegen ist (z.B. Paris, Lissabon, Athen, Wien, Kairo, Lagos, Teheran, Buenos Aires); dem Föderalismusprinzip folgende Bundesstaaten (z.B. Deutschland, Schweiz) verfügen über keine ausgeprägte Metropole".

Man merkt: Es ist nicht immer leicht, etwas zu definieren, das man (trotzdem) ständig im Munde führt. Die Sache ist allerdings tatsächlich verzwickt, und auch die Gabler-Definition ist längst nicht so genau, wie sie aussieht. Hier seien noch ein paar weitere Aspekte zusammengetragen:

Die Hauptstadt
  • ist nicht immer Regierungssitz (Bonn, Den Haag), in Bolivien ist die Hauptstadt Sucre, La Paz ist der Regierungssitz; in Malaysia ist Kuala Lumpur die Hauptstadt; Regierungssitz ist Putrajaya)
  • Manche sind 'Plan'hauptsstädte, wie etwa Brasilia, Islamabad (die Hauptstadt von …. na? - Pakistan; vorher war es Karatschi, und Lahore ist mit 7 Mio Einw. weit wichtiger), Abudja (und nicht Lagos) oder, um ein noch neueres Beispiel zu nennen, Naypyidaw (in Burma, aber das heißt ja jetzt auch Myanmar).
  • Das gilt letztlich auch für Hauptstädte, die auf Bundesterritorium liegen (ergo keiner Provinz, keinem Bundesstaat angehören, wie Canberra oder Washington D.C., die kanadische Hauptstadt Ottawa liegt in der Provinz Ontario (und sie ist auch Regierungssitz). Washington wurde bewußt zwischen Maryland und Virginia auf "federal territory" (eben jenem D.C:, dem District of Columbia) aus dem Boden gestampft; so liegt es auch zwischen Norden (Maryland) und Süden (Virginia) und gehört mithin keinem Bundesstaat und keiner politischen Seite (der Bürgerkriegsparteien) an.
  • Manche Hauptstädte werden bewusst "in die Pampa" verlegt; ein schlagendes Beispiel hierfür ist Astana, die Hauptstadt von Kasachstan. Diese Funktion hatte bis 1997 das so schön benannte Almaty, oder Alma Ata ("Großväterchen Apfel": ernsthaft!). Astana hieß vorher übersetzt "weißes Grab", jetzt heißt es "die Hauptstadt". Na schön. In die Pampa verlegt wurde übrigens damals auch Bonn, als vorläufige Hauptstadt der Republik. Und weil Adenauer es so wollte (er stammte aus Rhöndorf, das war gerade mal 20 km entfernt! Der Heimatort Nursultan Nasarbajews, des Despoten von Kasachstan, liegt hingegen deutlich näher an Almaty als an Astana (das ist über 1000 km entfernt!) Er muss andere Gründe gehabt haben)
  • Abudja ist seit 1991 Hauptstadt von Nigeria; manche andere Hauptstädte in den Entwicklungsländern sind nicht die, die zu Kolonialzeiten der Sitz der Kolonialverwaltung waren. Irgendwie schon nachvollziehbar: Die Zäsur soll von Dauer sein, und die neue Hauptstadt soll ganz die eigene sein, ohne fremden (d.h.: europäischen) Einfluss. Das gilt für Naypyidaw, das Rangun ersetzte (ihm "den Rang ablief" wäre beinahe ein Kalauer), genauso wie für Islamabad. Deswegen ist auch Rio de Janeiro nicht Hauptstadt Brasiliens (obwohl das mit der kolonialen Vergangenheit in Brasilien hochkompliziert ist).
  • Dann wiederum gibt es Haupt- und Residenzstädte, wo ein Herrscher durch seine Präsenz (bzw. durch das Vorhandensein einer Residenz – eines Schlosses) einen Ort zur Hauptstadt macht; so war nie – solange es Frankreich gibt – ein Zweifel daran, dass Paris die Hauptstadt ist, und zumindest seit Wilhelm dem Eroberer ist London ganz Hauptstadt im Sinne der Gablerschen Definition. Die Sache kann aber komplizierter sein: vgl. den Wechsel von Kyōto nach Edo (heute: Tokio) in Japan; für die Kaiser des Hlg. Römischen Reiches Deutscher Nation gab es ohnedies nur temporäre Hauptstädte (die Pfalzen) und, von Kaiser zu Kaiser wechselnd, bevorzugte Schwerpunkte ihrer Aktivitäten.
  • Was ist die Hauptstadt der Republik Südafrika? Pretoria. Nur: das Parlament ist in Kapstadt, und die obersten Gerichte in Bloemfontein. Was wäre die Hauptstadt eines geeinten und einigen Europa? Brüssel? Straßburg? Luxemburg?
  • Ein Schmankerl zum Schluss: Wie heißt die Hauptstadt Österreichs? Wien (1) – ja klar, aber: "Wien, Wien, nur du allein...?" (2) Eben nicht: zumindest, wenn wir vom k. u. k. Vielvölkerstaat der Habsburger-Donaumonarchie sprechen, die mit dem Ersten Weltkrieg ein abruptes Ende fand. Denn: neben Wien war da noch (das böhmische [= tschechische]) Prag, (das königlich-ungarische) Budapest, Laibach [heute Ljubljana] , (die Hauptstadt des Herzogtums Krain (3)), Agram – heute Zagreb (Kgr. Kroatien und Slawonien), und so weiter und so fort. Je nachdem, wie genau man es nimmt mit Galizien, Kärnten, Tirol, Triest...

Fußnoten
  1. - Wien auf deutsch (bzw. Wean, wenn man's richtig ausspricht)
    - Bécs auf ungarisch (und Beč auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch:Беч)
    - Vídeň auf tschechisch
    - auf jiddisch וויען (Wien) und
    - Vienna auf italienisch
  2. Wie es in dem beliebten Wienerlied von Rudolf Sieczyński heißt.
  3. daher "Oberkrainer"; Oberkrain ist mit Unter- und Innerkrain Teil des heutigen Sloweniens, und z.B. am Bleder See ist es heute noch wie dahaam in Österreich.
Nachtrag: Interessant ist in diesem Zusammenhang der Vergleich mit englischen Äquivalenten, von denen besonders drei als der 'Normalfall' gelten dürften: capital, metropolis und main city. Während das letztere rein beschreibend ist, erläutert das OED (u.a.), dass metropolis " a very large and busy city" sei, der Duden merkt dazu an, eine Metropole sei "Weltstadt; Hauptstadt (mit weltstädtischem Charakter)". Die Website helpster.de erinnert daneben daran, dass "eine Metropole... eine Einwohnerzahl im Spektrum von 1 bis 10 Millionen Menschen" umfasst. Außerdem zähle "die wirtschaftliche Wertigkeit einer Stadt". (Städte mit über 10 Mio. Einwohnern nennt man Megastädte, doch das gehört nicht hierher.) Bleibt noch capital, die Kapitale: die de jure Hauptstadt vor allem im politischen und administrativen Sinn. Ähnlich ist auch in anderen Sprachen, etwa im Französischen, Italienischen oder Spanischen, das Wort für Hauptstadt auch capital[e]: die Kapitale ist, wo das Kapital sitzt. (also wäre Frankfurt/M.  die logische Hauptstadt Deutschlands?)

Ein unlängst erschienener Roman von John Lanchester, der in und von London handelt, spielt mit der doppelten Bedeutung des Titels: der Hauptstadt und dem Kapital. Hauptstadt ist, wo das Geld sitzt. Das Buch heißt – natürlich – Capital.