Mal was über Orange.

Orange?

Donnerstag, 14. April 2016

Granatapfel (punica granatum)

Granada in Andalusien, die Stadt unterhalb der Alhambra,
des einzigartigen Juwels maurischer Architektur, ist auch sonst sehr reizvoll. Was auffällt, dass ein Ornament überall auftaucht: der Granatapfel. Gut, das mag naheliegend sein, wenn die Stadt schon so heißt. Naheliegend auch, dass der Strauch überall im Stadtbild grünt und blüht, dass es eine Pracht ist. Granada lässt keine Gelegenheit aus, sich mit dem exotischen Gewächs zu schmücken.

Der Granatapfelstrauch ist im Mittelmeerraum auch gar nicht so exotisch, aber bei uns kennt man seit jeher eher den Namen als die Frucht; was ist das eigentlich, der Granatapfel? Zunächst einmal: Es ist kein richtiger Apfel. Der Apfel ist ein Rosengewächs, und der Granatapfel gehört – trotz der prachtvollen, intensiv hellroten Blüten - zu den Myrtengewächsen. Der Granatapfel ist relativ groß, schwer (wiegt oft ein ganzes Pfund!) und ist von einer ledrig-pergamentartigen Haut umgeben. Schneidet man ihn auf, zerfällt er in hunderte (bis zu 400, sagt Wikipedia; andere sagen anderes) maiskorngroße, saftige Fruchtkörper, durchscheinend, intensiv rot und arg süß. Aus ihnen wird der Grenadinesirup (den kennen Sie vom Tequila Sunrise) hergestellt, und zwar, indem man den Fruchtsaft 1:1 mit Zucker einkocht. Manchen Leuten kann es offenbar nicht süß genug sein!

Früher wurde der Granatapfel auch anderweitig verwertet: Die Blüten sind auch getrocknet noch rot; im Aufguss als Gurgelwasser und gegen Durchfall verwendbar. Wurzelrinde hilft gegen Bandwürmer. Die Schale des 'Apfels' wurde gern zum Färben von Textilien (z.B. Teppichen) verwendet: nicht rot, sondern braun bis schwarz. Darüber hinaus und vor allem war die Frucht geradezu kulturübergreifend symbolträchtig; die Bibel erwähnt sie mehrfach, ebenso der Koran. Der Granatapfel war ein Symbol des Lebens, der Lebens- und Sinneslust und der Fruchtbarkeit. Der Apfel des Paris (den er Helena zusprach) war ein Granatapfel. Andererseits stand der Granatapfel im Mittelalter auch für die Welt (den 'Erdapfel' – von wegen, die Erde sei eine Scheibe!) - der Reichsapfeli war auch ein Granatapfel.

Warum aber 'Granat-'? Hat das was mit Granate zu tun? Doch wohl eher mit dem Granatschmuck? Wer im Lateinunterricht mehr mitbekommen hat als die blutrünstigen Eroberungen Caesars mag irgendwann auf das lateinische Wort für 'Korn' gestoßen sein: granum. Das bedeutet außerdem 'Samen' und 'kleiner Kern', und da ein Körnchen sehr wenig wiegt, nennt sich auch ein Apothekergewicht gran. Ein gran sind etwa 65 mg. Das granum steckt auch in 'filigran', im englischen grain (nicht aber in Migräne!) und schon auch in der Granate. Eine Granate ist ein mit Sprengstoff gefülltes Artilleriegeschoss (die meisten werden eher die Handgranate kennen), und da der Granatapfel mit diesen kleinen Früchtchen gefüllt ist, war das ganz offensichtlich granatum, also 'gekörnt'. Zu den Namen der Frucht gleich noch mehr.

Interludium. Ein Granatsplitter ist zum einen ein Teilstück einer explodierten Granate, zum anderen ein Konditorei-Objekt. Aus den bei der Herstellung von Torten und Biskuitrollen anfallenden Resten wird durch Zugabe von Buttercreme, Kakao und Rum ein Haufen geformt und mit Kuvertüre überzogen. Nicht unbedingt ein großer Schlankmacher...Klingt nur etwas martialisch in unseren (gottseidank) eher friedlichen Zeiten. Versuche, den Namen zu ändern – etwa in 'Bärenhaufen' – sind bisher gescheitertii. Wir können jedoch beruhigt feststellen, dass der Granatsplitter nur sehr indirekt mit dem Granatapfel verwandt ist. Auch mit dem körnigen, sehr harten Schmuckstein namens Granat ( engl. garnet, frz. grénat mittelhochdeutsch grānāt , von mittellateinisch [lapis]granatus 'körniger [Stein]') ist die Verwandtschaft nur oberflächlich, obwohl die roten Fruchtkörperchen des Granatapfel schon etwas an rote Granatsteine erinnern (letzterer heißt im Deutschen auch Karfunkel).

