Mal was über Orange.

Orange?

Montag, 31. Oktober 2016

Das Lied, die Deutschen


So einfach ist das nicht mit der deutschen Nationalhymne!


Der Text stammt von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1). Er war Germanist (wie z.B. auch die Gebrüder Grimm), Dichter und – nach damaligen Begriffen – ein verdächtiges Subjekt. Er erhielt Berufsverbot, verlor seine (preußische) Staatsbürgerschaft und war jahrelang auf der Flucht. Er stand der Bewegung des Vormärz nahe, Menschen, die davon träumten, ein einiges Deutschland statt der Vielstaaterei zu verwirklichen. Ein Staat für alle freien (!! - das war aufrührerisch und subversiv!) Bürger deutscher Zunge sollte es sein. Als die Bewegung die Revolution versuchte (im März 1848 – daher der Name 'Vormärz'), war Hoffmann allerdings selbst nicht dabei.
Den Text des von ihm schon so benannten "Lieds der Deutschen" schrieb er auf der Insel Helgoland.. Helgoland hatte ein paar Hundert Einwohner, deren Friesisch kaum einer verstand. Friesisch ist kein deutscher Dialekt, sondern eine eigene Sprache!
Helgoland war zu der Zeit britisch (und wurde erst 1890 deutsch; dafür gab das Deutsche Reich alle Gebietsansprüche in Sansibar auf) (2).
Die Melodie wurde komponiert von dem Österreicher Joseph Haydn (3); sie war zunächst die österreichische Hymne mit dem Text "Gott! erhalte Franz, den Kaiser." (4)
Haydns Melodie zu Hoffmanns Text wurde erst 1922 (Weimarer Republik!) Nationalhymne.
Nach dem Krieg wurde der inzwischen peinliche Text der ersten Strophe auf Anregung von Bundespräsident Theodor Heuss (5) in der Bundesrepublik nicht mehr verwendet, sondern nur der der dritten Strophe. Die zweite kennt eh keiner mehr...
Die DDR hatte ihre eigene Hymne, "Auferstanden aus Ruinen" mit dem Text des Genossen Johannes R. Becher zur wunderbaren Melodie Hanns Eislers (glauben Sie nicht? hören Sie das mal auf Youtube!)(6)
Als Gegenentwurf zu Hoffmann von Fallerslebens heute missverständlichem Text verfasste Bert Brecht (7) mit seiner "Kinderhymne" einen Text, wie er schöner nicht hätte sein können.
Leider hat die damalige deutsche Regierung unter Helmut Kohl nach der Wiedervereinigung die Chance nicht ergriffen, für die nicht mehr geteilte Nation mit einer neuen Hymne ein Zeichen zu setzen. Einen ergreifenden Text und eine einfach schöne Melodie hätte man gehabt...

Kinderhymne
Text: Bert Brecht

1. Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land.

2. Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.

3. Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.

4. Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir's
Und das Liebsten mag's uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.

Donnerstag, 27. Oktober 2016

senkrecht & waag

senkrecht kommet vom senk=bley, auch loth genennet. dieses ist verwandt dem englischen lead, das heiszet bley. da man auch loth saget, gilt loth=recht dem senkrecht gleich.

Das senk heiszet senkel, also schnur, denn das senk=bley ist ein metallen gewicht an einer schnur. derenthalben heiszet die vorrichtung in französischer zunge fil à plomb. Ähnlich ist die maurer=schnur: sie dienet der geraden flucht allgemein, will sagen auch in anderen richtungen als der senkrechten.

waagerecht heiszet nach der wasser=waag, in der eine luft=blase, libelle genennet, die ebene ausrichtung des ganzen geräths anzeiget, so sie in der mitte schwimmt. im englischen heiszet man solches geräth spirit=level, denn level heiszet eben, in der waag. so man also eine person level=headed rufet, so ist sie in der waag, will sagen bey gesundem verstande.

horizontal saget man wegen des horizonts. So bezeichnet man im griechischen den gesichtskreis, da man saget ὁρίζων. dies bedeutet in deutscher zung auch den erd=kreis: so weyt unser auge reichet (und darob auch finitor genannt).
vertikal ist latein und heiszet scheitel=recht, mithin nach dem scheitel=punkte (vertex) ausgerichtet.so in etwa als liesze man vom scheitelpunkte, auch zenith geheiszen, ein loth herab.




Donnerstag, 20. Oktober 2016

Historische Wurzeln der Bundesländer

Anhalt 1863-1918i; Hzm aus einigen Fsm. (A.-Dessau, A.-Bernburg, A.-Köthen u. A- Zerbst)
Baden: Ghzm. 1806-1918
Bayern: Kgr. 1806-1918
Berlin ursprünglich von Brandenburg mitregiert, seit 1701 Sitz der Könige in/(seit 1777: von) Preußen. Hauptstadt des Kaiserreichs (1871-1918), der Weimarer Republik, der Nationalsozialisten (bis Kriegsende 1945); in 4 Sektorenii geteilt; Ostberlin wurde "Hauptstadt-der-DDR," der westliche Teil ("Trizonesien"), "West-Berlin," wurde de facto Bundesland der BRD, aber die Hauptstadt war Bonn. Seit der Wiedervereinigung durch den Einigungsvertrag ist Berlin wieder deutsche Hauptstadt.
Mecklenburg 'reichsunmittelbar', also Regionalbezeichnung
Holstein: Hzm seit 1474
richtig deutsch?
© M.Velardo
Pfalz Herrschaftsgebiet des 'Pfalzgrafen bei Rhein'; später geteilt in Kuriiipfalz (rechtsrheinisch) und Rheinkreis (linksrheinisch). Dieser wurde 1816 bayerisch. Die heutige bayr. Oberpfalz ist ein anderes Territorium.
Nordrhein: die nördliche ehemalige preußische Rheinprovinz (vgl. auch Rheinland-Pfalz)
Rheinland (-Pfalz; vgl Nordrhein-Westfalen) ehem. preußische Rheinprovinz + Teile von Hessen-Nassau + Rheinhessen.
Saarland: "Saargebiet" 1920 aus dem Reich ausgegliedert, nach e. Volksabstimmung (1955) im Jahre 1957 wiedervereinigt (bekam 1959 erst die DM!)
Schleswig bis 1864 (zusammen mit Holstein) Teil von Dänemark; seit 1864iv Hzm.
Südschleswig ist deutsch, (aber nie Teil des Deutschen Reiches!) Nordschleswig dänisch.
Thüringen: reine Gebietsbezeichnung
Vorpommern = das preußische Pommern westlich der Oder; V.-Rügen und V.-Greifswald; komplizierter Grenzverlauf; Teil v. Pommern heute Polen
Westfalen: ehem. preußische Provinz Westfalen; Kgr. Westphalen [sic!] 1807-1836
Württemberg: Kgr. 1805-1916
Abkürzungen: Kgr. Königreich, Ghzm. Großherzogtum, Hzm: Herzogtum Fsm. Fürstentum


