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Orange?

Dienstag, 4. März 2014

Die Auvergne in Paris





Als die ersten Auvergnaten in Paris siedelten – in größerer Zahl ab etwa dem 17. Jahrhundert -, verdienten sie ihren Lebensunterhalt als Scherenschleifer, Wasserträger und durch den Verkauf von Kaninchenfellen. Doch die Gemeinschaft der auvergnats in Paris wuchs erheblich, besonders nach dem Bau einer Eisenbahnlinie nach Rodez in Südfrankreich (1860) und auch deshalb, weil für den radikalen Umbau der Hauptstadt durch Baron Haussmann große Massen an Arbeitern gebraucht wurden.
Das 11. Arrondissement

Die Auvergne, eine Region im Massif Central, war (und ist) eine zwar von Natur aus reizvolle, aber eher arme Region. So kamen sie zu Zigtausenden, nicht nur, aber besonders aus der Auvergne in die Hauptstadt. Und anders als andere Bevölkerungsgruppen siedelten sie nahe beieinander und bestärkten einander gegenseitig, dasss man nur eine Zeit in Paris bleiben wollte, und dass man zurrückkehre, irgendwann.

M.Rascalou spielt die Cabrette
Sie waren eine sonderbare Gemeinschaft. Das Klischeebild des Auvergnats, eher klein, dunkel(haarig) und mit Schnurrbart, entsprach nicht dem Selbstbild des Parisers. Nicht nur, dass sie sich in überwiegender Mehrzahl in derselben Gegend niederließen (11. Arrondissement, d.h. etwa zwischen Bastille und dem Friedhof Père Lachaise), und das auch noch entsprechend den Regionen der Heimat, sieunterhielten auch in Paris noch ihre sozialen Netzwerke. Sie pflegten auch hier ihre traditionelle, ländliche Lebensweise, tanzten die Tänze aus dem Zentralmassiv und spielten den hergebrachten Dudelsack, die Cabrette. Sie sprachen auch ihre eigene Sprache, die langue d’oc aus dem Zentralmassiv. Da sie zusammenhielten und auch in Paris als Auvergnats lebten, waren sie im 11. Arrondissement sozusagen eine Auvergne im Kleinen.


Sie waren nicht alle wirtschaftlich erfolgreich; manche eben doch, und viele von diesen betrieben kleine Kohlehandlungen, die gleichzeitig als Cafés oder als Bars dienten. Daher auch der Name: cafés-charbon. Warum die Cafebetreiber aus der Auvergne auch noch ausgerechnet Kohle verkauften, ist nicht ganz leicht zu eruieren. Unter den, wie man heute sagen würde, Migrantengemeinschaften scheint sich ein gewisses Maß an Spezialisierung herausgebldet zu haben. Warum dies bei den Auvergnats ausgerechnet Kohlehandel war, ist nicht so einfach zu erklären. Es ist ja nicht so, dass die Auvergne ein klassisches Kohlerevier gewesen wäre. Von Mineralwasser und Taschenmesser bis hin zu Gummireifen (Michelin) sind dort zu Hause, Kohle nicht.
Jedenfalls wurden diese cafés-charbon zur Urform der für Frankreich, und besonders für Paris, so typischen Bistros. Mindestens eins von ihnen pfegt diese historischen Ursprünge sehr bewusst:
Café Charbon
109 rue Oberkampf
75011 Paris

In den 80er Jahren gab es eine Folkgruppe dieses Namens, ein Trio, bestehend aus Geige, Cabrette und Drehleier (vielle à roue), die zum erklärten Ziel hatte, „de jouer et mettre en valeur le répertoire traditionnel collecté au sein de la capitale”(wie es in dem Miniartikel der französischen Wikipédia heißt).