Mal was über Orange.

Orange?

Mittwoch, 7. Mai 2014

wie versprochen: was zum Basteln:


Kitchen Mysteries

Mysteriöses geschieht täglich: Angenommen, aus Hühnereiern schlüpfen gleich viele männliche wie weibliche Küken – wieso gibt es dann so viele Brathähnchen und so wenige Suppenhühner? Was sind überhaupt die chicken in Chicken Wings (&Chicken Otherthings) – sind das die Weibchen? Fragen über Fragen!

Wissen Sie, was ein Hammel1 ist? Laut Duden online
1a -verschnittener Schafbock
1b - Kurzform für: Hammelfleisch
2 - (derb abwertend) dummer, einfältiger, grober Mensch (oft als Schimpfwort).

Anders gesagt: ein kastriertes männliches Schaf. E.Gorys Küchenlexikon präzisiert noch und informiert uns, dass „gastronomisch“ jedes Schaf bis 2 Jahre ein „Hammel (im Engl. mutton)“ ist, mit Ausnahme von weiblichen Alttieren und Böcken (Widder). Noch gastronomischer gesprochen: Alles was Schaf war ist „Lamm“, bis man den Bock rausschmeckt; ab dann ist es Hammelfleisch, und das isst heute keiner mehr. Daher Lamb Curry; ein Mutton Curry ward noch nie gesehen, denn, wie die englischsprachige Wikipedia schreibt, mutton ist im Vereinigten Königreich „hard to find“ und bei uns, die wir keine großen Schafesser sind (“oligo-ovivoren“ könnte man sagen), gleich gar nicht.

Geflügel ist nicht Federwild; ein Hausschwein ist ja auch kein. Wildschwein. Federwild jagt man, und wenn zu viel Schrot im Vogel gelandet ist, eignet selbiger sich nur noch zu Haschee oder Ragout. Die Rede ist von 

Wachteln 2, Bekassinen3, Schnepfen, Rebhühnern und Fasanen. Geflügel, das sind Gänse und Enten, Hühner, Truthähne und Tauben. Da letztere ein eher unnützes Getier sind, lassen wir sie hier weg;. Der Truthahn ist der Amerikaner unter den Flügeltieren (typisch: bigger and better) und heißt auch Puter (Pute wenn ♀, in der Schweiz auch Trute), im Englischen turkey, da man früher glaubte, er käme von dort (Turkey ist die Türkei). Coq d'Inde sagen die Franzosen, da sie ihn in Indien als Heimat verorten.


Die Ente gibt einen guten Braten, die Gans fast noch mehr, schon allein weil sie größer ist. Ansonsten teilen sie ein grausames Schicksal: Sie werden von Feinschmecker-Handlangern gestopft (oder „genudelt“. In Frankreich, wo dergleichen heute noch praktiziert wird – v.a. im Périgord – nennt man das « gavage »), d.h. wortwörtlich mit einem Nahrungsbrei gewaltsam (« forcé ») vollgestopft, bis ihre Leber krankhaft vergrößert ist, et voilá: foie gras! Ach ja: Bon appétit! Ein anderes Schicksal, das Enten und Gänse teilen: Sie enden oft als „Pfeffer“. Das ist ein Ragout aus sonst nicht verwertbaren Teilen des Vogels, vor allem den Innereien.

Dazu reichen wir einen Sherry.

als Kochen noch so richtig Arbeit war

Das beliebteste Geflügel ist jedoch nach wie vor das Huhn, bzw. der Hahn. Das männliche Tier wird mitunter kastriert, gemästet und wird zum Kapaun: zart und saftig. Übrigens: einen Jungvogel mit ca. 500g, technisch gesehen ein Küken (ein sog. „Stubenküken“) kann man schon auch essen, aber man muss auch nicht. Ist eh‘ nicht viel dran. Ein noch relativ junges Hühnchen (♀!) wächst, so man es lässt, zur Poularde heran; irgendwann ist es zu alt, quasi ein Sozialfall, und taugt nur noch als Suppenhuhn. Wo bleibt aber der Suppenhahn? werden Sie fragen.
In dem Alter ist das ohnehin egal.

Bleibt nur noch die eingangs gestellte Frage nach dem chicken. Was ist das, und kann man das essen? Googelt man den Begriff auf Chefkoch.de - Deutschlands beliebtester Kochseite (Eigenwerbung), erscheinen jede Menge indische Rezepte und etliche von ähnlich „exotischer“ Provenienz. Es scheint naheliegend, dass diese Gerichte schon allein deswegen „Chicken Somethings“ sind, weil wir sie vermittelt über die englische Sprache kennenlernten, von der indischen Cuisine bis hin zu Ketucky Fried Chicken. Nur sagt das rein gar nichts über das Geschlecht dieser Vögel aus.
Vielleicht ist auch das eigentlich egal...

