Was zählt
Es lebe der kleine Unterschied. Erst wenn man die Feinheiten einer Sprache beherrscht, hat man Sprachkompetenz: je subtiler, desto mehr. Das gilt auch und vor allem für die Muttersprache.
Es lebe der kleine Unterschied. Erst wenn man die Feinheiten einer Sprache beherrscht, hat man Sprachkompetenz: je subtiler, desto mehr. Das gilt auch und vor allem für die Muttersprache.
Erstaunlich
ist dabei, dass viele Menschen (Journalisten gar nicht ausgenommen!)
Unterschiede nicht achten, weil sie ihnen, sagen wir einmal: herzlich
egal sind.
Nehmen
wir zum Beispiel die grammatischen Kategorien "zählbar"
und "unzählbar". Geld kann man zählen – oder, genau
genommen, nicht. Denn was man zählt sind Münzen oder Banknoten.
Geld hat man viel, wenig oder keins. Deshalb kann man zwar sagen:
"Ich habe 3 €uroi",
oder "Ich habe 11 378 €uro auf dem Sparkonto", aber man
kann nicht sagen: "Ich habe zwei Geld" oder "drei Geld
fünfzig."
Es
gibt zugegebenermaßen Formulierungen, die etwas komplizierter sind.
Zum katholischen Beispiel: "Sie lebten jahrelang in Sünde,
bevor sie ihren Bund durch das Sakrament der Ehe besiegelten":
Hier ist gemeint "im Zustand der Sünde", und der ist
unzählbar. Doch man kann natürlich auch Sünden zählen: erst
aufzählen, dann bereuen. Dann können einem die Sünden (Plural!)
vergeben werden.
Doch
genug der Theologie! Auch mit Sorgen
geht beides: der "Zustands-Singular"ii
wie in "Armut bedeutet Kummer und Sorge..."
Und natürlich auch hier der quasi normale Plural: "Er
betrank sich, um seine Sorgen zu vergessen."
Oder – um noch ein Beispiel zu zitieren – bei Schlange:
"Es befanden sich
sieben Schlangen in der Wohnung des Ermordeten.
Schlangenbiss als
Todesursache ist daher nicht auszuschließen".
Aber! (jetzt kommt's): "An
der Kasse bei Alidl muss man regelmäßig Schlange stehen".
Das ist Singular; man kann nicht sagen "Man
muss Schlangen stehen, und wenn man nur einen Joghurt kaufen will".
Das
sind alles die Feinheiten, sozusagen für Fortgeschrittene. Ganz
elementar wird es jedoch, wiederum beim Thema "zählbar oder
nicht zählbar", wenn es um "viele" geht. Wenn es also
in der Zeitung heißt, "bei der Versammlung waren viel Leute
da", dann ist das -na?- falsch:
die Leute kann man zählen, und dann waren es vermutlich "viele".
Man sagt doch auch nicht "Er hatte viele Geld, aber sterben
musste er trotzdem". Beim Gegenteil ist es genauso: Es sind
"wenige Leute" und es ist "wenig Geld"; es war
jedoch (Achtung! das ist wieder für Fortgeschrittene) "wenig
Publikum" und der Verstorbene hatte "viele Mittel".
Die
Unterscheidung "viel/e" bzw. "wenig/e" ist ganz
natürlich und existiert z.B. auch im Englischen: "many (viele)
people" und "much capital". "Few friends (ein
Fall für facebook: wenige
Freunde)
und "little (wenig) money" (daher: few friends!). Is doch
logisch!
i Jetzt
wird der geneigte Leser sich wundern, warum das „drei Euro“
heißt und nicht „drei Euros“. Die einfache Antwort: Das hieß
ja auch nicht „drei Märker“ (zu D-Mark-Zeiten). Aber es handelt
sich ja um Summen, und nicht die Anzahl von Münzen. Klar? Klar!
ii Ein
interessanter Sonderfall von "Zustands-Singular" ist
Ludwig Uhlands Gedicht "Die schwäbische Kunde" ("Als
Kaiser Rotbart lobesam..."), wo es heißt "Viel Steine
[sic!] gab's und wenig Brot".