Doch nun zu den Namen unserer Frucht:
Die Römer nannten sie malus punica, punischer Apfel. Nun waren die Punier, auch Phönizier (und später auch Karthager) genannt ja so etwas wie der Erzfeind Roms; ergo muss sich 'punisch' auf die vermeintlich exotische Herkunft bezogen haben, also den vorderen Orient, die Heimat der Punier (oder, wie manche meinen, Nordafrika – wegen Karthago). Der wissenschaftliche lateinische Name ist punica granatum: auch hier sind Phönizier versteckt. Auf französisch grenade und auf spanisch granada genannt, heißt der Granatapfel pomegranate. Das pome- entspricht natürlich dem französischen pomme, 'Apfel'. Nun hieß ja in früheren Zeiten so manches 'Apfel' iii, das wir etwas differenzierter sehen: Birnen, Quitten, ja die Apfelsine (-sine heißt hier 'aus China') oder der Pfirsich (urspr. malum persicum = persischer Apfel), und schließlich auch etwas so wenig apfeliges wie der Erdapfel (a.k.a. Grundbirne: die Kartoffel). Gut, aber warum pomme? Das ist mehr oder weniger die römische Göttin des Obst- und Gartenbaus selbst: Pomona. Wenn Sie von ihr noch nicht viel gehört haben – auch sie kommt in Caesars De Bello Gallicoiv nicht vor...
Pomona. Gemälde von Fouché

iWie die Reichskrone und das Szepter war der Reichsapfel Teil der Reichsinsignien.
ii 'Bärendreck' gibt’s aber!
iii Wortgleich in vielen Sprachen, so germ. apfel, apple, isl epli; slaw (russ.). яблоко; kelt (walisisch). afal; balt. (litauisch) obelis, aber nicht in romanischen Sprachen: lat. malus; span. manzana (indirekt auch von lat. malus) und frz. pomme => 'Apfel' einheimisch nördlich der Alpen
iv Das Buch heißt nicht: "Über den schönen Gallier" – Caesar ist im Krieg.

Samstag, 12. März 2016

Gottes Häuser

Martin(us) von Tours, ca. 316 in Pannonien (heutiges Ungarn) geboren, aufgewachsen in Pavia (Oberitalien), leistete Militärdienst in Gallien. Später Mönch, Klostergründer und Wundertäter, schließlich Bischof von Tours. Er wurde zu einem der beliebtesten Heiligen und gilt als Schutzpatron Frankreichs. Er ist jener heilige Martin, der am 11. November gefeiert wird, weil er seinen Mantel mit einem Bettler geteilt hatte; ihm gilt die Martinsgans. Er war kein Märtyrer und trotzdem beliebt. Er wird als "Schutzheiliger der Reisenden und der Armen und Bettler sowie der Reiter, im weiteren Sinne auch der Flüchtlinge, Gefangenen, Abstinenzler und der Soldaten" [Wikipedia] verehrt. Ihm verdanken wir "Kapelle" im Sinne von "kleiner Kirchenraum" (wie auch das englische chapel), aber auch als "Gruppe von Musikern", "a capella" und "Kaplan". Denn capella bedeutet im Lateinischen eigentlich "Mäntelchen" (bzw. cape), über die Reliquie Martins (seinem halben Mantel) und ihren Aufbewahrungsort schließlich auch im kirchlichen Sinne "Kapelle" und die davon abgeleiteten Begriffe. "Musikkapelle" übrigens, weil sich Musiker in der Kapelle zusammenfanden, um zu musizieren.

Die "Kirche" – sie hat zwei Bedeutungen, die Gesamtheit der (katholischen) Christen wie auch das Gebäude – stammt als Begriff aus dem Griechischen. κυριακόν (kyriakon) heißt "[Haus] des Herrn" und wurde erst in die germanischen Sprachen (eben als Kirche, church, kirk, kerk etc.) übernommen – wie, ist nicht ganz geklärt – und dann auch in andere Sprachen (russ. церковь, serbokroat. црква/crkva, finn. kirkko). Als Gebäude ist die Kirche i.d.R. größer als die Kapelle; ist ihr keine Pfarrei zugeordnet, ist sie ungeachtet ihrer Dimensionen nur eine Kapelle. So ist beispielshalber die Marienkapelle in Würzburg um einiges größer als so manches Kirchlein in derselben Stadt.

Im Lateinischen war die Kirche – wiederum in zweierlei Wortsinn – ecclesia, wovon sich die Bezeichnung in vielen nicht-germanischen Sprachen herleitet, ob nun église (frz.) iglesia (span.) igreja (port.) chiesa (ital.) eaglais (ir.), eglwys (walis.) kilise (türk.). Andere Sprachen übernehmen das Wort basilica, eine griechische Bezeichnung, die ursprünglich "Königshalle" bedeutet: baselgia (rätorom.),

Große Kirchengebäude, die einem Bistum als Hauptkirche dienen, nennen sich Dom, Münster oder Kathedrale. Dom ist entstanden aus domus domini (lat.:"Haus des Herren", entprechend dem griechischen kyriakon); Münster ist eigentlich die Stiftskirche eines Klosters (lat. monasterium), und die Kathedrale hängt wörtlich zusammen mit dem Katheder, dem Stuhl, bzw. dem Lehrstuhl: als ecclesia cathedralis die Kirche des Bischofsstuhls.

Im Ungarischen heißt Kirche templom, "Tempel". Stimmt ja auch.

Das hebräische Wort für einen Versammlungsort ist בית כנסת, beth ha knesseth ("Haus der Zusammenkunft"; daher heißt das israelische Parlament Knesset). Bei der Übersetzung der Bibel ins Griechische wurde analog dazu συναγωγή (Synagoge) gebildet: aus συν- "zusammen" und αγειν "führen, bringen". Über das (kirchen)lateinische Synagoga als sinagoge seit dem Mittelhochdeutschen bezeugt. Deutsche Juden gebrauchten häufig das jiddische Wort schul (tatsächlich abgeleitet vom deutschen "Schule")*.