...nur noch die Fu0noten...

1  Für die Österreicher unter uns: Schöps
2  100g Vogel; ist ca. 20 cm lang.und legt Eier, von denen man 6 essen muss, um die einem Hühnerei entsprechende Menge abzubekommen. Beim Kochen der Eier empfiehlt sich, sehr genau vorzugehen: 3 Minuten sind genug. Man solte wöhrend des Kochens ständig umrühren, sonst bleibt der Dotter nicht in der Mitte.
3  Vergessen Sie Bekassinen. Das war eine Schnepfenart, die früher viel bejagt wurde und inzwischen in Deutschland weitgehend ausgestorben ist. Andererseits, wie songt doch der schwedische Anakreontiker Carl Michael Bellman ( 1740–1795) so schön? Hvila vid denna källa,/ Vår lilla Frukost vi framställa/ Rödt Vin med Pimpinella/ Och en nyss skuten Beccasin. Eben!

Convenience Food: bequem kochen, bequem essen...

Dienstag, 1. April 2014

Hottentotten und andere Kanaken


Barbaren; sind (bei den alten Griechen) die, die der zivilisierten (d.h. griechischen) Sprache nicht mächtig sind. Das Fremde ist das Fremdsprachige, und die so reden sind per definitionem primitiv.
Welsch: sind die, die keine zivilisierte Sprache (=unsere) sprechen (. Welschschweizer z.B sprechen kein korrektes Schwyzerdütsch, sondern Französisch. Übrigens ist der Name des Fürstentums Wales auch hiervon abgeleitet; Wælisc bedeutete „nicht Angelsächsisch”)
Goi, Gadscho: keiner von uns (vgl. „Saupreiß, boarischer!”); (Goi ist Jiddisch, Gadscho ist Romani.). Tschuschen sind slawische Ausländer in Österreich. Orginellerweise ist Gaijin - kein Japaner. Und so fort...

Auf den britischen Inseln nennen die vier Nationen einander gern mit Kosenamen Jock, Paddy, Taffy (Schotte, Ire und Waliser), aber ausgerechnet für den Engländer gibt’s nix (auch nicht Limey, - das waren mal, vor ewigen Zeiten, die englischen Matrosen; Tommy war - besonders im ersten Weltkrieg - der Name des Feindes aus dem „perfiden Albion”.) Nun heißt der Schutzheilige der Engländer George, aber Georgie für den Angelsachsen klingt albern.
Die Amis sind: Yanks (Yankees; südlich des Rio Grande auch Yanquis. Südstaatler empfinden übrigens Yankee als nicht sehr freundliche Bezeichnung für Leute, die eben nicht aus dem Süden sind, Gringos heißen sie dort auch, wenn schwarz: Nigger (man sollte nicht mehr warnen müssen vor dem N*-Wort), neu – über den Grenzfluss eingewanderte sind Wetbacks, Weiße sind übrigens in Amerika -ganz offiziell!- Caucasians, also allen Ernstes Kaukasier. Also Leute wie Tschetschenen oder Dagestaner. Die gelten übrigens in Russland als „schwarz”, d.h. (südländische)) Exoten.Und außerdem sind Amerikaner halt noch Amis.

Wir Deutschen sind: je nach Perspektive, Fritz, Kraut, Hun(ne), Jerry, Boche, Piefke und werden im Ausland nicht immer geliebt.

Ein kurzer Blick nach Afrika:
Hereros: wurden 1904 Opfer eines Genozids durch deutsche „Schutztruppen” (85 000 Tote). Kaffern sind ein Bantu-Volk; „Kāfir” heißt eigentlich der Nichtmuslim; besonders in der Zeit der Apartheid war es ein gängiges Schimpfwort. Hottentotten war ein gebräuchlicher Name für die namibischen Khoisan; (Letztere, im Volksmund früher oft Buschleute genannt, sind die mit den ”click sounds” in der Sprache.) Hottentotten ähneln Buschleuten, sind aber keine. Vor allem aber war das Wort (H.) immer herablassend gemeint – im Gegensatz zu Herero, warum auch immer {Theorie-Ansatz: Hottentotten klingt kindisch, Herero fast wie Heros, der Held...? Andererseits ist diese Theorie angesichts des Genozids völlig absurd})
Kanaken ist hawaiisch für „Mensch”; wie es zu einem Schimpfwort für einen [südländischen] Gastarbeiter werden konnte, erschließt sich nur wenig. Wer hat in Deutschland denn schon einmal einen Südseeinsulaner – solche bezeichnet das Wort eigentlich - gesehen?