Sachsen:
Das -sten (ndt. & dän.) in S.-Holstein ist abgeleitet von einem Sachsenstamm namens Holsaten (Holzsachsen)
Niedersachsen: ehem. Kgr, Hannover, sowie Braunschweig, Oldenburg u Schaumburg-Lippe (von 1945 bis 1946 unabh.)
Sachsen-Anhalt Neugründung
Sachsen: Kgr. 1806-1918

"Freistaaten":
Bayern, Sachsen, Thüringen; nach d. Krieg bis 1962 auch Baden sowie Freistaat Coburg (1920 mit Bayern vereinigt). "Freistaat" auf Lateinisch: "res publica": geht alle an und keinen interessierts...

Stadtstaaten:
HH, HB (nit Bremerhaven) und Berlin.
Alle drei Stadtstaaten haben einen 'Bürgermeister' als Regierungsoberhaupt; in Berlin heißt er 'Regierender' und in Hamburg 'Erster'; in Bremen ist er nur 'Bürgermeister' (und Bremerhaven, das an sich auch zu Bremen gehört, hat einen eigenen).
In den Stadtstaaten bildet ein 'Senat' die Regierung; das Parlament der jeweiligen Stadt heißt 'Abgeordnetenhaus' in Berlin und 'Bürgerschaft' in den Hansestädten Hamburg und Bremen. Berlin ist keine Hansestadt.



Hansestädte mit eigenem Autokennzeichen sind:
Bremen (HB),), Greifswald (HGW), Hamburg (HH), Lübeck (HL), Rostock (HRO), Stralsund (HST) und Wismar (HWI). Daneben sind an die 20 weitere Städte Hansestädte, haben aber kein eigenes Kennzeichen.

fehlende Länder:
Franken, immerhin Herzogtum bis zur Eingliederung in Bayern
Hohenzollern: Hohenzollernsche Lande (Hechingen, Sigmaringen) zwischen Baden und Württemberg
Lippe: die Rose im NRW-Wappen:

 a propos Wappen:

Niedersachsen hat dasselbe Pferd auf rotem Grund. Sonst nichts.

Hessen und Thüringen haben sehr ähnliche Löwen; der Thüringische hat noch eine Krone und ein paar Sterne, die einzelne Landesteile darstellen, wie Sachsen-Coburg-Gotha , oder Sachsen-Weimar-Eisenach.
Sachsen-Anhalt jedoch nicht: Das ist ein eigenes Bundesland mit eigenem Wappen: schwarz und gold gestreift mit grünem Rautenkranz für Sachsen (und für das Bundesland Sachsen), der Adler steht für Preußen (weil die überall mitgemischt haben) und der Bär stellt Anhalt dar.


Noch ein Bär findet sich im Wappen Berlins (o.Abb.); Mecklenburg hat einen Stierkopf (zweimal), den Greifen (Vorpommern) und einen etwas zauselig wirkenden Adler ( brandenburgisch).  



Baden-Württemberg hat Löwen, aber immerhin drei; die beiden Löwen (heraldisch gesprochen übrigens Leoparden) im Wappen von Schleswig sind blau: die rechte (heraldisch gesprochen: linke) Seite des Wappens sieht aus, als wäre ein Fenster in die Brüche gegangen. Vielleicht typisch für Holstein.
.
Ein einzelner Löwe hat sich nach Rheinland-Pfalz geschlichen:

Das rote Kreuz ist Trier; das Mainzer Rad steht für Mainz, der Löwe für die Pfalz.


Machen wir's kurz: Saarland hat ein Wappen, bei dem unten rechts (heraldisch...? Links!) der pfälzer Löwe auftaucht; das rote Kreuz steht hier für Trier; der silberne Löwe steht für Saarbrücken und die drei Zugvögel stehen für Lothringen. Ganz schön viel Wappen für ein so kleines Land!
Bremen hat einen Schlüssel als Wappen.
Seltsamerweise verwendet die Hamburger Wochenzeitung die Zeit eben dieses Wappen in seinem Logo:

Hamburg hat ein Tor: das Tor zur Welt. Naja.

Bleibt Bayern; das Wappen ist entweder einfach, nämlich weiß-blaue (niemals blau-weiß sagen!) Raute. Oder das große Staatswappen:  
Den Löwen auf schwarz kennen wir schon aus der Pfalz; der Kollege darunter, in blau, steht für Ober- und Niederbayern. Die drei herschauenden Löwen (Leoparden...) stehen für Schwaben, und der rot-weiße "fränkische Rechen" steht für Franken. In der Mitte die weiß-blauen Rauten.
Die Fußnoten:
i Mit dem Ende des Deutschen Reichs aufgelöst und in die (Weimarer) Republik eingegliedert. Die Weimarer Republik war übrigens mit Hauptstadt und Parlament (Reichstag!) in Berlin, nicht in der thüringischen Kleinstadt Weimar!

iiDie BRD bestand aus der Amerikanischen, Britischen und Französischen Zone, Die DDR aus der Sowjetischen (westdt. Sprachgebrauch: SBZ – Sowjetisch besetzte Zone oder einfach : die Zone ), die vier Teile Berlins waren die Sektoren.

iii'Kur'pfalz, da der Pfalzgraf im alten Reich einer der sieben Kurfürsten war, die den Kaiser wählten. "kur" ist abgeleitet von "küren", was "wählen" bedeutet. Die sieben Kurfürsten waren der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg, der Pfalzgraf bei Rhein sowie die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier; später fiel die Kurfürstenwürde an den Herzog Bayern (ersetzte den Pfalzgrafen) und an den Herzog von Braunschweig (den späteren Kurfürsten von Hannover)
.
iv1864 Deutsch-Dänischer Krieg; 1866 Preußisch-Deutscher Krieg



Dienstag, 18. Oktober 2016

Anmerkungen über Vögel

Whoo-'oo?
                                                 (Famous Birds)




Archaeopteryx (etwa: "steinaltes Geflügel") Damit fing alles an: mit einem fossilen Vogelskelett aus Solnhofen, das aussah wie ein Saurier mit Flügeln. Und es war ein Indiz für die Richtigkeit von Darwins Evolutionstheorie.