Die Versammlungsorte moslemischer Mitbürger heißen auf arabisch masjid (oder masdschid) und cami auf türkisch, auf deutsch "Moschee". Masjid heißt "Ort des Sich-Niederwerfens", also "Ort des Gebets" und der Hinwendung zu Allah. Über das französische mosquée, seinerseits aus dem spanischen mezquita, dem man die arabische Herkunft noch ansieht. So wie die Mezquita-Catedral in Córdoba heute die katholische Kathedrale der Stadt ist, im Inneren aber das architektonische Juwel der maurischen Zeit ist und bleibt (neben der Alhambra in Granada) und an eine der glanzvollsten Epochen der Menscheitsgeschichte erinnert: al Andalus, das Kalifat von Córdoba, als in Andalusien Muslime, Christen und Juden friedlich zusammenlebten.



*früher hörte man gelegentlich die Redewendung "hier geht es ja zu wie in einer Judenschule". Seit der Nazizeit werden solche Formulierungen gemieden, oder, wie es bei redensarten-index.de heißt: "umgangssprachlich, veraltet; Seit dem Massenmord an Juden während der Zeit des Nationalsozialismus sind auf Juden bezogene Redewendungen nicht mehr gebräuchlich" – oder einfach: die Lebenswelt von Juden ist uns fremd geworden. Synagogen waren tatsächlich (auch) Orte der lebhaftesten intellektuellen Diskussionen, wo es oft laut zuging, und wenn das für heutige Schulen zuträfe. dass sie nämlich Orte lebendigen Gedankenaustauschs wären, wer sollte daran Anstoß nehmen?





Szendvics (?)

Als John Montagues Großvater 1729 starb, erbte er mit 10 Jahren dessen Adelstitel und wurde der 4. Earl of Sandwich. Das ist eher noch junger Adel, nicht etwa, weil er so jung an Jahren war, sondern weil er Earl of Sandwich erst in der vierten Generation war. Der Titel war im 17. Jahrhundert geschaffen worden (der jetzige Träger des Titels ist der elfte Earl). Der erste, Sir Edward, wurde gleichzeitig auch Baron Montagu und Viscount Hinchingbroke; er war ein wichtiger Politiker seiner Zeit. Weder Baron noch Viscount (/ˈvaɪkaʊnt/) sind sonderlich hohe Titel; der Earl entspricht dem Grafen (da es keine weibliche Form von Earl gibt, heißen Gräfinnen in England Countess, vom frz. comtesse). Earl of Sandwich bezieht sich nominell auf die Stadt Sandwich, das ist jedoch nur ein Titel und hat nichts mit Macht oder Besitzanspruch zu tun.
Bild: wikipedia
Aber die Rede war ja von Sir John Montagu, dem 4. Earl of Sandwich. Auch er ein wichtiger Politiker, aber auch ein leidenschaftlicher Spieler. Er habe sich, heißt es, – das war im Jahre 1762 – nicht vom Cribbage-Spiel (ˈkrɪbɪdʒ)1 losreißen können und habe einem Diener aufgetragen, etwas Bratenfleisch - es soll sich um Rindfleisch gehandelt haben (also 'rosbif', wie die Franzosen sagen) - zwischen zwei Scheiben Brot zu zwicken, so dass er beim Spielen essen konnte. Das fand Nachahmer, und der Name blieb hängen. Cribbage ist übrigens außerhalb von England kaum bekannt; es handelt sich um eine Kombination von Kartenspiel, bei dem es um das Gewinnen von Punkten geht, und einem Spielbrett, auf dem der Punktestand festgehalten wird.
Aber wir waren ja bei dem nach Sir John benannten Snack. Nun wird es kulinarisch gesehen wahrscheinlich kaum etwas Einfacheres geben als ein belegtes Brot, und auf den Gedanken sind bestimmt schon viele verfallen; Tatsache ist aber, dass es in diesem Fall mit dem Earl of Sandwich in Verbindung gebracht wurde, und dass es unter dem Namen auf der ganzen Welt bekannt ist (auch wenn z.B. die Ungarn szendvics schreiben: sie sagen Sändwitsch).
Sonst könnte man beispielshalber "Hillel" sagen. Schon Rabbi Hillel der Ältere (er lebte im ersten vorchristlichen Jahrhundert) hatte so etwas wie ein Sandwich erfunden; er belegte seine Doppeldecker mit Lammfleisch, (bitteren) Kräutern und Nüssen. Wenn Sie mich fragen, klingt das auch ganz lecker. Aber bleiben wir beim Thema.
Sandwich ist eine Hafenstadt in der südenglischen Grafschaft Kent und die Partnerstadt von Sonsbeck. Wo auch immer das liegt... Sandwich geht als Name auf die Angelsachsen zurück, genauer: auf die Jüten, die in Kent ein Königreich errichteten. Sandwicæ bedeutet "sandiger Handelsplatz" Sandwich – übrigens auch einer der sogenannten Cinque Ports, Hafenstädte, denen im Mittelalter eine besondere Bedeutung für die Verteidigung des Landes zukam - liegt heute gar nicht mehr direkt am Meer, aber das ging vielen Städten so: Ihre Häfen versandeten allmählich und mussten verlegt werden.
Am 18. Januar 1778 entdeckte der englische Entdecker James Cook – er stammte aus Whitby, wo übrigens auch Bram (von Abraham) Stoker, der irische Autor des Dracula, eine Zeit lang lebte und zu seinem Roman angeregt wurde – die Inselkette im Pazifik, die heute Hawaii heißt. Cook konnte das noch nicht wissen und nannte die Inseln Sandwich Islands zu Ehren des Earl of Sandwich. Der war nämlich zu der Zeit First Lord of the Admiralty. Aufgrund von unglücklichen Missverständnissen wurde Cook 1879 auf Hawaii erschlagen; der Earl of Sandwich überlebte ihn um 13 Jahre.
sandwich boards – bei Wikipedia nicht ganz zutreffend mit dem Kundenstopper gleichgesetzt – sind Werbetafeln, die der sandwich (board) man umhängen hat: eine vorne, eine hinten. Eingezwickt, wie der Belag eines Sandwichs zwischen den Brotscheiben. Es gibt Kochtöpfe "mit Sandwich-Boden", bei denen eine Aluminium- oder Kupferschicht zwischen zwei Edelstahlschichten gesandwiched ist, deren Wärmeleiteigenschaften auf diese Weise deutlich verbessert werden. Bei Induktionsherden jedoch ist ein Sandwichboden oft problematisch, doch das gehört nicht hierher.
Was aber nun schon ganz und gar nicht hierher gehört ist eine sandwich genannte Sexualpraktik, denn – ich zitiere den einschlägigen Wikipedia-Artikel - "solche [Praktiken] erfordern von allen Beteiligten ein hohes Maß an Körperbeherrschung und werden hauptsächlich im Bereich der professionellen Pornographie ausgeübt".
ein Hillel?