Fensterln
"to climb through one's sweetheart's window" kommt Ihnen vielleicht etwas umständlich vor, aber wenn man dem Französisch-Handwörterbuch von Langenscheid folgt, sagen die Franzosen "rendre visite à sa bien-aimée en grimpant par une échelle." Wahrscheinlich aber nur deshalb, weil man dort den Brauch gar nicht praktiziert, aber : "impossible n'est pas français," wie schon Napoleon sagte. (etwa: "hammer ned, gibt's ned")
Quizfrage: Wofür steht eigentlich DHL?
Antwort:
Dewey, Huey und Louey. Das sind die drei kreglen Neffen von Donald
Duck. Kleiner Scherz (aber nicht ganz so abartig wie es sich anhört!)
Natürlich
stehen die Buchstaben für den Paketdienst der Deutschen Post. "DHL",
damit dieser besser konkurrieren möge mit UPS. FedEx, GLS und
Konsorten. Da darf nicht "Post" draufstehen; das klingt
einfach nicht modern genug. Da sind drei Buchstaben besser, die
keiner versteht. Außerdem: wer versteht schon FedEx, - und war
nicht UPS die Ortung im Navi?
Versuchen
wir doch einfach mal, der Sache mit der uns eigenen Schläue auf den
Grund zu gehen. Das "D", so dürfen wir annehmen, steht
wohl für "Deutsch(e/er)". Und "L" kann
eigentlich nur "Logistik" heißen, logisch. So heißen die
Spediteure heute alle. Bleibt "H". Irgendwas wie "Deutsche
Heim Logistik". Nein, zu bieder. "Home Logistics"?
Müsste es dann nicht auch "G" für "German"
heißen? "GHL"?
Eine
harte Nuss! Hier ein paar andere Vorschläge, die irgendwie auch
nicht recht passen:
Highspeed
Hilfs-
Heavy?
Hurtig
(wie in "Hurtigruten")
Haupt-
Hardcore
?
- lächerlich!
Nein;
ausgeschrieben heißt das Unternehmen - Dalsey, Hillblom and Lynn.
Kein
Wunder, dass die das abgekürzt haben. Wer sind die eigentlich, diese
Daisy, Hildebrandt und – wie waren die Namen doch gleich? Und warum
heißt die Deutsche Post so?
Die
Herren sind Amerikaner, die ursprünglich einmal einen Kurierdienst
zwischen Kalifornien und Hawaii betrieben, offenbar so erfolgreich,
dass die Deutsche Post über die Maßen beeindruckt war.
Die
Details, wen's interessiert, kann man bei WikiWeißalles nachlesen.
DHL
ist nach eigenen Angaben das weltgrößte Logistikunternehmen, das in
mehr Ländern und Territorien aktiv ist als es gibt. Oder zumindest,
als die UN kennen. Man sehe sich die DHL Capabilities World Map auf
der DHL-Website an: So viel Angeberei sieht man selten. Andererseits:
Es stimmt wohl so ziemlich, trotz des bescheuerten Namens.
P.S. Aus urheberrechtlichen Gründen wurden die drei Entlein mit schwarzen Balken unkenntlich gemacht. Ein Prozess mit Disney ist einfach nicht drin.
Brot auf skandinavisch:
Brot
heißt
brød
auf Dänisch und Norwegisch, bröd
auf Schwedisch (daher ja auch knäckebröd), und brauð
auf Isländisch. Aber broed?
Ja,
dann ist broed
wahrscheinlich Finnisch!
Auf
Finnisch heißt es aber leipä,
und
Knäckebrot also näkkileipä.
Hauptsache typisch
Wikingerknäkk!
Nun,
Wikinger waren
ursprünglich aus Norwegen (und norwegische Wikinger besiedelten dann
die Färöer, Island, später Grönland und Vinland); Dänische
Wikinger besiedelten England und die nach ihnen benannte Normandie
(Nordmänner-land). Schwedische Wikinger erreichten sogar Byzanz,
halfen, das Reich der (Kiewer) Rus zu begründen, und schwedische
Wikinger siedelten auch in Süd-Finnland. Das waren aber wohlgemerkt
keine Finnen, keine "Viingit".
Finnische Wikinger gab es nicht, auch wenn der Rundschild mit der
finnischen Flagge drauf zugegebenermaßen nett aussieht.
crisp
ist natürlich Englisch, und man hätte natürlich auch knusprig
sagen können, oder gleich knakkig (so sieht das Wort skandinavischer
aus). Oder ritisevä,
wie die Finnen sagen.