Zigeuner bleibt Zigeuner, und der Russ ist eh schon einer. Will sagen: Sinti- und Roma-Schnitzel wird es nie auf die deutsche Speisekarte schaffen, und der Russ ist schon schlimm genug, da braucht’s keinen anderen Namen. Wie sangen doch die Biermösl Blosn schon in den 80ern?: „Der Russ der kimmt, der Russ der kimmt, der Russ der kimmt, des is ganz g’wiss, ja weil der Russ’, ja weil der Russ’, ja weil der Russ’ ein Russe ist!“ Eben.

Noch ein paar vergleichsweise fast anheimelnde Beleidigungen

Mohren sind schwarz, das wissen wir seit Struwwelpeter. Außerdem gab’s mal des Sarotti-Mohren. Der war putzig, schwarz und hatte Kulleraugen. Die Farbe ist immer noch aktuell: vgl. „Schwarzafrika” - neben „Afrika südlich der Sahara” immer noch gebräuchlich.
Schlitzaugen (kommt vom Reisfressen; auch. „die Gelbe Gefahr”) hört man heute seltener, denn die Gelbe Gefahr ist vor allem wirtschaftlich gefährlich, und sie ist längst da. Exotischere Ethnien werden summarisch abgehandelt: Rothäute zum Beispiel: Wir haben Völker; die haben Stämme.
Und was ist mit den Kümmeltürken? Ätsch, reingefallen. Da ist kein Muselmane gemeint, sondern ein Student (!) aus der Umgebung von Halle (!). Das war nämlich ein wichtiges Anbaugebiet für – naja, Kümmel halt. Und der Kümmeltürke ist ein Studentenwitz.

Noch ein Fremdwort zum Thema Fremde: Ethnophaulismus. Das ist eine „abwertende Fremdbezeichnung für eine Volksgruppe oder Ethnie”; auf Englisch: ethnic slur.

Kommt nochwas?
Ein fröhliches Lied aus der Frühzeit des Kabaretts - den Tagen der Weimarer Republik. Wer das Lied heute kennt, wird es in der Fassung von Max Raabe kennen und ihn für den Autoor halten. Der Urheber war aber ein von den Nationalsozialisten verfolgter Jude, der einstmals sehr und mit Recht populäre Friedrich Holländer:

Ich laß mir meinen Körper schwarz bepinseln
Friedrich Holländer - Bild: Wikipedia


Ach wie herrlich ist es in Paris 




die Frauen sind so süß



und dennoch ist mir mies



Jeden Abend Smoking oder Frack



So geht das Tag für Tag



das ist nicht mein Geschmack!!




Ich lass mir meinen Körper



schwarz bepinseln schwarz bepinseln

 

und fahren nach den Fitji Inseln -



nach den Fitji Inseln!




Dort ist noch alles noch pardiesisch neu



Ach Wie ich mich freu - Ach Wie ich mich freu

 

Ich trage ein Feigenblatt mit Muscheln Muscheln Muscheln



und geh mit ner Fitschi-Puppe



kuscheln kuscheln



Von Bambus richte ich mir ne Klitsche ein 



ich will ein Fitschi - will ein Fitschi sein!!

A propos Fitschi (heute Fiji): Das Staatsoberhaupt der Fiji-Inseln ist – Queen Elizabeth II.


Dienstag, 4. März 2014

Die Auvergne in Paris





Als die ersten Auvergnaten in Paris siedelten – in größerer Zahl ab etwa dem 17. Jahrhundert -, verdienten sie ihren Lebensunterhalt als Scherenschleifer, Wasserträger und durch den Verkauf von Kaninchenfellen. Doch die Gemeinschaft der auvergnats in Paris wuchs erheblich, besonders nach dem Bau einer Eisenbahnlinie nach Rodez in Südfrankreich (1860) und auch deshalb, weil für den radikalen Umbau der Hauptstadt durch Baron Haussmann große Massen an Arbeitern gebraucht wurden.
Das 11. Arrondissement

Die Auvergne, eine Region im Massif Central, war (und ist) eine zwar von Natur aus reizvolle, aber eher arme Region. So kamen sie zu Zigtausenden, nicht nur, aber besonders aus der Auvergne in die Hauptstadt. Und anders als andere Bevölkerungsgruppen siedelten sie nahe beieinander und bestärkten einander gegenseitig, dasss man nur eine Zeit in Paris bleiben wollte, und dass man zurrückkehre, irgendwann.