Was bleibt? Eine verworrene Geschichte von Jüten, versandeten Häfen, den Herren Montague, Cook, Stoker, Reb Hillel, anonymen Werbetafelträgern, einem Kartenspiel, Hawaii, Kochtöpfen mit doppelten Boden und seltsamen Praktiken, von Missverständnissen und zufälligen Ähnlichkeiten: Die Geschichte des beliebtesten Imbisses der Welt. Daher zum Schluss noch zwei Varianten:

Als amerikanischer Sandwich-Klassiker gilt das BLT Sandwich, bei dem BLT für bacon, lettuce and tomato steht. Was sich so bescheiden anhört, ist es gar nicht: Speck (gebraten oder nicht), Salat (für den crunch) und Tomaten sowie auf jeden Fall Mayonnaise und evtl. Vollkorn- statt Weißbrot. Auf jeden Fall üppig.
In typisch britischem understatement geht es auch schlichter: Das klassische cucumber sandwich, das vom britischen country set schon immer zum Tee gereicht wurde. Ungetoastete, gebutterte Weißbrotscheiben (wie in GB üblich, natürlich gesalzene Butter) und ein paar dünne Scheiben Gurken – das genügt. Daneben gibt es das sarnie (volkstümlich-liebevoller Ausdruck für das Sandwich) in endlosen Varianten.


1 Wie bei spinach spricht sich der Auslaut des Wortes Sandwich wie auch von Cribbage: -dʒ. Zufall?

Donnerstag, 11. Februar 2016

Wie kann man sich den Zwerg erklären?

Das alte deutsche Wort twerch (auch zwerch) heißt quer, etwa beim Zwerchfell, das ja quer im Bauchraum liegt. Man ist mit jemandem überzwerch – wie man mancherorts* sagt – wenn man im Streit mit ihm liegt. So ist es naheliegend, beim Wort Zwerg entsprechend zu deuten: ein Zwerg ist etwas Widerspenstiges, ein renitenter Geist. Man sagt ja auch gern: Giftzwerg, wenn jemand sich unnötig aufspielt.

Ein anderes Wort für Zwerg ist der Gnom. Dies leitet sich interessanterweise vom griechischen gnomon her, dem Zeiger einer Sonnenuhr. So ein Gnomon steht halt da wie ein Zwerglein.

Pygmäen sind, auch wenn der Ausdruck heute nicht mehr politisch korrekt ist, zwergwüchsige Menschen aus Afrika. Ihre Physiognomie (-gnom-!) ist auffällig geprägt von einem Fettsteiß (das ist das Fachwort! Gleich kommt ein noch originelleres). Weil das Wort unangenehm drastisch klingt, sagt man, ein solcher Mensch ist steatopyg. Das heißt dasselbe, ist aber griechisch. Der Wortteil stea- (στέαρ) heißt 'fett' (daher Stearin – das Material, aus dem früher meist die Kerzen waren), und -pyg (πυγη) ist der 'Hintern'. Es gibt – um das Niveau ein wenig zu heben – Darstellungen der Göttin Venus, bei denen das besonders Gesäß hervorgehoben und von schöner Gestalt ist. Solche Darstellungen nennen Fachleute Venus kallipygos, d.h. 'Venus mit dem schönen Hintern', bzw. - jetzt kommt's! - die 'Prachthintrige'.

Da lag es nahe, die Pygmäen nach ihrem Gesäß als Pygmäen zu bezeichnen.

Alles insgesamt plausible Theorien, aber leider alle falsch. Wie das bei plausiblen Theorien so ist: eine ganze Menge davon stimmt, nur die Schlussfolgerung nicht.
Carl Spitzweg: Gnom, Eisenbahn  betrachtend


Ein paar Fakten, und dann die heute als wahrscheinlich akzeptierten Theorien:

  • zwerch heißt 'quer'
  • gnomon ist der Zeiger der Sonnenuhr
  • steatopyg heißt 'fettsteißig'
  • die Venus kallipygos gibt es wirklich.

"Zwerg" ist seit dem 10. Jhd. belegt, aber nicht weiter erklärbar; es gibt Entsprechungen in anderen germanischen Sprachen isl. dvergur, schwed. dvärg, norw. dverg oder dän.dværg. Und natürlich das englische dwarf. Hier stutzt man: dw- wird zu zw-, gut, mag angehen: aber der Konsonant am Schluss ist – in allen diesen Sprachen – ein -g; wo käme denn dann im Englischen das -f her? Nun, das ist gar nicht so ungewöhnlich: Man denke an cough, enough oder laugh, Wörter, die irgendwann einmal einen g-Laut am Schluss hatten, den man ja auch noch schreibt, und die alle im gesprochenen Englisch -f lauten. Das gilt offenbar nur für das Englische: ein angelsächsischer Sonderweg.