Ja,
und Roggen? ruis
auf Finnisch. Und auf...skandinavisch? Rug (N, DK), råg (S), rúgur
(Isl) oder rye (Engl). Roggen ist zweifelsfrei deutsch .
Na
und? werden Sie sagen. Es lebe die Brotvielfalt!
Schon
gut, schon gut!
Aus der bunten Warenwelt
Bei Norma gibt’s demnächst
„dekorativen Raumduft”. Naja, Hauptsache, er klingt gut!
Nochwas: Hugendubel hat wieder mal
geramscht: „Taschenbuchmängel” zu €3,99. Nicht gerade billig
für Eselsohren, Flecken und Einrisse im Umschlag. Und warum sie dann
Taschenbücher vor das Schild stapeln, erscheint rätselhaft. Soll
man den Büchern die Mängel selbst zufügen?
abdingbar
Unsinn ohne Un macht Sinn; ähnlich ist es bei Unglück und -fall.
Die „machen” zumindest ein sinnvolles Wort auch ohne Un-. Ein
Huhn ohne „un” wäre -was, ein Hauch?; Hh.
Wie aber
ist es bei Untiefe? Ist die tief, oder un-? Ist das sehr viel
Wasser nach unten, oder eine Sandbank?
Eine
Frau kommt zum Rebben und fragt ihn: „Rebbe, leben wir, oder werden
wir gelebt?” Worauf der weise Mann sich durch den langen, weißen
Bart streicht und ihr mit Nachdruck und Überzeugung antwortet: „Ja!”
Man fragt den Duden1,
und der sagt - „Ja!” Man fragt den Wahrig2,
und der sagt – „Ja!” Man hätt gesollt fregn dem Rebben!
Im
Ernst: Untiefe ist beides: „Substantiv, feminin - 1. flache,
seichte Stelle in einem …2. große Tiefe”, wie der Duden ebenso
knapp wie richtig formuliert. Aber: Gibt es eine Unhöhe?
Versuchen Sie einmal, sich das vorzustellen! Na? - Schwierig, nicht?
Weil wir
gerade dabei sind: Ein Ungeheuer
kann zur Not auf einem Bein stehen, dann ist es ein Geheuer, und das
klingt immer noch gefährlich. Aber Getüm?3
Ein Hold?
Ist der manchmal flätig?
Andererseits
ist ein Unwetter so etwas wie ein Wetter, nur noch
stärker.
Ein
kurioser Grenzfall ist Sanktion, bekanntlich etwa
„Anerkennung, Billigung”. Sanktionen, also die Pluralform,
bedeutet „Strafmaßnahmen” - also glatt das Gegenteil. Ein
Grenzfall ist das Wort, weil der Bedeutungsunterschied im
Singular-Plural liegt.
Leiden
Sie an Platzangst? Dann erklären Sie das mal Ihrem Arzt. Der
meint nämlich Agoraphobie, wenn er sich mit Kollegen unterhält: die
Angst vor weiten Räumen (agora ist griechisch für
Marktplatz). Was Sie hingegen wahrscheinlich unter Platzangst
verstehen, ist Klaustrophobie, also die Angst vor engen
Räumen. Das wiederum weiß Ihr Arzt natürich auch, und die
Verwirrung ist komplett. (Theoretisch könnte das Wort auch die
„Angst vor dem Platzen” bedeuten, aber das wäre ja Unsinn).
Kurios
ist auch Modell (nicht Model!): Das Wort bedeutet manchmal so
etwas wie „Vorbild, Urbild (im platonischen Sinn), Archetyp”.
„Dies ist ein veraltetes Modell”, „Die fürstbischöfliche
Residenz in Würzburg wurde nach dem Modell des Schlosses von
Versailles gebaut”, oder „Er war ein Mensch, der geradezu
modellhaft lebte, was er predigte” - Solche Sätze sind
eindeutig..
Wenn Sie
jedoch ein Schiffsmodell in der Vitrine haben, ist das eben
nicht dasUrbild, sondern die Kopie. Ihre Modelleisenbahn auch.
Tatsächlich?
Tatsächlich!