Adler: Das wahrscheinlich beliebteste Wappentier, vom Bald-headed Eagle der USA bis hin zum Doppeladler der k.u.k. Donaumonarchie und zum Wirtshaus Zum Adler in Versbach. Auch in natura ein stolzer Vogel.

Albatros eleganter Vogel mit der enormen Flügelspannweite von 3 ½ Metern. Die englische Redewendung 'to have an alnatross around one's neck' ibedeutet etwa "sein Bündel zu tragen haben."

Bachstelze Ein harmloser Singvogel mit einer lustigen, hüpfenden Gangart.

Dodo Ein putzig plumper, flugunfähiger Vogel. der um 1600 erst von europäischen Seefahrern auf der InselAlice in Wonderland erwähnt wurde (1865).
Dodo
Mauritius entdeckt wurde und noch vor Ende des Jahrhunderts ausgestorben war. Und das, obwohl er gar nicht einmal besonders gut schmeckte. Er lebt in unserem Herzen fort, auch weil er in

Drossel, auch: Spottdrossel. Sie kommt bei uns nicht vor, aber in Nordamerika, wo man sie mockingbird nennt. Sie ist benannt nach dem eindrucksvoll lärmenden Gesang, bei dem sie alle möglichen Umweltgeräusche nachahmt. Mit den echten Drosseln (Turdidae) ist sie jedoch nicht verwandt. Echte Drosseln sind eine artenreiche Familie; die Drossel wird daher im deutschen Volkslied gleich nach der Amsel erwähnt.

Darwin-Finken heißen so, weil sie Charles Darwin 1835 zu seiner Evolutionstheorie angeregt haben sollen. Es handelt sich um mehr als ein Dutzend eng verwandten, aber deutlich unterschiedlichen Arten von Finken auf den Galápagos-Inseln. Diese seien voneinander verschieden, da sie in verschiedenen Umweltbedingungen lebten, denen sie sich angepasst hätten. Vielleicht schuf sie aber Gott gleich so...

Elster Opernfreunde kennen sie aus der Ouvertüreii von Rossinis La gazza ladra: die diebische Elster. Sie als ein Beispiel ornithologischer Kleptomanie zu betrachten, geht zu weit: Die Elster mag einfach alles, was glitzert, und schleppt schöne Dinge ins Nest.

Eichelhäher hä?

Eisvogel Völlig zu Recht mein Lieblingsvogel: Wie ein blauer Kristall gleitet er in Ufernähe über das Wasser, taucht plötzlich unter und hat beim Auftauchen die Beute im Schnabel. Oder er sitzt nur so rum, um dann doch plötzlich in den Fluss zu schnellen. Im Englischen heißt er kingfisher, und ein in Indien für den britischen Markt gebrautes Bier heißt auch so.


Eule Sie symbolisiert die Weisheit, auch wenn man nicht ganz verstehen kann, warum. Tagsüber guckt sie eher behäbig, und nachts, wenn sie zur vollen Form aufläuft, sehen wir sie selten.
Wie Hegel es ausdrückte: "…; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.“ (aus: Grundlinien des Rechts). Wenn man etwas Unsinniges tut, trägt man "Eulen nach Athen" ((γλαῦκας εἰς Ἀθήνας κομίζειν ) - ein Zitat aus der Komödie "Die Vögel" ( Ὄρνιθες) von Aristophanes.

Ente Ein an sich schon sympathischer, wohlschmeckender Vogel ("roast duck" beim Chinesen, oder gleich "Peking style") und friedlicher Parkbewohner. Bekannt sind auch der amerikanische Enterich Donald Duck und seine Familie.

Flamingo Diese Vögel sehen aus, als könnte es sie nicht geben: langer, eleganter Hals, lange Beine (sind ja Watvögel) und ein Schnabel, der es ihnen ermöglicht, kopfunter zu speisen. Und das Ganze in kitschrosa! Und warum? Weil sie ständig Krabben fressen!!

Garuda Who he? Fragen Sie mal einen Hindu! Garuda, Schlangentöter in Adlergestalt, ist der, auf dem
 Garuda
Vishnu reitet; von ihm wird u.a. im Mahabharata erzählt, und er wird in ganz Südasien verehrt. Die indonesische Fluggesellschaft heißt Garuda Induoesia.


Hahn, Huhn, Henne Was war zuerst da, die Henne oder das Ei? Zuerst war da doch wohl die Erbsünde! Der Hahn ist stolz wie ein Gockel, aber die Arbeit erledigt das Huhn. Ach hätten wir doch das Huhn, das goldene Eier legt...iii Wer tugendhaft ist, geht mit den Hühnern ins Bett, denn man wird auf jeden Fall beim Hahnenschrei schon wach.
Im übrigen ist "der rote Hahn auf dem Dach" eine Katastrophe, denn das bedeutet, dass der Dachstuhl brennt.

Ibis Ein Schreitvogel, der in wärmeren Gegenden lebt und der von den alten Ägyptern immer als Symbol für den Gott Thot dargestellt wurde, Dieser war Gott des Maßes, der Weltordnung, der Hieroglyphen und der Intelligenz. Er war es auch, der nach dem Tode des Menschen den Schiedsspruch über sein Schicksal protokollierte.

Kranich Das Wappentier der Lufthansa.
Krähe Eine Krähe ist kein Rabe, aber beide sind Rabenvögel (Corvidae), beide sind schwarz und krächzen. Beide sind erwiesenermaßen intelligent, aber während die Krähe – zumindest bei uns - eher als häßlich und hinterlistig empfunden wird - "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" -, hat der Rabe oft etwas beunruhigend Geheimnisvolles. Vor allem die Raben tauchen in vielen Märchen und Sagen auf; ihre Rolle als Begleiter und Boten Odins (die beiden Raben Hugin und Mugin) ist bemerkenswert. Man kennt sie auch aus dem Märchen, wo sie oft mit der Seelenreiseiv ins Jenseits verbunden sind (vgl Grimm, Die sieben Raben).