Der Zeiger der Sonnenuhr – ursprünglich wohl nur ein in die Erde gesteckter Stab – hieß tatsächlich γνώμων (gnomon). Nur hat das nichts (zumindest nichts Nachweisbares) mit einem Zwerg zu tun.
Andererseits ist die tatsächliche Herkunft des Wortes Gnom als Synonym für Zwerg ungeklärt. Paracelsus (der Alchimist und Philosoph Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim) scheint das Wort erfunden zu haben (16.Jhd). Aber es klingt griechisch, und für Paracelsus war es gleichbedeutend mit pygmaei, Pygmäen, die schon in der griechischen Antike so hießen. πυγμαῖος war ein "faustgroßer" Mensch und mythisch; das tatsächlich existierende Volk (bzw. Volksgruppen: auch das ist kompliziert) in Afrika wurde erst viel später danach benannt. Vgl. hierzu auch unseren "Däumling."

Die Bewohner von Lilliput, einer fiktiven Insel im Südmeer, sind sprichwörtlich geworden; eigentlich sind sie eine Erfindung des anglo-irischen Schriftstellers und Satirikers Jonathan Swift. der sich bei der Schilderung der Lilliputaner über die kleinlichen Zänkereien der englischen Politiker seiner Zeit belustigte. (Übrigens besucht der Erzähler des Romans, Lemuel Gulliver, noch einige andere bizarre Länder, darunter Brobdingnag, wo er der Winzling ist: ein erfrischender Perspektivwechsel!).

Und da ist natürlich Oskar Matzerath aus der Blechtrommel, der mit 3 Jahren beschließt, nicht mehr zu wachsen, was es ihm ermöglicht, die Menschen in seinem Umfeld so zu sehen, wie sie sind. Vor einem Kind demaskieren sich alle selbst.

Der wohl bekannteste kleinwüchsige Mensch unserer Tage, ist Bilbo Baggins. Zusammen mit den anderen Hobbits verkörpert er das gemütliche, un-hektische Gemüt, das, so Tolkien, der Erfinder von Middle Earth (wovon the Shire ein Teil ist) in uns allen schlummert. Bilbo ist so ungefähr der unheroischste Mensch (oder eben nicht Mensch), der denkbar ist. Und das Wort Hobbit hat Tolkien selbst erfunden. Als 2004 in Indonesien die Spuren eines bis dahin unbekannten Vormenschen entdeckt wurden, dessen auffälligstes Merkmal seine geringe Körpergröße ist, erhielt er den wissenschaftlichen Namen homo florensis (nach der Insel Flores, dem Fundort), wird aber zunehmend 'hobbit' genannt, auch in populärwissenschaftlichen Quellen.

Was aber hat das mit Zwergen zu tun? Nun, alle diese Namen – Zwerg, Gnom, Liliputaner oder Hobbit - bezeichnen Verwandte des Menschen, die uns fern sind, aber nicht völlig fremd, sonst hätte man keine Namen für sie erfinden müssen.

*Hier gehe ich nicht mit dem Duden konform, der "verschroben, mürrisch" und "übermütig" angibt. Richtiger scheint mir etwa." überquer, über Kreuz" und "unangenehm, nicht passend", etwa bei http://universal_lexikon.deacademic.com/129893/überzwerch


Exkrement nochmal!

Scheiße geht zurück auf ein indogermanisches /*skei/ mit der Bedeutung "trennen, scheiden." Es ist das gängigste Wort für "Ausscheidung, Exkrement" – eine Sache, mit der man sich buchstäblich "auseinander-setzt.°" Abgesehen von dieser Bedeutung ist das Wort eine sehr häufig gebrauchte Interjektion, ein Ausruf des äußersten Ärgers, ein Fluch, z.B. wenn etwas nicht gelingt, oder wenn man sich besonders heftig auf den Daumen gehaut hat. Wir gebrauchen das Wort so oft, dass es geradezu als Charakteristikum der Deutschen und ihrer Sprache gilt. Mögen andere Völker religiös schimpfen und fluchen – "porco dio!" "madonna!" "Jesus Christ!", wieder andere sexuell – "¡hijo de puta!" "f***ing hell" und dergleichen, greifen wir zur Fäkalsprache. Das ist natürlich etwas platt, aber es ist nicht völlig von der Hand zu weisen.

Übrigens: haben Sie's bemerkt? Bei dem eben zitierten f-word wurde die prüdere Schreibung mit Sternchen benutzt, die wiederum oft verkürzt und verschleiert als "effing" gebraucht wird, und doch weiß jedes Kind, was gemeint ist: sexual intercourse: Geschlechtsverkehr. Eigentlich völlig unsinnig! Das geht natürlich auch mit dem Wort, um das es uns geht: Sch***! Aber was soll's.

Ein zum Nachttopf umgenutzter Stahlhelm
Quelle: http://www.museumderdinge.de - überhaupt eine sehr empfehlenswerte Website!