„Er
gab vor, ein armer Schlucker zu sein. Tatsächlich aber war er
reich: Er hatte 300 000 DM ins Kopfkissen eingenäht.” (=nicht wie
erwartet; vielmehr...)
„Viele
hielten Uli H. für einen Gauner. Nun stellt sich heraus, dass er
tatsächlich mehrere Millionen € unterschlagen hat” (=es
stimmt; was viele vermuteten, stellt sich als wahr heraus).
Man
nennt solche Wörter Auto-Antonyme (oder Januswörter).
Sie sind am schönsten, wenn ihre beiden Bedeutungen gegenteilig
sind; diesem Ideal kommen sie mitunter nicht ganz nach, aber das muss
auch nicht immer sein.
Zu den
Un-wörtern: Wie wir gesehen haben, gibt es zwei Gruppen. Die einen
verkehren den Sinn ins Gegenteil, wenn man das Un- weglässt. Un-Wort
zum Beispiel. Bei den anderen bleibt ein Wort zurück, das gar keins
ist, da es seine Bedeutung verloren hat. Getüm, abdingbar
(gibt’s auch bei Verben) beholfen (gibt’s auch bei
Adjektiven und Adverbien), bedarft, gelenk, Befugter,
Fug
und mein
Lieblings-Wort-das-sein-Un-verloren-hat: wirsch
Und
jetzt sind Sie dran.
1Duden
online
2Wahrig
digital 2.1. Übrigens eine gute Alternative zum Duden.
3Dietlind
Neven-du Mont hat 1970 ein Kinderbuch mit diesem Titel
veröffentlicht. Getüme sind demnach eher geheuere Wesen.
Wörter, die auf -ac enden
das interessiert Sie nicht? Wieso denn nicht? Schauen Sie:
almanac – Almanach auf deutsch
ammoniac – Ammoniak auf
deutsch
elegiac
- elegisch auf
deutsch
aphrodisiac – Aphrodisiakum auf
deutsch
(Antoine Laumet de La Mothe, Sieur de)
Cadillac: Gründer von Detroit
(Yma) Sumac – peruanische Sängerin
ADAC – eigentlich nur eine Akü, kein
Akronym
Armagnac – Weinbrand aus der Gascogne
Cadillac – GM-Automarke
Cognac - Weinbrand
Crac des Chevaliers – Kreuzfahrerburg
in Syrien
cul de sac – „Hintern vom Beutel”:
Sackgasse
Diclofenac – entzündungshemmendes
Analgetikum: 2-[2-(2,6-Dichlorphenylamino)phenyl]acetic
(Joseph Louis) Gay-Lussac –
französischer Gasphysiker
Isaac – Isaak, יצחק
= „Gott hat einen Scherz gemacht”
lac – französische Seen heißen so
Mac – britische Bezeichnung für
einen Regenmantel: nach dem schottischen Erfinder Mackintosh
Mac – Computer (Mac[intosh]) von
Apple Corp.: von iMac bis MacBook
Pontiac – GM-Automarke: der
Namensgeber war Indianerhäuptling
Túpac (Amaru) – Inkakönig;
Movimiento Revolucionario Túpac Amaru – Untergrundbew. in Peru
Balzac, Honoré de – auteur
Chirac, Jacques frz. Präsident
1995-2007
Dirac, Paul* engl. (!) Quantenphysiker
attac - „association pour la taxation
des transactions financières et pour l'action citoyenne”
BOAC – British Overseas Airways
Corporation
fnac - „Fédération nationale
d'achats“
urspr. kelt. siedl. -acum
-> Carnac
oder occitanisch
-> Figeac
Fußnote zu Dirac:
*
Steigerungen (ganz ganz viele)
Steigerungen für Schwindelfreie (Link)
"dumpf dröhnend"
Ich weiß
nicht, wie sorgfältig Sie Ihren Duden lesen, aber – glauben Sie
mir – es ist doch immer wieder erbaulich. Und natürlich lehrreich.
Das gilt auch und gerade für den Duden Nummer eins (den heute viele
fälschlicherweise Nummer 1 Duden nennen würden). Rechtschreibung is
fun!
Testen
Sie sich doch mal! Wenn einer auf eine große Trommel haut – was
macht er da? Bum? Die Antwort ist richtig (zumindest laut Duden).