Kuckuck Sowohl der Ruf, der ihm vorauseilt, als auch der, den er ertönen lässt, sind sonderbar. Auch hört man ihn eher, als man ihn sieht, und sogar der Laie erkennt das "Kuckuck, kuckuck" (die Töne liegen zwischen den Halbtönen der Tonleiter und entsprechen etwa f2 (678 Hz) und d2 (565 Hz) – so jedenfalls der vogelkundige Wikipedia-Autor). Außerdem weiß man, dass er seine Eier in fremde Nester legt, und dass diese Eier zwar meist etwas größer sind als die der Wirtsvögel (d.h. der ausgetricksten Nesteigner), aber in Zeichnung und Pigmentierung jenen verblüffend gleichen. Da fragt sich nun der Laie, Wie macht der Kuckuck das, und der Fachmann weiß es auch nicht. "Zum Kuckuck mit deiner ewigen Fragerei!" Was aber tatsächlich noch nicht bekannt ist: Wie viele Eier legt ein Kuckuckweibchen pro Saison? "Weiß der Kuckuck!"

Kanarienvogel Der gelbe Wunderknabe kommt von den Kanaren (Islas Canarias), und die heißen so wegen der – Hunde (canis = "Hund"). Hunde??

Ladybird Der Marienkäfer heißt auf Amerikanisch praktisch genauso ([Our] Lady = "Maria", und "bug" heißt "Käfer"). Warum heißt dieser Käfer in Großbritannien Ladybird?

Mauersegler Das sind keine Schwalben, auch wenn sie so aussehen; sie können ganz schön schnell fliegen (bis 200 km/h und mehr), und abgesehen vom Mutterschaftsurlaub (wenn sie brüten – da hängen sie meist an der Wand, daher der Name), sind sie ständig in der Luft. Im Sommer sind sie oft gruppenweise auf Party-Tour und schreien laut rum (anders als die Schwalben mit ihrem Geflirre). Aber alles in der Luft, die ganze Zeit!!

Nachtigall "Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche" (Shakespeare, Romeo und Julia, III,5)
Die Nachtigall singt (auch) in der Nacht, und ihr Gesang ist entzückend. Etymologisch gesehen kommt das -gall von -gellen; das übliche Wort für das, was sie tut, ist heute "schlägt." Irgendwie trifft's beides nicht so ganz...
Übrigens ist die Nachtigall im beliebten Volkslied Die Vogelhochzeit nicht mit von der Partie, die Lerche aber schon:
"Die Lerche, die Lerche
die führt die Braut zur Kerche
Fidirallala, etc...

.

Pinguin Das Wappentier des britischen Taschenbuchverlages Penguin (heute Penguin Random Housev.

Phoenix Ein mythologisches Tier: der Phönix, der immer wieder aus seiner Asche wiederersteht, war schon von den alten Ägyptern verehrt worden. Er überlebte Griechenland, Rom und Byzanz und ist auch heute noch ein Sinnbild für Unsterblichkeit, Auferstehung und Ewigkeit.

Quetzal Ein heute in seinem Bestand gefährdeter, bunter Vogel mit prächtigen, langen Schwanzfedern, der in Mittelamerika vorkommt und in dem Mayastaat Guatemala Wappentier ist.
Quetzalcoatl Wenn es auch Leute gibt, die meinen, der Quetzalcoatl sei nichts anderes als eine Erscheinungsform von Tlahuizcalpantecuhtli und andere Kukulcan ins Spiel bringen– siehe z.B. Wikipedia – ist die "gefiederte Schlange" auf jeden Fall eine in den mittelamerikanischen Kulturen weit verbreitete, wichtige Gottheit. Er ist auch – das sei zugegeben, vielleicht mehr Schlange als Vogel, aber umgekehrt war auch der Archeopteryx mehr Vogel als Saurier.
Quetzalcoatl
Rabe siehe Krähe (Krächzvögel) Eine originelle Zeitschrift in Buchform brachte der Schweizer Verlag Haffmans 1982-2001 unter dem Titel "Der Rabe" heraus (Drei Sondernummern mit kulinarischer Thematik hießen konsequent: "Die Rübe"); die Nummer 1 enthält Texte, Bilder, Zeichnungen &c. pp. So zum Beispiel das berühmte Grusel-Gedicht The Ravenvi(1845)

Storch "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach..." "Der Storch klappert", daher → Klapperstorch. Ein Kind von heute kennt möglicherweise beides nicht: weder die rauschende Mühle noch den klappernden Storch auf dem Dach. Dabei ist ein Storchennest etwas Anrührendes, vor allem, wenn man sieht, wie beide Elternteile sich um das Nest und den Nachwuchs kümmern. Nur: Warum heißt es, der Storch bringe die Kinder (aber auch nur bei uns!) - und wer bringt die kleinen Störchlein?

Spatz oder Sperling Ihn gibt es in zwei Varianten, den Haussperling und den Feldsperlingvii. Seit Tausenden von Jahren ist der Spatz hinter den Krümeln her, die von unserem Tische fallen. Das nennt man dann "Kulturfolger". Eine Zeit lang galt er als bedroht (erzählen Sie das mal jemandem aus dem 19.Jahrhundert! Um jeden Pferdeapfel stritt sich ein halbes Dutzend Spatzen), jetzt gibt es ihn offenbar wieder mehr. Ein Kind ist "frech wie ein Spatz"; man "schimpft wie ein Rohrspatz". Die "Spatzen pfeifen es von den Dächern", aber: Es ist besser "ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach".viii

Schwan Eine Art Gans de luxe. Auf Flüssen und Teichen ein wunderbar eleganter Vogel mit langem Hals (eben: "Schwanenhals"). Wenn einer stirbt, singt er noch sein schönstes Lied: den "Schwanengesang." "Vom hässlichen Entlein" berichtet das Märchen; von der Königsgattin Leda, mit der Zeus vier Kinder zeugte (was wiederum die ganze Malereizunft aufhorchen ließ) berichtete die Mythologie, und Opernfreunde kennen Wagners "Lohengrin".Shakespeare war "the Swan of Avon" und junge Schwäne nennt man Cygnet. Im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland gehören alle Schwäne öffentlichen Gewässern von Rechts wegen der Krone.