DEGUSSA war (und ist, unter leicht verändertem Namen) die Deutsche Gold- Und Silber-Scheide-Anstalt: ein Unternehmen, das sich auf die Gewinnung (Scheidung) von reinen Edelmetallen aus vermischten Metallen spezialisiert hatte. An diesem extrem, sagen wir einmal: saubereren Beispiel erkennt man dieselbe Wortwurzel, aber wir wollen doch einmal genauer hinsehen. Der Zusammenhang zwischen faeces (das ist nun wirklich ganz vornehm für Scheiße) und Gold ist übrigens tiefenpsychologisch höchst interessant, soll aber an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden.i

Zum einen: Es ist offensichtlich, dass das englische "shit" auf dieselbe indogermanische Wurzel zurückgeht – das (englische) Wort wird in jüngster Zeit auch im Deutschen gern verwendet, meist mit derselben Bedeutung wie sein deutsches Äquivalent. Daneben haben beide Wörter einige unterschiedliche Bedeutungen. Das deutsche Wort wird dabei gern leicht modifiziert, also etwa "Scheiß" (=Unsinn), oder zusammengesetzt - "Scheißkerl" (=üble Type)"; das englische Wort bezeichnet dagegen auch Haschisch, doch in "no shit" heißt es "echt, kein Witz!"

In romanischen Sprachen ist von "merde", "merda" oder "mierda" die Rede, abgeleitet vom lateinischen"merda". "Merdam aedificavi!" heißt "da hab ich Scheiße gebaut", oder "Mist!"
Klar ist auch, dass es in fast allen Sprachen auch Synonyme gibt, gehobene wie vulgärere. Wenn der Arzt von "Stuhl" spricht, meint er oft nicht das Möbel, und der Jäger sagt "Losung", auch wenn er gerade reingetreten ist. Bei Vogelkot spricht der Jäger von "Geschmeiß" oder "Gestüber", aber auch wir kennen unterschiedliche Bezeichnungen für tierische Hinterlassenschaften, etwa "Kuhfladen", "Pferdeäpfel", "Hundehaufen", oder etwas allgemeiner "Mist" oder "Dung."° Oder, ganz allgemein und menschliche Fäkalien eingeschlossen, "Kot."°°
Im Gespräch mit kleinen Kinder ist oft von Kacka oder A'a die Rede; ersteres gibt es auch in der Erwachsenenform: "Kacke." Im Englischen spricht man gelegentlich von "crap" oder "turd", aber man gewinnt tatsächlich den Eindruck, dass Deutsch in dieser Beziehung erheblich kreativer ist als viele andere Sprachen.

Mediziner sprechen von "faeces" und wir auch, wenn von "Fäkalien" die Rede ist. An sich bedeutet das Wort "Bodensatz, Abschaum" – auch im übertragenen Sinn. Manchmal wird es moralisch: «Inter faeces et urinam nascimur» – 'zwischen Fäkalien und Urin erblicken wir das Licht der Welt'. Das Zitat stammt vom Kirchenvater Augustinus – was er damit gemeint hat, soll sich jeder selbst überlegen.

κόπρος (kopros) heißt merda auf griechisch; ein Koprolith etwa ist versteinerter Kot. Von kopros und kithos (Stein) – es gibt nichts, womit sich die Wissenschaft nicht befasst! (Befasst sie sich mit Kot, nennt sie sich Skatologie oder Koprologie). Bevor mich jetzt jemand der Koprolalie beschuldigt, höre ich besser auf. Denn das ist, laut Duden, die "krankhafte Neigung zum Aussprechen unanständiger, obszöner Wörter (meist aus dem analen Bereich)."

Dennoch: Ein Literaturtip muss sein:

Werner Holzwarth (Text) und Wolf Erlbruch (Bilder),
Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat. ISBN: 3779505037

Wer es noch nicht kennt, besorge es sich morgen!

Ach ja, noch was:
Der 19. November ist seit 2013 offizieller (von der UNO anerkannter) World Toilet Day. Die Begründung: More people in the world have a mobile phone than a toilet.
Dem ist nichts hinzuzufügen!

° Angeblich staunt der Rest der Welt über die in Deutschland immer noch weit verbreiteten Flachspüler-Toiletten, die eine Inspektion des Endprodukts zulassen, bevor gespült wird. Sooo genau wollen es die meisten gar nicht wissen. In ihrem 1974 erschienen Roman Fear of Flying belustigt sich die amerikanische Autorin Erica Jong über die "carefully contrived facade to intimidate foreigners with Germany's agressive wholesomeness." [die sorgfältig errichtete Fassade, um Fremde mit dem aggressiven deutschen Gesundheitsfimmel einzuschüchtern]
iWeil es aber gar so interessant ist, folgt demnächst mehr!
°What comes out of a cow and sounds like a bell? - Dung. (Spike Milligan)
°° Obwohl das Wort eher "Dreck" bedeutet, siehe "Kotflügel."



Freitag, 15. Januar 2016

Äpfel, Nüss und ...?

Apple, Nüss und Mandelkern
erklär' ich meinen Lesern gern...
                      obwohl, Apple...

"Nussfrüchte sind Schließfrüchte, bei denen alle drei Schichten der Fruchtwand (d. h. des Perikarps) verholzen. Meist wird dabei nur ein einzelner Samen umschlossen." So weit Wikipedia. Streng wissenschaftlich betrachtet, ist die Kokosnuss eigentlich keine Nuss, aber die Erdbeere ist eine, nämlich eine sogenannte Sammelnuss. – hä?

Und die Kastanie – ist die eine Nuss? Bucheckern, Eicheln oder Esskastanien sind Nüsse (im biologischen Sinn), Kokosnuss, Mandel, Muskat, Pistazie, Pekannuss oder Paranuss sind keine.

Das "neue Küchenlexikon" von Erhard Gorys definiert Nüsse als "Schalenobst, wohlschmeckende, von harter Schale umgebene Frucht- oder Samenteile" und zählt dann Beispiele auf: "Walnüsse, Haselnüsse, Paranüsse, Pistazien, Mandeln, Erdnüsse, Kokosnüsse." Also doch! Oder?