M.Rascalou spielt die Cabrette
Sie waren eine sonderbare Gemeinschaft. Das Klischeebild des Auvergnats, eher klein, dunkel(haarig) und mit Schnurrbart, entsprach nicht dem Selbstbild des Parisers. Nicht nur, dass sie sich in überwiegender Mehrzahl in derselben Gegend niederließen (11. Arrondissement, d.h. etwa zwischen Bastille und dem Friedhof Père Lachaise), und das auch noch entsprechend den Regionen der Heimat, sieunterhielten auch in Paris noch ihre sozialen Netzwerke. Sie pflegten auch hier ihre traditionelle, ländliche Lebensweise, tanzten die Tänze aus dem Zentralmassiv und spielten den hergebrachten Dudelsack, die Cabrette. Sie sprachen auch ihre eigene Sprache, die langue d’oc aus dem Zentralmassiv. Da sie zusammenhielten und auch in Paris als Auvergnats lebten, waren sie im 11. Arrondissement sozusagen eine Auvergne im Kleinen.


Sie waren nicht alle wirtschaftlich erfolgreich; manche eben doch, und viele von diesen betrieben kleine Kohlehandlungen, die gleichzeitig als Cafés oder als Bars dienten. Daher auch der Name: cafés-charbon. Warum die Cafebetreiber aus der Auvergne auch noch ausgerechnet Kohle verkauften, ist nicht ganz leicht zu eruieren. Unter den, wie man heute sagen würde, Migrantengemeinschaften scheint sich ein gewisses Maß an Spezialisierung herausgebldet zu haben. Warum dies bei den Auvergnats ausgerechnet Kohlehandel war, ist nicht so einfach zu erklären. Es ist ja nicht so, dass die Auvergne ein klassisches Kohlerevier gewesen wäre. Von Mineralwasser und Taschenmesser bis hin zu Gummireifen (Michelin) sind dort zu Hause, Kohle nicht.
Jedenfalls wurden diese cafés-charbon zur Urform der für Frankreich, und besonders für Paris, so typischen Bistros. Mindestens eins von ihnen pfegt diese historischen Ursprünge sehr bewusst:
Café Charbon
109 rue Oberkampf
75011 Paris

In den 80er Jahren gab es eine Folkgruppe dieses Namens, ein Trio, bestehend aus Geige, Cabrette und Drehleier (vielle à roue), die zum erklärten Ziel hatte, „de jouer et mettre en valeur le répertoire traditionnel collecté au sein de la capitale”(wie es in dem Miniartikel der französischen Wikipédia heißt).





Sonntag, 16. Februar 2014

Mammon, schnöder – aber warum Kohle?