Specht Von ihm nur so viel: Es gibt mehrere Arten, und fast alle hämmern auf der Suche nach Insekten lautstark an Baumstämmen herum. Spechte können nicht kopfunter am Baum hängen, und sieht man doch mal einen, war's ein Kleiber. Ineressant ist jedoch vor allem: Wieso kriegen Spechte bei all dem Geklopfe keine Gehirnerschütterung?

Taube Man nennt sie "Ratten der Luft,"da sie in der Stadt, dem von ihnen heute weitgehend eroberten Lebensraum, alles vollscheißen. Trotzdem füttern sie die Touristen an den meisten öffentlichen Plätzen (Trafalgar Square) und für die entsprechenden Selfies sind sie unabdingbar. Im Märchen spielen sie oft eine positive (Aschenputtel etwa helfen sie selbstlos); in der christlichen Glaubenslehre wird der Heilige Geist oft als Taube dargestellt, und sie ist schon immer ein Symbol des Friedens und der Friedensbewegung (seit 1949; Plakat von Picasso).ix

Uhu (wissenschaftlich: bubo bubo) ist eine große Eule; von denen war ja schon die Rede. Ein kleiner Nachtrag noch: Alle Eulen haben beide Augen nach vorn, was ihnen ein regelrechtes 'Gesicht' gibt (bei anderen Vögeln sind die Augen beidseitig) und was andererseits dazu führt, dass Eulen den ganzen Kopf weit nach hinten drehen können.
Für uns in Deutschland ist UHU ein Kleber (nicht Kleiber!), ach was: der Kleber, und ein alt-ehrwürdiges deutsches Unternehmen. Die Franzosen sprechen es "Ü-ü."

Zaunkönig Ein sehr kleiner Federball, sonst eher unspektakulär.

Zeisig Auch ein kleiner Vogel, weswegen kleine Dinge im bayerischen Dialekt gern "Zeiserl" genannt werden.
iDiese Wendung stammt aus dem Gedicht Rhyme of the Ancient Mariner (1843) von Samuel Taylor Coleridge:

Ah! well a-day! what evil looks
Had I from old and young!
Instead of the cross, the Albatross
About my neck was hung.

iiiIch wollt' ich wär ein Huhn
Ich hätt nicht viel zu tun
Ich legte vormittags ein Ei
Und abends hätt ich frei.
Comedian Harmonists

ivDaher spielen sie in schamanischen Kulturen eine wichtige Rolle.

vEine Verlagsgruppe, die von Bertelsmann kontrolliert wird; viele illustre Namen gehören dazu, neben Penguin (das selbst eine Institution in Großbritannien ist) etwa Random House, Dorling Kindersley, Viking oder Allen Lane.

vi Once upon a midnight dreary, while I pondered, weak and weary,
Over many a quaint and curious volume of forgotten lore—
While I nodded, nearly napping, suddenly there came a tapping,
As of some one gently rapping, rapping at my chamber door.
"'Tis some visiter," I muttered, "tapping at my chamber door—
Only this and nothing more.".......und so weiter, 18 Strophen lang.
viiDas erinnert an Hausmaus und Feldmaus, Haus- und Wanderratte u.ä.


viiiUnd da war ja noch Mireille Mathieu, der "Spatz von Avignon". "Piaf" ist übrigens französische Umgangssprache für den Spatz. Daher "Spatz von Paris"für Edith Piaf.


ixDa sieht man einmal, wie man sich täuschen kann: Es ist inzwischen erwiesen, dass Tauben relativ aggressiv sind, auch und vor allem ihren Artgenossen gegenüber. Halt wie der Mensch.


Dienstag, 2. August 2016

Sciencefiction

Was ist, und zu welchem Ende studiert man SF? (um einmal Schilleri zu paraphrasieren).
Zunächst einmal ist Science-Fiction (die in der Überschrift verwendete Zusammenschreibung erlaubt der Duden zwar auch, erklärt aber nicht, wieso. Kein vernünftiger Mensch, geschweige denn hardcore-SF-Fans wäre auf sowas gekommen) ein irritierender Begriff. SF ist weder Wissenschaft, noch hat sie diese zum Thema. Wenigstens nicht vorwiegend.

Im deutschen Sprachraum nannte man sie "utopische Romaneii" oder dann auch "Zukunftsromane": Erzählungen von der Wissenschaft (und Technik), in einer Welt von morgen.  
Die Zukunft würde ganz anders sein, und dies war primär durch Fortschritt in Wissenschaft (und Technik – das ging immer Hand in Hand) begründet. Daher handelte das, was man später Science Fiction nennen sollte, von einer von wissenschaftlichen Erkenntnissen organisierten und von Technik gestalteten Welt, wie wir sie uns kaum vorzustellen wagten.
Die Zukunft, wie sie (fast) jeder kennt:
Fritz Langs Metropolis
Die Welt wäre ganz anders. Klar, sonst lohnte sich die Zukunft ja gar nicht. Auffällig ist ja, dass die SF im heutigen Sinn sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte, als eben die Technik dabei war, die Lebenswelt der Menschen (und die Wissenschaft ihren Horizont) gründlich zu verändern. Man extrapolierte lediglich das Offensichtliche in die (nicht immer weit entfernte) Zukunft. Das war zunächst Aufregung genug.

Interessant ist dabei, dass selbst scheinbar geniale "Zukunftsromane" – gönnen wir uns dieses Wort doch noch einmal – eines fast nie vorausahnten: die explosive Entwicklung des Individualverkehrs. Letztlich ist keine technische Entwicklung der letzten anderthalb Jahrhunderte so folgenreich gewesen wie das Auto – in technischer, politischer wie ökonomischer und psychologischer Hinsicht. Aber auch ein Jules Verne ahnte nicht, was da auf die Menschheit zukam.

"Technik" heißt in diesem Zusammenhang: Raketen, Roboter, Elektronengehirne und überlegene Waffentechnik. Spielt man einmal durch, welche Veränderungen diese bewirken können, stößt man – zumindest in der anspruchsvolleren Literatur – sehr bald auf die Frage, was sie mit dem Menschen, seiner Moral und seinem Verhalten anstellen. Bei Raketeniii und bei Robotern kann man vielleicht vermuten, dass erstere Reisen in faszinierende andere Welten ermöglichen, und dass letztere dem Menschen willfährige Sklaven sein könnten. Aber überlegene Waffentechnik? Gegen wen? Und die Elektronengehirne (heute "Computer") sind doch sicher nur ein willkommenes Werkzeug, oder?