Jetzt müßten Sie das nicht auch noch definieren, also erklären, was das bedeutet
(das wäre die Nr.10: Bedeutungswörterbuch) wenn Sie nur der
Rechtschreib-Duden sind, aber vielleicht die Andeutung eines
Kontexts: Wie wird das Wort gebraucht? Zitieren wir hier den vollen
Eintrag des Duden (nach der 24., völlig neu bearbeiteten und
erweiterten Auflage von 2006):
bum!;
bum bum! (op. cit. S. 276).
Wieviel
Musik doch in einer kleinen Nebensächlichkeit stecken kann!
Nur der
Vollständigkeit halber: Bumbum gibt es auch, aber das steht ugs. für
Gepolter. Also bitte nicht verwechseln! Bummern heißt dröhnend
klopfen (dröhnend!), während ein dumpfer Schlag bums! macht
(dumpf!) Jetzt aufgemerkt! Was für eine Musik ist dann eine
Bumsmusik? Laut und dröhnend, heißt’s im Duden. Das überrascht,
denn das müßte doch eher dumpfe Musik sein.
Naja,
vielleicht erst nach der dritten Maß.(1)
Fußnote
(1) Der
online-Duden präzisiert hier noch: lärmende Musik einer Blaskapelle
o. Ä. mit dröhnendem Rhythmus
.
Yupela listen!
Manchmal
weist eine Sprache Lücken auf, von denen wir nichts ahnen – bis
wir eine andere Sprache lernen, die diese Lücken nicht hat. Das
zeigt sich schon auf der phonetischen Ebene, und da gibt es ja auch
die bekannten Missverständnisse und erheiternden Momente. Ein
Missverständnis ist es zum Beispiel, dass die Chinesen kein 'r'
aussprechen könnten und die Japaner kein 'l'. Beides ist Quatsch –
diese Sprachen unterscheiden oft nicht, jedenfalls nicht
systematisch, zwischen den beiden Lauten. Ausserdem heißt die
chinesische Währung Renminbi
– blöd, wenn das die Leute (Renmin)
nicht aussprechen könnten!
Wer
hätte nicht schon geschmunzelt angesichts der französischen
Unfähigkeit, ein 'h' schön zu artikulieren, und wer hätte nicht
Verständnis dafür, dass englischsprachige Menschen es amüsant
finden, wenn so mancher Kraut kein vernünftiges 'th' hinkriegt und
sich mit 's' behilft: laik
siss.
Die
Lücken, von denen oben die Rede war, sind oft, etwas weniger
offensichtlich, Strukturen der Grammatik. So können Sprachen wie das
Englische oder das Spanische schon im Verb ausdrücken, dass etwas
gerade geschieht: "I am writing" oder "estoy
escribiendo"; im Deutschen geht das so nicht, aber es geht. Man
nimmt ein Adverb zu Hilfe, "soeben", "gerade"
oder so etwas, Im Ruhrpott geht das sogar wörtlich wie im
Englischen: "ich bin gerade etwas am auf am Schreiben." Aber
die Subtilitäten, die sich etwa im Spanischen durch die
Unterscheidung zwischen "ser" (dauerhaft sein) und "estar"
(vorübergehend sein) auftun, sind beeindruckend.
Manchmal
sind sprachliche Lücken systemischer Teil einer ganzen
Sprachfamilie, und dann denkt man schon, das gehöre halt so, weil
die Welt so ist. Auch das ist natürlich Unsinn. So unterscheiden
viele afrikanische Sprachen (und nicht nur die!) zwischen belebten
und unbelebten Dingen, und das mit Recht: so ist die Welt halt. Und
nur, weil indoeuropäische Sprachen den Unterschied nicht machen,
heißt das nicht, das er nicht sinnvoll sein könnte.
Eine
kuriose Lücke europäischer Sprachen lässt mir schon länger keine
Ruhe: WIR. Wenn wir "wir" sagen, ist ganz und gar unklar,
wen wir damit meinen:
- uns selbst und den Angesprochenen,
- uns selbst und den Angesprochenen und noch andere,
- oder uns selbst und andere, aber ohne den Angesprochenen.