Abgesehen von Flüchen und vulgären Beschimpfungen gibt es wohl kein Gebiet, auf dem es so viele Synonyme gibt wie Bezeichnungen für Geld. Die Rede ist hier von Knete, Sie wissen schon: Pinkepinke, Moos, Penunzen. Kies halt, oder Cash, wie man manchmal sagt (1). Moneten. Mammon. Der eine nennts Flocken, der andere Schnee. GanzAltBundeskanzler Kohl nannte es Bimbes. NichtGanzsoAltBundeskanzler Schröder gibt sich wohl kaum mit Bimbes zufrieden: da muss dann schon der Rubel rollen.
Aber Kohle? Wieso Kohle – das brennt doch nicht! Es ist auch nicht schwarz und wird nicht unter Tage abgebaut. Das ist ganz sicher ein Slangwort. Wenn aber Slang doch normalerweise dazu verwendet wird, innerhalb einer Gruppe den Zusammenhalt derselben zu stärken und außerdem Leute von außerhalb auf Distanz zu halten, dann stellt sich hier die Frage: Wer willl hier wen wo raushalten, warum und wie? Wenn es kein Slang ist – was soll dann so ein absurder Ausdruck? Und bedenken Sie: Erst wenn Sie im Slang der Banker und Finanzfachleute zu Hause sind, gehören Sie so richtig dazu.
Zweiter Anlauf. Man kann das Ganze natürlich sprachgeschichtlich betrachten wollen, etwaige verwandte Formen in anderen, verwandten Sprachen suchen, aber nix! : Weder heißt im Englischen das Geld coal, noch charbon im Französischen. karbo auf Esperanto – hätte man sich ja denken können – heißt auch nur „Heizmaterial”, nicht „Geld”. Also auf zum Grimmschen Wörterbuch! Die fühlen sich bei den germanischen Wurzeln von Kohle, also etwa kol, chol und schwedischen, isländischen und sonst walhallakompatiblen Entsprechungen an kalt erinnert. !! Warten Sie; ich zitiere: „für den ursprung liegt der gedanke an kalt, kühl nahe, bei deren stamme kol äuszerlich gute unterkunft fände (s. sp. 512 mitte), die kohle müszte als erkalteter oder erkaltender brand aufgefaszt sein. aber...” dann merken sie doch, wie absonderlich das klingt und reden von „das glimmende, glühende”, aber unter uns: Wer solcher Assoziationen fähig ist, kennt ein Slangwort wie „Kohle” gewiss auch nicht. Weder Lutz Röhrig mit seinem ansonsten so nützlichen Wörterbuch der sprichwörtlichen Redensarten weiß mehr als die Grimms, noch hilft Kluges Etymologisches Wörterbuch besonders weiter. Was wir jetzt noch haben, sind eigene Theorien.
Dritter Anlauf: Was uns in der Fachliteratur auffällt, sind die häufigen Bezugnahmen auf die Gaunersprache. Die speiste sich ja bekanntlich aus vielen Quellen, aus dem Jiddischen wie dem Polnischen, ja gar exotischen Sprachen wie z.B. dem Französischen. Und dann heißt es doch meistens „Die weitere Herkunft ist ungeklärt.” Nur eins scheint klar: Geld war den Gaunern so wichtig, dass sie ständig neue Wörter dafür erfanden. Und zwar nicht „Anlagevolumen” oder „Dispositionskredit”, „Finanzrahmen” und sowas – das ist keine Gaunersprache, das ist eine Fachsprache ganz anderen Kalibers! Und die reden ohnedies nicht von Kohle.
Was uns noch aufgefallen ist: Es gibt auch Wörter wie Kies oder Schotter, neben denen Kohle verhältnismäßig unauffällig ist, bzw. gute unterkunft fände,wie Freunde von mir sagen . Auch wird Asche gern als Synonym für Geld gebraucht. Auch da ist die Kohle nicht fern.
Ergänzung: Das ist jetzt alles nicht allzu befriedigend, zumal ich natürlich auch zugeben muss: „die weitere Herkunft ist ungeklärt”. Aber: Ist Kohle nicht anderseits recht passend, wo das Wort doch an den Bergbau denken läßt, an rauchende Schlote und überhaupt an die Blütezeit der Schwerindustrie in diesem Land und damit eine Zeit – die Gründerjahre zwischen der Reichsgründung 1871 und dem Ersten Weltkrieg - in der viele der großen Vermögen entanden, die der Krupps, Thyssen und wie sie alle hießen. Und kein Wunder, dass sie alle in der Krise sind: Die Kohle, die heute wirklich zählt, ist virtuell: buchhaltérische Verschiebungen von Vermögen, Kontobewegungen, Schwarzgeld in Nummernkonten und karibischen tax havens. Die Kohle ist schon lange verbrannt.

Fußnote:
Bei der Lektüre klassischer chinesischer Romane wie etwa Die Räuber vom Liang Schan Moor oder Der Traum der Roten Kammer in der auch schon klassischen Übersetzung von Franz Kuhn (Zwanziger bis sechziger Jahre) ist oft von einer Währungseinheit die Rede, den sogenannten Tausend-Käsch-Schnüren, bei denen die Assoziation Cash naheliegt. Und vielleicht heißt Käsch ja auch Kohle, wer weiß...