Letztlich stellt literarische SF fast immer, explizit oder implizit, die Frage nach der Gesellschaft und nach der Rolle, die sie dem Einzelnen zukommen lässt. Im einfachsten Fall, bei der hard SF, in der die Menschheit endlich in die Tiefen des Weltraums vordringt, stößt sie dabei irgendwann auf andere vernunftbegabte Lebewesen, sogenannte aliens. space wars werden ausgetragen: space operas. Das allein trägt nicht (und seit der Mensch auf dem Mond war, klingt das geradezu unspannend): Auf die aliens kann man reagieren, indem man Bündnisse mit ihnen eingeht, selbst mit Klingonen, oder, was wahrscheinlicher ist, indem man sie vernichtet. Man hat ja die überlegeneren Waffen. Das führt dann gelegentlich zu megalomanen Träumereien à la Perry Rhodaniv, und in die Abgründe des Kitsches.
Alien?
                                                                                          (Libelle!)
Die Auseinandersetzungen mit ihnen können epische Formen annehmen,

Weil wir gerade vom Kitsch reden: Das, was die meisten Menschen heute unter SF verstehen, stammt aus dem Kino oder vom TV: Serien wie Startrek ("Raumschiff Enterprise") oder Filme wie Star Wars, Independence Day oder War of the Worlds sind vor allem eins: Orgien von special effects, bei denen nicht die Handlung wichtig ist, sondern das Krachen, Blitzen und Wummern in Dolby digital. Was übrigens völliger Quatsch ist, denn da das All keine Atmosphäre hat, können sich auch keine Schallwellen ausbreiten; der echte Krieg der Sterne spielte sich in völliger Stille ab!

War of the Worlds
Wieder einmal der Weltuntergang...
Bei vielen Menschen steht SF also für triviale, oberflächliche Unterhaltung und nicht viel mehr. Wie bei vielen anderen Genres auch (Kriminalfilme zum Beispiel haben ebenso oft kaum Tiefgang, und Historienfilme sind oft Schnulzen, und fast alle Western sind historisch eher fragwürdig) gibt es gute und schlechte SF.

Oder, wie Kingsley Amis es ausdrückte: 
SF's no good, they bellow till they're deaf

And if it's good, why, then it's not SF

- etwa: wenn's gut ist, kann's keine SF sein!

Roboterv (das Wort stammt aus dem Tschechischen und ist abgeleitet von robota, "Arbeit, Fron") sind ein Konzept: Maschinen (im weitesten Sinn), die uns dienen und für uns arbeiten. Es gibt sie schon, aber nicht halb so perfekt, wie sich das die Menschheit erträumt hatte. Noch nicht. Immerhin gibt es bereits etwas wie die Three Laws of Robotics, erfunden von dem amerikanischen SF-Autor Isaac Asimov. Die drei Gebote für Roboter sind: 1) Du darfst keinen Menschen töten; 2) Du must dem Menschen gehorchen (außer, wenn du gegen Gebot 1 verlstoßen würdest), und 3) Du musst überleben (es sei denn, du verstößt dabei gegen Gebote 1 oder 2). So könnte man Roboter programmieren und dann relativ bedenkenlos in den Dienst nehmen. Vielleicht sollte man jedoch noch ein Gebot einführen, auch wenn es kompliziert wird: 4) Du sollst nicht anfangen, selbst denken zu wollen. Das ist das Problem der artificial intelligence (AI), der künstlichen Intelligenz.
"We come in peace"
Aus dem Film The Day the Earth Stood Still


Zugrunde liegt dabei ein viel älteres Problem, nämlich das Verhältnis von Mensch und Maschine, der Golem, Goethes Zauberlehrling: Herr, die Not ist groß!/ Die ich rief, die Geister/ werd ich nun nicht los. Oder moderner: Der Aufstand der Maschinen gegen den Menschen. Je komplexer die Maschinen, desto gefährlicher: Man denke nur an den Bordcomputer HAL in Stanley Kubricks Film 2001 A Space Odyssey, der das Überleben der Crew sabotiert, weil er – hierin geradezu menschlich – sein eigenes Überleben für wichtiger hält. Und das war 1968, eine Zeit, in der die Computer vergleichsweise wenig Rechenleistung hatten. Heute kann jedes Handy mehr: man sei also auf der Hut!

A propos Computer: wissen Sie, was ein bot ist? Ein zu autonomem Verhalten fähiger Software-Agent (im Sinne von "Handelnder"), ein Roboter, der ein Stück Software ist. Gruselig, oder Brave New World? (A. Huxleys "Schöne neue Welt" von 1932).

Überhaupt: Wie wird sie aussehen, die schöne neue Welt? Wird es die ideale Welt sein, ein Paradies für alle? Oder etwas, das vielleicht schlimmer ist als alles bisher Dagewesene? Die ideale Welt – wie sähe sie aus? Welchen Spielregen wäre sie unterworfen – oder gibt es so etwas wie die totale Freiheit für alle? Beschreibungen solcher Welten gab es in der Literatur immer wieder; man nennt sie Utopien: vom Griechischen οὐ- "nicht-“ und τόπος  "Ort“, also "kein Ort, nirgends". So hieß ein Buch von dem englischen Staatsmann (unter König Heinrich VIII) und Autor Thomas More, das 1516 erschien (unter dem Titel De optimo statu rei publicae deque nova insula Utopia: "die Verfassung des optimalen Staats..."), und wie alle literarischen Utopien langweilig und freudlos. Verordnete Harmonie funktioniert nur bedingt, beschränkt die Freiheit des Einzelnen - und sie macht vor allem keinen Spaß.