Doch gibt es
Sprachen, die es sehr viel genauer nehmen. So gibt es zum Beispiel in
Australien das "Roper River Kriol",
bei dem man unterscheidet etwa zwischen . yunmi
(du und ich - you'n'me), mindubala
(ich und jemand andres), melabat
(du. ich und andere) und mibala
(ich und einige andere, du nicht).
Ähnliches
gilt natürlich auch für andere Sprachen, so zB. das Mohawk in
Nordamerika, bei dem es sogar sechs Formen von 'wir' geben soll. Aber
in den indoeuropäischen Sprachen nimmt man das nicht so genau. Das
finden wir (melabat)
etwas merkwürdig!
Die
Informationen über das Roper River Kriol und das Mohawk entstammen
dem Buch
Mark
Abley, Spoken here. Travels among threatened languages (2003)
(1) Das
ist keine Sprache der Aborigines, auch kein Englisch, sondern eine
Sprache mit Wurzeln in beiden: eine sogenannte Kreolsprache (daher
ja auch der Name). Die angesprochenen Details stammen wohl zumindest
grammatisch aus dem Aborigine-Teil. Für hier und jetzt soll das
genügen.
teilen ≠ sich teilen
Man kann sich einen Apfel teilen, mit einem Geschwisterchen zum Beispiel. Da kriegt jeder was: auf Englisch sagt man "share". You share an apple:
Man kann auch einen Apfel teilen, vielleicht mit einem Messerlein. Dann hat man Stücke: auf Englisch sagt man "cut up". You cut up an apple.
Wenn man einen Text - im Internet zum Beispiel – so gut findet, dass andere ihn auch haben sollen, kann man ihn sich teilen (oder ihn erst mal mitteilen). You share a text, but you don't cut it up.
Denn "teilen" heißt "zerteilen", nicht "mitteilen"!
Eigentlich doch easy.
Jetzt nochmal dasselbe, und zwar wie im Duden: Es gibt "teilen", d.h. "ein Ganzes in Teile zerlegen", dann gibt es "sich etwas teilen" im Sinne von "zu gleichen Teilen sich an etw. beteiligen, an etw. teilhaben" und "etwas mit jemandem teilen" , was soviel heißt wie "gemeinsam (mit einem anderen) nutzen, benutzen, gebrauchen". [Zitate in Kursive sind Duden im Wortlaut]
Wenn man also im Internet beharrlich aufgefordert wird, eine Datei, ein Bild oder ein Video zu "teilen", ist das falsch übersetzt.
Ein ähnlicher Fall ist "finden": nicht nur bei eBay wird man so auf die Suche geschickt.
Eigentlich sollte man sagen "suchen". Denn "suchet, so werdet ihr finden" (Lukas 11, 9) heißt es schon in der Bibel, nicht "findet, so werdet ihr sonstwas tun".
wieviel/e ?
Es lebe der kleine Unterschied. Erst wenn man die Feinheiten einer Sprache beherrscht, hat man Sprachkompetenz: je subtiler, desto mehr. Das gilt auch und vor allem für die Muttersprache.
Erstaunlich ist dabei, dass viele Menschen (Journalisten gar nicht ausgenommen!) Unterschiede nicht achten, weil sie ihnen, sagen wir einmal: herzlich egal sind.
Nehmen wir zum Beispiel die grammatischen Kategorien "zählbar" und "unzählbar". Geld kann man zählen – oder, genau genommen, nicht. Denn was man zählt sind Münzen oder Banknoten. Geld hat man viel, wenig oder keins. Deshalb kann man zwar sagen: "Ich habe 3 €uro", oder "Ich habe 11 378 €uro auf dem Sparkonto", aber man kann nicht sagen: "Ich habe zwei Geld" oder "drei Geld fünfzig."
Es gibt zugegebenermaßen Formulierungen, die etwas komplizierter sind. Zum katholischen Beispiel: "Sie lebten jahrelang in Sünde, bevor sie ihren Bund durch das Sakrament der Ehe besiegelten": hier ist gemeint "im Zustand der Sünde", und der ist unzählbar. Doch man kann natürlich auch Sünden zählen: erst aufzählen, dann bereuen. Dann können einem die Sünden (Plural!) vergeben werden.