Pragmatische Definition: Wenn's knackt beim Essen, ist das fast immer eine Nuss.

" Schalenobst (auch Schalenfrüchte) ist die handelsübliche Bezeichnung für Obst, dessen Fruchtkerne von einer harten, meist holzigen Schale umgeben sind. Es handelt sich um Nüsse und Kerne, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Ihre Fruchtwand – die Schale bzw. das Perikarp – ist dagegen nicht zum Verzehr geeignet." Alles klar?

Wieso aber ist eine Walnuss eigentlich eine Walnuss? Eigentlich ist das eine 'Welsch'nuss, uns Germanen fremd, da sie aus Gallien (und Italien) stammt. Wie ja auch der welsche Wein. Der Name kommt also, wie auch die Nuss selbst, aus der Fremde; wohl über das Niederdeutsche walnut (vgl. Altnordisch valhnot, NL walnoot; AE walhnutu). Dieses 'walh' ("fremd", bes. italienisch oder französisch) steckt in 'Wales' (und in 'Welsh': die Waliser sind also "Fremde" im eigenen Land) genauso wie in Kauderwelsch. *

Und womit reicherte der Germane sein Müesli an, wenn ihm die Walnuss fremd war? Natürlich mit der einheimischen Haselnuss. Im Althochdeutschen hieß sie hasalnuz, die Nuss der Hasel. Hasel lässt sich nicht weiter ableiten; der Strauch ist halt eine Hasel.

Mandeln sind, wie wir oben gehört haben, keine Nüsse. (!)
Kokos und Macadamia

Der Name der in küstennahen tropischen und subtropischen Gebieten weltweit vorkommenden Kokosnuss ist vermutlich vom Plural der coco abgeleitet, wie die Nuss bei seefahrenden Völkern wie den Spaniern oder den Portugiesen hieß (wiederum abgeleitet von "Grinsgesicht" oder "Schreckgespenst"). Das "etymologische Wörterbuch" von Kluge vermutet einen letztlich griechischen Ursprung des Wortes: κóκκος hieß "Kern (von Früchten)", verwandt mit altfranzösisch coque, altprovenzalisch coca, "Nussschale"; im Provenzalischen auch coco, die Mandel.

Also gut: Mandel. Die Griechen nannten die Pflanze und deren Frucht ἀμυγδάλη (Amygdala), warum, weiß man nicht. Es hat jedenfalls nichts mit Natalie Portman (Padmé Amidala aus Star Wars) zu tun. Wie auch Bezeichnungen in anderen europäischen Sprachen – (engl.) almond, (frz.) amande (katalanisch) ametlla oder (esperanto) migdala leitet sich auch Mandel letztlich von dieser Wurzel her – in unserem Falle über das italienische mandorla.

Manchmal steckt in einem Wort eineVielfalt an kolonialer Geschichte: Der Cashewbaum ist in Brasilien beheimatet, und von den dort lebenden Tupi wurde er acajuba genannt. Das wiederum übernahmen die Portugiesen als acajú, was die Franzosen acajou schrieben und die Engländer zu cashew verkürzten. Oder anders gesagt: Die Portugiesen, Kolonialherren in Brasilien, führten den Baum ab dem 16. Jahrhundert auch in ihren Kolonien in Afrika (Moçambique) und Indien ein, von wo aus sich der Anbau der Pflanze verbreitete. Bei uns ist der Cashew'kern' (angeblich auch "Elefantenlaus" genannt), inzwischen recht beliebt als Knabberei; wir schreiben allerdings trotz Rechtschreibreform nicht Käschjuh, sondern benutzen, international geschult wie wir halt nun mal sind, den englischen Namen. Die Pistazie ist eine Verwandte der Cashew-Nuss, aber schon seit Jahrtausenden in der Alten Welt bekannt. Ob nun griech. πιστάκι (pistáki), lat.pistacium oder persisch پست (pista) – die Bezeichnungen sind verwandt, aber nicht weiter herleitbar.

Die Erdnuss heißt Erdnuss, weil – ja, warum eigentlich? Wächst die in der Erde, wie die Kartoffel, oder auf
der Erde, wie die Erdbeere (eine Nuss!), oder was? Die Erdnuss ist eigentlich eine Hülsenfrucht, also verwandt mit Erbsen, Bohnen und Co. und wächst in der Erde, weshalb sie eine Nuss ist. (?? - !) Sie ähnelt ihrer Kusine, der Erbse (engl. pea, daher peanut) und hat ausgesprochen possierliche Namen in anderen Sprachen. Ein paar Beispiele mögen genügen: kikirik (alban.), cneuen fwnci (walisisch), amendoim (port.), intongomana (isiZulu) oder jordnöt (schwed.). Gut, das letztere heißt auch nur Erd-Nuss. Aber cacahuate (span.; ähnlich frz. cacahuète)? Nun: Die Pflanze ist ursprünglich in den Anden beheimatet; Europäer lernten sie in Mexiko kennen und übernahmen (halbwegs getreu) den Namen aus der Nahuatl-Sprache: tlālcacahuatl. Das heißt übrigens "Kakaobohne der Erde".