Daneben gibt es die für einen Schriftsteller reizvollere Schilderung des totalen Staats als Unterdrückungsmaschine, die sogenannte Dystopie (wobei dys- "schlecht", "übel" bedeutet: der Staat als Anti-Utopie). Die bekanntesten dürften sein: Yevgenyi Zamyatin, Мы ["Wir"]vi (1920); Aldous Huxley, Brave New World (1932); George Orwell 1984 (1949); Ray Bradbury, Fahrenheit 451vii (1953); John Burgess, A Clockwork Orange (1962; Kubrick film 1971); John Brunner, The Sheep Look Up (1972) – und ständig werden es mehr.
Anlässlich einer Ausstellungviii schrieb unlängst Christian Schlüter in der Frankfurter Rundschau: "...in der Science-Fiction geben wir uns der Lust an der größtmöglichen Katastrophe hin. Das ist die eigentliche politische Botschaft dieses Genres:" Das verkennt die Lust an der größtmöglichen Unterhaltung durch spektakuläre Effects auf den Mega-Leinwänden heutiger Kinos: Das, und nicht etwa eigentliche politische Botschaften reizt das Publikum.ix

Was will SF? Unterhalten – ja, doch schon auch. Aber eben auch mehr: Aufrütteln, warnen, Entwicklungen vorhersagen, zum Nachdenken bringen. Space operas; man in space: "hard SF" – ist nicht alles; nicht immer kommen Raketen, UFOs, Raumschiffe vor! Nicht immer geht es um die Zukunft – im Jahr 1948 schrieb Orwell 1984, um vor einem totalitären Überwachungsstaat zu warnen, wie er ihn unter Hitler und Stalin, den Big Brothers seiner Zeit, erlebt hatte, nur noch perfekter.

Verwandt damit sind Zeitreisen und alternatex histories. Es handelt sich bei letzteren um "What if"-Stories: "Was wäre wenn" die Geschichte anders abgelaufen wäre: Hitler hätte den Krieg gewonnen, oder Die Chinesen hätten Europa entdeckt, oder Nach dem Bürgerkrieg wäre Amerika in drei verschiedene Staaten zerfallen. Reizvolle Gedankenspiele, die nicht viel an wichtigen Einsichten gewähren, aber verfilmt doch einiges hergeben müssten; seltsamerweise sind sie selten. Beliebter sind die Zeitreisen: Abgesehen davon, dass sie in zwei Richtungen weisen können, zurück in die Vergangenheit oder voraus in die Zukunft, eröffnen sie rasch logische oder gar paradoxe Situationen, mitunter sogar philosophische Fragen.

Um die anfangs aufgeworfene Frage – warum ...studiert man SF? - zu ihrer Conclusio zu führen: Weil kein anderes Medium erlaubt, so viele Aspekte unseres Erdenxidaseins auf so reizvolle und unterhaltsame Weise zu beleuchten.

Ein Letztes noch: Wenn im SF-Film die Notwendigkeit auftaucht, mit aliens zu kommunizieren, ist das meist kein unüberwindbares Problem: Entweder der Bordcomputer des eigenen Raumkreuzers kann aber nun wirklich alle Sprachen, oder Hilfsmittel wie Babelfische erleichtern die Kommunikation. In der SF-Literatur drückt man sich hingegen viel weniger vor solchen Kommunikationsproblemen; vielfach werden diese sogar thematisiert (am radikalsten wohl in S.Lems Roman Solaris), aber sie würden im Film eventuell zu langweiligxii. Schade!

iFriedrich Schiller sprach zwar von Universalgeschichte, aber es gab zu seiner Zeit auch wenig gute SF...
iiUnd es sind in der Tat fast nur Romane (und Erzählungen): weder gibt es nennenswerte SF-Lyrik, noch entsprechende Theaterstücke.
iiinatürlich kamen nach den Raketen die immer größeren Raumschiffe...
ivFür den unwahrscheinlichen Fall, dass Sie nicht wissen, wer das ist: Perry Rhodan ist der fast göttergleiche Herrscher des Universums, wie er in hunderten von Heften beschrieben ist – Deutschlands wenig rühmlicher Beitrag zur internationalen SF.
vOft auch Cyborgs (von 'cybernetic organisms') oder Androids genannt, wenn sie weniger aussehen wie Maschinen und äußerlich dem Menschen gleichen. Das, was Sie von Ihrem Smartphone her kennen, heißt jedoch nur so und ähnelt dem Menschen kein bisschen.
viZamyatins Werk erinnert stark an Orwell – Es erschein jedoch fast 30 Jahre früher!
viic.233°C. Das ist die Temperatur, bei der Papier brennt (oder Bücher, wie in diesem Roman).
viii"Things to Come" in der Deutsche Kinemathek, Berlin. Noch bis 23 April 2017
ixWenn bei der Eröffnung der Ausstellung von "einer erstaunlichen, nunmehr zwanzig Jahre andauernden Konjunktur des Genres" (Rainer Rother) die Rede ist, gilt dies doch eigentlich nur für den SF-Film; für dir Literatur gilt dies nur sehr bedingt (z.B. dann, wenn man die zahllosen spinoffs der Star Wars Reihe mit einrechnet)
xhat sich eingebürgert und ist irreführend: gemeint ist alternative; alternate hieße "sich abwechselnd"
xi(Solar System 3rd planet; humanoid lifeforms)
xiiVgl. auch eine Vielzahl von Westernfilmen, bei denen die Indianer [zwar gebrochenes, aber immerhin:] Englisch reden. Im Übrigen – und nicht nur im Western – gilt: Je platter der Film, desto mehr grausigen Akzent sprechen die Gangster, aber praktisch immer korrekte Grammatik...!

Donnerstag, 23. Juni 2016

Ist das noch Deutsch, oder soll das schon Englisch sein?

Man hört es in letzter Zeit überall, sogar in seriösen Nachrichtensendungen: So etwas wie 'Dschurnalist', wenn 'Journalist' gemeint ist. Nun, Journalist ist entweder französisch /ʒʊʁnaˈlɪst/ oder englisch /ˈɜːnəlɪst/; das deutsche Wort aber /dʒʊʁnaˈlɪst/ auszusprechen, also mit dem englischen Anlaut ( /dʒ/-) und gleichzeitig dem französischen Vokal (-/ʊ/-) in der ersten Silbe, ist Banausentum. Vielleicht sollte man es konsequenter deutsch aussprechen: /jurnalist/, mit /j/- [wie Johann] am Anfang.

Ähnlich bei Aubergine: /obɐˈʒiːnə/ oder /egplant/, aber eben auch nix -/dʒ/- ! Faustregel ist: Isses französisch, spricht man -/ʒ/-, wenn englisch, dann -/dʒ/-.

Bei London ist es ähnlich: London / london/ (bzw. /ˈlɔndɔn/, wie der Aussprache-Duden schreibt) ist völlig korrektes Deutsch; /ˈlʌndən/ ist die übliche Aussprache in England. Please note: two syllables in either case! /londn/ oder /landn/ ist verkorkstes Englisch (z.B. Edgar-Wallace-Verfilmungen der 60er Jahre).