Samstag, 8. Februar 2014

Gewürze & Kräuter & Co



Manchmal, wenn ein Konflikt nicht anders zu lösen geht, schicken wir jemanden dorthin, wo der Pfeffer wächst. Das soll heißen, mach, dass du fortkommst, so weit weg, wie es irgend geht. Nur – wo ist das eigentlich, wo der Pfeffer wächst? Da es eine Pfefferküste gibt – auch Malabarküste – suchen wir dort zuerst. Tatsächlich geht die Wissenschaft davon aus, dass die Pfefferpflanze dort ihren Ursprung hat. Wir befinden uns übrigens an der Südwest-Spitze des indischen Subkontinents; die Leute, die hier wohnen sprechen Kannada, manche Malayalam, und sie schreiben auch noch eigenartig anders. Aber der Pfeffer wächst immer noch hier, auch wenn Länder wie Vietnam, Indonesien oder Brasilien schon lange zu den wichtigen Produzenten des Gewürzes gehören.
Aber (nun kommt’s!) Wenn der Mensch, den wir dorthin geschickt haben, wo der Pfeffer wächst, es mit einer Schiffsladung Pfeffer heim nach Europa schafft, ist er auch heute noch ein reicher Mann. Früher nannte man reiche Kaufleute „Pfeffersäcke”, denn wer Pfeffer hat, hat Geld, und bei einer gepfefferten Rechnung geht es um hohe Summen.
Koriander: entweder man mag ihn, oder man entfernt auch noch das kleinste Fitzelchen des grünen Krauts aus seinem Curry. Wenn man das nicht tut und genau hinschmeckt, stellt man fest, dass er nicht immer gleich schmeckt. Der echte Koriander nämlich, auch Indische Petersilie genannt, hat fein gefiederte Blättchen, die etwas schräg nach Plastik schmecken (Wikipedia sagt, „Der Geruch der Pflanzenteile ähnelt stark dem Geruch der Ausdünstungen diverser Wanzenarten”. Ich rieche nicht an Wanzen. Wiewohl: Ebenderselbe Wikipedia-Artikel leitet „Koriander” vom griechischen Wort für Wanze (Koris) ab. Vielleicht wußten die alten Griechen mehr mit Wanzen anzufangen...). Es scheint auch für indische Lokale gelegentlich einfacher, besagten Koriander (Coriandrum sativum) durch Cilantro zu ersetzen. Das ist jedoch ein anderes Kraut: längliche, weniger gefiederte – eher gezähnte - Blätter und ein herberer Geschmack. Oder wie es die mehrfach erwähnte (deutschsprachige) Wikipedia beschreibt: „die Blätter, verströmen einen intensiven Geruch, der an Korianderblätter erinnert.” Eben!1
Das ist jetzt nur die halbe Geschichte (aber die zweite Hälfte ist kürzer. -?:!!) Koriander gibt es – und so werden ihn die meisten kennen - als Pulver. Das sind eigentlich die gemahlenen Samen, die man natürlich auch verwenden kann: kleine runde Kügelchen, und die kommen ins Curry.2 Steckt man sie in Erde, keimen sie rasch, und man hat das oben beschriebene Kraut. Easy.

A propos indische Küche. Kaum eine Spezialitätenküche kennt so viele Gewürze wie die indische. Noch raffinierter sind die Gewürzmischungen. Wenn man hierzulande ein Curry kochen möchte, nimmt man dazu gern das Gewürz dieses Namens. Damit kann man übrigens Inder schön amüsieren, denn dort gibt es das nicht. Das heißt: Es gibt natürlich einige (Kenner sagen: viele) Curries, wie zum Beispiel Chicken Curry, Lamb curry, Aubergine Curry und so, aber ein Gewürz-Curry gibt es nicht. Keine indische Hausfrau würde sich damit erwischen lassen, die Gewürzmischung für das jeweilige Gericht etwa nicht besonders abzustimmen auf die Hauptbestandteile sowie (Familien)Tradition und den persönlichen Geschmack. Das Grundprinzip ist ein Hit, nicht nur in Indien (sondern auch in Südostasien, der Karibik und eigentlich überall, vor allem im Commonwealth). Dabei gilt: Den Namen haben die Briten erfunden, dabei auch die Vorstellung, es handle sich dabei um Variationen ein und desselben Gerichts, und dafür erfanden sie, was nun naheliegend war, auch gleich die fertige Gewürzmischung. Indische Gaststätten, bsinders der billigeren Variante, heißen in Großbritannien dann auch Curry Houses. In Südindien kennt man auch Curry Leaves (und einen Curry-Strauch), aber das kann man hier weitgehend ignorieren.
Es gibt aber etwas, das der europäischen Idee von Gewürzmischung schon nahekommt, und das ist, wörtlich übersetzt, eine „heiße Mischung”, nämlich Garam Masala. Streng genommen gibt es davon regionale Varianten, aber die Mischung dient in vielen Gerichten als Grundlage oder als Bestandteil der Gewürz-”Komposition”.
Und was ist da drin? Nun, Gewürze, die in den meisten Rezepten der indischen Küche auftauchen, etwa Zimt und Nelken, Kreuzkümmel und Kardamom sowie Pfeffer.

1Andererseits: Cilantro ist in der mexikanischen Küche verbreitet, daher kennt es jeder Amerikaner.
2Sie sind auch ein Hauptbestandteil von Garam Masala.

Dienstag, 7. Januar 2014

Die Merowinger - Les Mérovingiens

Im Jahre 1962 veröffentlichte Heimito von Doderer seine Romangroteske „Die Merowinger oder Die totale Familie”. Darin versucht einer gewisser Childerich, durch raffiniertes Vorgehen in der Heiratspolitik nicht nur sein eigener Schwiegersohn, Vater und Großvater zu werden, sondern dann durch geschickte Adoption auch noch sein eigener Onkel, Schwager und Neffe – er schreckt dabei auch vor nichts zurück. Er scheitert letztlich an der, sagen wir einaml, Unübersichtlichkeit der Familie, und eben das verbindet ihn mit den Merowingern der Geschichtsbücher. Außerdem heißt er auch wie der letzte Herrscher dieses Geschlechts: Childerich.