Doch genug der Theologie! Auch mit Sorgen geht beides: der "Zustands-Singular" (1) wie in "Armut bedeutet Kummer und Sorge..." Und natürlich auch hier der quasi normale Plural: "Er betrank sich, um seine Sorgen zu vergessen." Oder – um noch ein Beispiel zu zitieren – bei Schlange: "Es befanden sich sieben Schlangen in der Wohnung des Ermordeten. Schlangenbiss als Todesursache ist daher nicht auszuschließen". Aber! (jetzt kommt's): "An der Kasse bei Alidl muss man regelmäßig Schlange stehen". Das ist Singular; man kann nicht sagen "Man muss Schlangen stehen, und wenn man nur einen Joghurt kaufen will".
Das sind alles die Feinheiten, sozusagen für Fortgeschrittene. Ganz elementar wird es jedoch, wiederum beim Thema "zählbar oder nicht zählbar", wenn es um "viele" geht. Wenn es also in der Zeitung heißt, "bei der Versammlung waren viel Leute da", dann ist das -na?- falsch: die Leute kann man zählen, und dann waren es vermutlich "viele". Man sagt doch auch nicht "Er hatte viele Geld, aber sterben musste er trotzdem". Beim Gegenteil ist es genauso: Es sind "wenige Leute" und es ist "wenig Geld"; es war jedoch (Achtung! das ist wieder für Fortgeschrittene) "wenig Publikum" und der Verstorbene hatte "viele Mittel".
Die Unterscheidung "viel/e" bzw. "wenig/e" ist ganz natürlich und existiert z.B. auch im Englischen: "many (viele) people" und "much capital". "Few friends (ein Fall für facebook: wenige Freunde) und "little (wenig) money" (daher: few friends!). Is doch logisch!
Fußnote:
(1) Ein interessanter Sonderfall von "Zustands-Singular" ist Ludwig Uhlands Gedicht "Die schwäbische Kunde" ("Als Kaiser Rotbart lobesam..."), wo es heißt "Viel Steine [sic!] gab's und wenig Brot".
brauchen
≠
gebrauchen
Eine
inzwischen sehr weit verbreitete Ungenauigkeit – das klingt
pedantisch und ist doch oft ein Unterschied! - ist die
unterschiedliche Bedeutung von brauchen
und gebrauchen.
Ich
zitiere mal – den Wahrig:
"brau|chen
〈V. tr.; hat〉 jmdn. od. etwas ~ "
oder auch den Duden:
"brau|chen
<sw. V.; hat>
a)
nötig haben, [für sich] benötigen: etw. dringend b.
b) (zur Erledigung von etw. eine
bestimmte Zeit) benötigen, aufwenden müssen,
c) bedürfen"
Wie man halt so sagt: "Ich
brauche einen neuen Mantel" für "ach! hätte ich doch
einen neuen Mantel; der alte ist mir gar sehr verschlissen!".
Was man nicht sagt: "Ich
gebrauche einen neuen Mantel." Und warum nicht? Weil das heißen
würde "Ich benutze einen neuen Mantel".
Das ist erkennbar Unsinn! Und doch...
"Das kann ich gut brauchen!"
will sagen: "das kommt mir zupass", "kommt mir
gelegen", "füllt eine Lücke". Das sind schöne
Sätze.
"Au
ja, das kann ich gut gebrauchen"
hingegen ist widersinnig, denn das hieße ja "das kann ich gut
benutzen" oder "ich bin ein regelrechter Experte im
Gebrauch [von Mänteln]".
Aber:
Sowohl der oben zitierte Wahrig, als auch sein Kollege, der Duden
(1), führen neuerdings für brauchen
auch die Bedeutung an: "anwenden, verwenden, gebrauchen"
(Wahrig) bzw. "gebrauchen, verwenden, benutzen" (Duden).
Wieder eine Differenzierung, die uns
verloren geht. Doch muss man ja nicht jeden Unsinn mitmachen.
Fußnote.
(1) Ein Fall von Metonymie:
Nicht die beiden Herren (gestorben
1978 – W. - bzw. 1911 – D. -) sondern ihre Wörterbücher und die
sie betreuenden Verlage sind gemeint.
Eh klar!
Den Nagel auf den Kopf getroffen! Wir (mibala) haben uns sehr über diese Differenzierungen gefreut und konnten sie super brauchen und in Zukunft auch gebrauchen. Danke und weiter so!
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