Ach ja, und nochwas: Greenwich, der Londoner Stadtteil mit dem Royal Observatory und dem Nullmeridian, spricht sich /ɡrɪinɪdʒ/; eigentlich ja /ɡrenɪdʒ/- so spricht man es vor Ort – aber nicht /ɡrɪnwɪdʒ/ (keine grüne Hexe!), und Islington heißt /ˈɪzlɪŋtən/ und nicht etwa /'ailɪŋtən/. Die meisten anderen Stadtteile von London sprechen sich meist schon so, wie man meint.

Von den zahllosen (und nicht immer besonders tiefgründigen) You-tube-Videos, auf denen irgendwelche Leute ihre Sprachgewandtheit vorführen wollen – wozu auch immer – auf sei eines verwiesen, das wirklich ganz goldig gemacht ist: https://www.youtube.com/watch?v=9q7VjLVU8Ec. London kommt zwar nicht vor – das Video wendet sich vor allem an Amerikaner, und die kriegen 'London' meist hin.

Soße für die Gans

What's sauce for the goose
is sauce for the gander*
(Englische Redewendung)

Alles eine Soße?

Sauce ist französisch für Soße, von lat. salsus, "gesalzen"; daher auch spanisch salsa. Salsicus ist lat. für "mit Salz gewürzt", daher französisch saucisse, die Wurst. Aber um die geht es hier gar nicht. Gibt es Sauce auch auf Deutsch?

Ein schönes, heute kaum gebräuchliches Wort ist 'Tunke'; das engl. dip heißt dasselbe: was zum Reinstippen. Saucen/Soßen gibt es kalt und warm; die raffinierteren sind aufgeschlagen; beherrscht man ein paar Grundformen, lassen sich diese i.d.R. erweitern und variieren. Faustregel: Kalte Soßen sind (meist) für Salate, warme für Nudeln, und aufgeschlagene für die gehobenere Speisekarte.

Salatsoßen: die einfachste ist die mit Essig (frz. vinaigre) und Öl, Salz und Pfeffer nach Gusto. Vinaigrette nennt sie der Feinschmecker. Alle anderen Salatsoßen heißen heutzutage Dressing. Eine (mit einem Hauch von Knoblauch und etwas Senf) subtil verfeinerte Vinaigrette nennt man Italian Dressing. Am anderen Ende des Spektrums steht die amerikanische Thousand-Island-Dressing, die fast immer als Fertigprodukt aus dem Supermarkt kommt (etwas verfeinert ergibt sich die Russian Dressing).

Viele Soßen sind rot; in Italien heißen sie Sugo und sind meist auf Tomatenbasis (salsa (!) di pomodoro), von napoletana und amatriciana (nach ihren Herkunftsorten benannt) bis zur arrabiata – letztere ist ein wenig scharf, hat aber dennoch nichts mit 'arabisch' zu tun, sondern eher mit 'rabiat', "mit leidenschaftlichen Gefühlen".

Grüne Soßen, ob sauce verte oder salsa verde: es gibt viele Varianten der Gewürz- und Kräutersoßen, aber nur eine Grie Soß. Diese kommt im Original aus Frankfurt und besteht aus nicht weniger (aber auch nicht mehr!) als sieben Kräutern: Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch. Wer nun zu faul ist zum Suchen, und wer weder Pimpinelle noch Kerbel erkennt, kauft die Kräuter auf dem Wochenmarkt. Denn merke: Nur mit Petersilie und Schnittlauch geht’s nicht!

"Fertige" kalte Soßen sind Ketchup, Mayonnaise (auch liebevoll "Mayo" genannt) und Remouladensoße. Ketchup (und seine Varianten) scheint zum Grillen dazuzugehören wie Steak und Bier; er ist eigentlich eine amerikanische Unsitte – trotz des seltsamen Namens (der wiederum aus Südostasien stammt); er enthält neben Tomaten erstaunliche Mengen Zucker. Mayonnaise soll – so die Theorie – nach der balearischen Hafenstadt Mahón benannt sein, stammt aber aus der französischen Küche und besteht im Wesentlichen aus Eigelb und Öl. Mit Knoblauch zusammen ergibt das die sauce aioli, die der Frankreichfreund aus der Provence kennt. Wird die Mayonnaise mit Essig, Senf und Kräutern (und kleinen Essiggürkchenstücken) verrührt, nennt man das ganze sauce remoulade, oder halt Remouladensoße.

Die oben erwähnten aufgeschlagenen Soßen sind für den Laien etwas heikel in der Zubereitung, da warme Bestandteile mit Eigelb und diversen anderen Zutaten vorsichtig mit dem Schneebesen schaumig geschlagen und verrührt werden; am bekanntesten ist wohl die s. hollandaise (zum Spargel) und die s. bearnaise (die nicht aus der Region Bearn in Frankreich stammt, aber von einem bearnaisischen Koch erfunden wurde). Quasi als Vorübung für diese Soßen kann man sich an der sauce béchamel versuchen, bei der Ei nicht zwingend vorgeschrieben ist.
nach einem Bild von Jan Davidszoon de Heem (1648)


Würzsoßen dienen dem Würzen diversester Küchenprodukte, viele von ihnen sind Geschmackssache (oder, wie man auf Englisch sagt. an acquired taste: gewöhnungsbedürftig). Die Worcester[shire]sauce (sprich: wuster- !), die Austernsoße, Teriyaki, Senf, Sambal und Tabasco, Sojasoße, Chutney und HP Sauce und, vor allem und überhaupt: Maggi!

Eine gute Soße (hier sollte man vielleicht dann doch 'Sauce' schreiben, denn die gehobene Küche spricht immer noch Französisch) ist das A und das O der guten Küche. Und ganze Welten der (Saucen-)Kochkunst wurden hier noch gar nicht erwähnt, von Veloutés und Jus bis hin zu den zusammengesetzten Saucen , ob braun oder weiß. Ganz zu schweigen vom kunstvollen Saucenspiegel...

All das ist verlorene Liebesmüh' bei der nächsten Generation: Kinder wollen keine kompliziert angerührten oder befremdlich riechenden Soßen; sie wollen nur zweierlei, und das in rauen Mengen: Ketchup (das kennen sie von McDonald's) und – Schokoladensoße.
*etwa: "Gleiches Recht für alle". Wörtl.: "Die Soße für die Gans ist auch die für den Gänserich".