Da wir beim Thema „Französische Sprache” sind, wird es nicht überraschen, dass die Merowinger ein Königsgeschlecht in Frankreich waren. Andererseits: diese Namen! Merowinger hießen Childerich, Chlodwig, Theuderich und Chlodhar, Dagobert und Childebert. Überhaupt hatten sie endlos viele Namen, die mit Ch- begannen, und keiner von ihnen klingt sonderlich Französisch. Natürlich nicht, könnte man einwenden – das waren ja alles Franken! Oder warum, glauben Sie, heißt dieses Land Frankreich?

Das sind jetzt – als Würzburger Lokalpatriot möchte man fast sagen: leider! - nicht die Franken, wie wir sie kennen. Die heute so genannten Stämme, die Ostfranken im nördlichen Bayern, sind nur ein winziger und nebensächlicher Teil der Geschichte und kommen hier (in diesem Text) auch gar nicht weiter vor (1). „Franken” waren, historisch gesehen, einige germanischstämmige Völker, die in Gallien und Teilen Germaniens das Erbe der Römer antraten. Das Reich der Franken existierte grob gesagt zwischen der Spätantike und dem mittelalten Reich Karls des Großen, a.k.a. Charlemagne.
Die Anfänge der Merowinger liegen im halbmythischen Dunkel, und so unübersichtlich wie in Doderers Roman ging es auch bei ihnen zu, was zu wesentlichen Teilen auch an den zum Verwechseln ähnlichen Namen liegt.

Wir merken uns vorerst nur einen, nämlich Childerich, den Begründer des Merowingerreichs, das aber nach Merowech genannt ist, dem Vater Childerichs – nur eines der Verwirrung stiftenden Details. Dieser Childerich lebte im 5. Jhd. im Hennegau, genauer: in Tournai (heute Belgien); sein Sohn Chlodwig sicherte seiner Sippe das Land nördlich der Loire und stellte die Dynastie auf solide Füße. Der Rest der Geschichte der Merowinger ist Mord und Totschlag, Hochzeiten, Erbteilungen, Streit und Intrigen: finsteres Mittelalter halt. Am Schluss waren die Merowinger ein fast schon eigenartiger Haufen. Sie hatten das „geheiligte” Königtum als Institution (erfunden), trugen lange Haare und hatten, wie erwähnt, Ch-Namen. Was aber sonst?
Was sprachen sie für eine Sprache?

Zunächst einmal: Die (germanischen) Franken sprachen mitnichten Französisch, und genauso wenig sprach das Gros der Bevölkerung Germanisch. Man sprach weiterhin Galloromanisch, die fränkischen Eroberer sprachen Fränkisch, und ein gewisses Maß an Zweisprachigkeit war wohl normal.. Und wie das so geht in solchen Fällen: Übernahmen von Vokabeln und allmählich auch grammatischen Strukturen ergeben sich von selbst. So schätzt man, dass in der Zeit des Frankenreichs einige zig-Tausend Wörter aus dem Germanischen in die Volkssprache gefunden haben, und damit zumindest teilweise ins Französisch. Ein caveat jedoch: Genaues weiß man nicht: weder, wie viele Wörter genau (man schätzt, etwa 10% des frz. Vokabulars stammen aus dem Germanischen), auch nicht, von wem, von den Franken selbst oder von anderen Germanen, etwa Burgundern oder Alamannen. Man weiß auch nicht immer, wann genau ein Wort übernommen wurde, ob im 10. Jahrhundert, oder erst im 19. Jhd vom modernen Deutsch.

Ein weiteres Problem, zumindest für den Laien, ist der Umstand, dass ein Wort in der Sprache, aus der es geborgt wurde, nicht mehr gebräuchlich ist, oder eine inzwischen radikal andere Bedeutung hat. Ein Beispiel: „Krieg” heißt auf (modern) Französisch „guerre”. Die Herkunft aus dem Germanischen sieht man dem Wort nicht an: Es hieß „werra” im Fränkischen, und das moderne deutsche Wort, „Krieg”, ist von letztlich ungeklärter herkunft. „Ble”, das französische Wort für „Weizen” kommt aus dem fränkischen Germanisch, „blad”, was „Mehl” bedeutete. Und so fort. Übrigens: Das Französische verdankt den germanischen Sprachen nicht nur Kriegsvokabular wie „Krieg”, Spieß” und „Rüstung” (kennen Sie eigentlich noch das Wort „Brünne”? Nein? - Sehen Sie!), sondern auch „jardin” („Garten) oder „haie” (Hecke), „bois” und „foret” (beide „Wald”) und, was überrascht, die Farben „bruin, bleu, blond, blanc, gris”. Eine umfassende Liste findet man über Wikipedia (hier).