Die Paranuss, auch Brasilnuss genannt, kommt aus – Brasilien. Aber warum dann Paranuss? Weil sie in Brasilien castanha-do-pará genannt wird, nach dem nördlichen Bundesstaat Pará.
Ein Newcomer auf dem Speiseplan der Deutschen ist die Macadamia-Nuss. Sie stammt aus Australien, wo sie Mitte des 19. Jahrhunderts von Walter Hill und dem deutschstämmigen Ferdinand von Müller entdeckt und erstmals wissenschaftlich beschrieben wurde. Macadamia heißt sie aber nach keinem der beiden, sondern nach einem befreundeten Wissenschaftler, John MacAdam.
"Die edelsten aller Nüsse haben einen unvergleichlichen Geschmack; sie enthalten kein Cholesterin, dafür aber wertvolle Mineralien und Vitamine," schreibt das oben genannte "neue Küchenlexikon" und vergisst zu erwähnen, dass Macadamianüsse auch so richtig teuer sind.

Tipp: Einmal eine Dose Macadamianüsse kaufen, auf der das auch draufsteht. Wenn die dann leer ist, kann man mit geschälten Haselnüssen auffüllen. In der kultivierten Wohnung rumstehen lassen, aber 'vergessen', sie anzubieten...

*Die Pekannuss, eine amerikanische Walnuss mit dem wissenschaftlichen Namen carya illinoinensis, ist der Staatsbaum von – nein, nicht Illinois: von Texas. Und hat natürlich einen eigenen National Pecan Day: 14. April. Der Name pecan ist im Übrigen indianisch.


Schönheit durch Möbel

In vielen Kulturen gilt es als das Normalste von der Welt, auf dem Boden zu hocken. Höchstens hat man noch ein Kissen, wenn man es extra bequem haben will, sonst nichtsi.

Dalí, Mae West: schöner wohnen?
In unseren Breiten ist das normale Sitzmöbel der Stuhl. Hat er keine Lehne, ist es ein Hocker; als einfacher Stuhl hat er eine Rückenlehne, gelegentlich ein Paar Armlehnen, und das genügt. Wenn der Hocker sehr niedrig istii, nennt man ihn Schemel. Das englische Wort für Schemel ist übrigens stool; den Stuhl nennt man chair – vom frz. chaise. (der Hocker heißt dann bei den Franzosen tabouret, aber das führt jetzt zu weit). Sowohl "Schemel" als auch "Stuhl" sind alte germanische Wörter.

Man kann alles polstern: den Hocker, den Stuhl; mit Armlehnen und Polstern ist das eín fauteuil. Im Englischen heißt er logischerweise armchair, der Sessel. Die Schweden schreiben übrigens fotölj, weil man es so spricht. Siehe Ikea.

Man kann den Sitz eines Stuhls verbreitern. Wenn dies hauptsächlich dem bequemeren Sitzen einer einzelnen Person dient, ist das normalerweise gepolstert und heißt dann Récamière oder chaise longue (oder schäslong auf Schwedisch). Chaiselongue, also "langer Stuhl", mit einer Armlehne und einem gestreckten Sitz. Soll das Möbel Platz für zwei bieten, ist das entweder eine Bank (zum Sitzen) oder ein Sofa (zum Sitzen oder/und Liegen). Eine kuriose Variante eines zweisitzigen Sofas ist die confidante (aus offensichtlichen Gründen auch tête-á-tête oder love seat geheißen); leider etwas aus der Mode!


Ist der Aspekt der Polsterung zwecks bequemem Sitzen das Wichtigste, ist es ein Kanapéeiii; will man die Füße dabei hochlegen, nennt man es eine Ottomane. Das wäre, wörtlich genommen, eine osmanische (will sagen: orientalische) Liege: man weiß ja, dass sich der Orientale beim Fernsehen gerne hinfläzt.

Da wir es in unseren Wohnzimmern heute gern voll bequem haben, steht da meist eine wahre Polstermöbelliegelandschaft herum, mit dem einen Ende ohne Rücken- oder Seitenpolster: zum Hochlegen der Füße. Da wir uns beim Fernsehen so richtig paschahaft vorkommen, nennen wir dieses Teil Ottomane. Die Leute bei Ikea nennen das schäslong, wenigstens in ihrem schwedischen Katalog.
dies ist ein Sofa!


Die Couch wiederum, mit zwei gepolsterten Arm- und einer ebenso gepolsterten Rückenlehne, dient vor allem dem Liegen. Schon der Name verrät es: couch – von frz. coucher "legen, liegen, schlafen". Allerdings dient sie, anders als das Bett, außerdem auch zum bequem Sitzen. Das kann man auf dem Bett schon auch, aber das steht im Schlafzimmer, und man kann es Besuchern nur anbieten, wenn die Bekanntschaft tiefer geht.

Wenn das Bett eine box-spring-Matratze hat und im Vereinigten Königreich steht, nennt man es gern divan; bei uns ist der Diwan zum einen längst aus der Mode, zum anderen bezeichnete das Wort – übrigens im Ursprung persisch – eine Art Sofa.

Fußnoten
iIn Akira Kurosawas Film Kagemusha von 1980 sieht man mehrfach eine Art Schemel, der offensichtlich nur dazu da ist, dem Samurai zu erlauben, den Ellbogen abzustützen, während er sich sinnierend den Schnurrbart streicht.


iiWenn der Hocker hochbeinig ist, handelt es sich um einen Barhocker. Interessanterweise bezeichnet dieses Wort das Möbel und nicht den Menschen, der an der Bar rumhockt. (Den könnte man ja Barrumhocker nennen).

iiiDas Interessanteste am Kanapee ist seine Etymologie. Am Anfang war die Stechmücke, griech. κωνωπσ (konops), das führte zu κωνωπεῖον (konopeion), "Mückennetz", und das wiederum, nun übertragen auf das Schlafmöbel, an dem es angebracht war, über Latein (conopium) und Französisch (canapé) zum Kanapee.