The story so far (L’histoire jusqu’ici)
Wie wir gesehen haben, wurzelt Französisch in einer keltischen Sprache (Gallisch), vermischt sich mit einem lateinisch geprägten Multi-kulti-Bastarden, dann mit einem germanischen Dialekt und verhilft dem Land dennoch im Hochmittelalter zu einer Rolle als führende Kulturnation. Wie geht denn das zusammen?
Das ist noch nicht alles: Einige Details wurden nur beiläufig erwähnt oder ganz ausgelassen. Darum sei eine punktuelle Korrektur nachgeliefert:
  • Der „germanische Dialekt”, von dem eben die Rede war, ist natürlich Fränkisch (Francique). Daneben kam es auch zur Berührung mit anderen germanischen Sprachen bzw. Dialekten, dem Burgundischen etwa, Alamannisch an der Reheingrenze oder den Westgoten von – ja, Westen her.
  • Im 4. und 5. Jahrhundert etwa siedelten britische Kelten in Armorica (der heutigen Bretagne), die mit den Walisern und den Stämmen in Cornwall verwandt waren. Auch ihre Sprache war keltisch, nicht romanisch, aber auch nicht gallisch.
  • Etwa 450 Jahre später eroberten Wikinger das Land östlich der Bretagne; sie siedelten dort, und ihr Anführer, Graf Rollo, schwor dem König der (West)Franken den Treueeid und wurde dafür mit dem Herzogtum des Gebiets belehnt, das nach Rollos Wikingern „Land der Nord-Männer” heißt: Normandie. A propos Namen: Der Frankenkönig hieß Karl III, oder Charles le Simple. „Karl der Einfältige”. Auch ein schöner Name!
  • Als die von Karl dem tatsächlich Großen beherrschte Welt zerfiel, gab es schon sprachliche Sollbruchstellen. Deren wichtigste war die Grenze zwischen dem romanischsprachigen und dem germanischsprachigen Teil, die ganz grob gesprochen entlang des Rheins verlief. Das tut sie aber nur annähernd: Warum sie weder dem Rhein noch irgendeiner politischen Grenze folgt, die politisch begründet wäre, ist ungeklärt.
  • Die Region Aquitanien im Südwesten, Heimat der Bordeaux-Weine und der Höhlenmalereien von Lascaux, ist nach einem Volk benannt, das dermaleinst eine Sprache sprach, die mit dem Baskischen verwandt war.
    Die erstaunliche Sprachenvielfalt in Frankreich
  • Im Südwesten, wie überhaupt im ganzen Süden, sprach man nocheinmal anders. Ob nun Gaskonisch, Langue d’Oc, Provenzalisch oder Okzitanisch, oder sonst ein Name verwendet wird: Diese Sprachen unterscheiden sich ganz erheblich von den Dialektvarianten der sogenannten Langues d’oil, und besonders die Variante im Osten, das Provenzalische, wurde im Hochmittelalter zur wichtigsten Kultur- und Literatursprache in Europa. Es war die Sprache der Troubadoure und Dichter.
  • Und wir sind erst im Mittelalter!
Aus dem 9. Jahrhundert gibt es ein Dokument, die Straßburger Eide. Es geht darin um eine Absprache von zwei Enkeln Karls des Großen (bzw. Charlemagnes)(und zwar gegen einen dritten!).. Sie sind, und das ist das Besondere, in zwei Sprachen verfasst, offenbar deswegen, weil das Volk in den beiden fränkischen Reichsgebieten, Ost und West, den jeweils anderen nicht (mehr) verstand.

Ab dem 8. Jahrhundert waren die Merowinger ohnehin von den Karolingern allmählich und mit Karl (Charlemagne, wie wir wissen) endgültig und offiziell abgelöst. Dessen Nachkommen wiederum teilten das Reich unter sich auf, und damit endet die gemeinsame Geschichte der Ost- und der Westfranken, welch letztere man jetzt mit Fug und Recht Franzosen nennen kann.

Und die sprachen alle Französisch, und das war’s dann?

Natürlich nicht ganz: Wir sollten uns vielleicht doch einmal kurz die Bretagne anschauen, und – vor allem – die südliche Hälfte des Landes, das heute Frankreich heißt.
Nächstes Mal.

Fußnoten
1 - Im Englischen unterscheidet man zwischen ”Frankish” - der Sprache der Merowinger – und
Franconian”, dem heutigen Dialekt in Unter-,Mittel- und Oberfranken.
2 - Und Zweisprachigkeit ist in den meisten Teilen der Welt heute noch selbstverständlich: schauen Sie mal nach Afrika oder Asien!