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Sonntag, 7. April 2013

Geschichten vom nuklearen AtomKern und von seinen Gegnern

Wie wir alle einmal gelernt haben, bezeichnet Atom im Griechischen das letztlich Unteilbare der Materie (von a-tomos: a = „un-” und tomos wie in Computer-Tomographie, ein Aufnahmeverfahren, bei dem der Körper in zahllose Scheiben geteilt wird: tomos heißt „Schnitt, Teilung”). Als der Mensch gelernt hatte, das Unteilbare zu teilen – die Enrtdeckung der Atomspaltung durch Otto Hahn und Lise Meitner 1938 – setzte das ungeheuere Energien frei. Natürlich sann der Mensch nach, wie man diese Energien nutzen konnte und erfand – die Atombombe.
a terrible beauty is born


Zuerst erschauderte man und war fasziniert zugleich von der schrecklichen Schönheit (1)(2) der Explosion; schließlich setzten die Bomben von Hiroshima und Nagasaki dieselbe Energie frei, die die Sonne lodern ließ. Es war das Gleißen der Schöpfung, wenn auch in ihrem zerstörerischen Aspekt (3). Viele glaubten wohl auch, dass die Atombombe den Krieg abgekürzt und somit letzten Endes sogar Menschenleben gerettet hatte. Und man erzählte ihnen alsbald, dass der Mensch nun auch gelernt hätte, die Energie der Sonne friedlich zu nutzen, eine Energie, die – wie Hiroshima gezeigt hatte – so gewaltig war, dass sie praktisch endlos war, jetzt, da man sie beherrschte. Die Ur-Kraft der Atome in jedem Atomkraftwerk! (4)

Kleiner Zeitsprung in die siebziger Jahre: In Deutschland standen einige Atomkraftwerke herum, und die produzierten nicht nur billigen Atomstrom (man hatte in den Fünfzigern davon geredet, dass es in Bälde möglich sein würde, Strom so kostengünstig zu produzieren, dass es sich nicht lohnen würde, den Kunden überhaupt zahlen zu lassen), sondern auch Atommüll, und jede Menge Dissens. Denn ein immer lautstärker werdendes Häuflein Menschen, bald eine ganze Bewegung (die später die Partei Die Grünen ins Parlament spülte), begehrte auf, kritisierte die technischen, politischen und sozialen Unwägbarkeiten der Atomkraft, und der Slogan „Atomkraft – Nein danke!” war überall zu hören (und klebte dekorativ auf vielen Autos: eine kleine, rot-gelbe Sonne mit lachendem Gesicht). Ein Spruch der Gegenseite sei an dieser Stelle auch mal zitiert: „Atomkraftgegner überwintern/ bei Dunkelheit und kaltem Hintern” (5)

Interessant ist im Übrigen, dass es mittlerweile die Atomindustrie aufgegeben hatte, von „Atom” zu reden, sei es bei Strom, Kraftwerk oder überhaupt: Man nannte das alles nun „Kern-”: „Kernkraft”, „Kernenergie”, „Kernreaktor” und so weiter. Wenn sich dabei jemand an Gesundheit, Reformhaus (oder gar „bio”) erinnert fühlte – umso besser. Auf jeden Fall wollte man die einstmals so willkommene Assoziation mit der Atombombe nicht mehr (...und „Kernspaltung”, „Kernwaffen” und so weiter. Interessanterweise eben nicht: „Kernbombe”). Die Kernkraft(?)gegner sprachen natürlich weiter von „Atom” und von unangenehmen Dingen wie „Atommüll”.

Im Grunde gilt das heute noch, wenngleich die Debatte inzwischen weniger hitzig geführt wird und seit Tschernobyl und Fukushima sprechen sogar konservativere Kreise mitunter vom „Atom(!)ausstieg”.

Bei den Waffen sieht es interessanterweise noch einmal anders aus – auch hier gibt es „Fortschritte”, von der „H-bomb” bis hin zur „dirty bomb”, von transkontinentalen Langstreckenraketen bis zu den U-Boot-gestützten Mehrfachsprengköpfen (gibt’s die, oder habe ich mir die gerade eingebildet?) Denn hier kann man von „Atom”waffen(6) sprechen, von „Kern”waffen (7), aber natürlich, und das klingt dann noch komplizierter, von „nuklearen (8) Systemen”.

Warten wir also ab, was die Zukunft bringt. Denn – so sehr manche der Duden-Einträge an den Kalten Krieg und die damals verbreitete (9) Angst vor einem Atomkrieg gemahnen, irgendwie hat man das Gefühl, dass die Zeiten andere geworden sind, und so sprechen wir auch weniger von einem „nuklearen Winter” als von der „globalen Erwärmung”, auch wenn uns die Politiker (falsch! die gibt es nicht, aber große Teile der politischen Kaste) wieder mal nicht zuhören oder von „Sachzwängen” reden.

Nein, vielleicht wird es nicht so schlimm, und die Kernfusion (oder von mir aus „Atom”fusion) gelingt schließlich doch, und dann wird der Strom so billig, dass es sich nicht lohnen wird, dafür eine Rechnung zu schreiben, und dann fahren alle Autos mit dem sauberen und praktisch kostenlosen Fusions-Strom, und alle sind glücklich und froh bis an ihr Lebensende...




Fußnote
  1. „schreckliche Schönheit – a terrible beauty [is born]” ist ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat von William Butler Yeats (Easter 1916)
  2. Bizarrerweise trägt auch der Bikini seinen Namen nicht etwa, weil er zweiteilig ist („bi-” heißt ja „zwei-”, z. B. in bilateral oder (engl.) bicycle), sondern, weil sein Erfinder, der Franzose Louis Réard; für den Wäscheladen seiner Mutter den Zweiteiler erfand, der, so vermutete er, geradezu einschlagen würde wie eine Bombe: In jenem Jahr (1946) waren im Bikini-Atoll in der Südsee eine Reihe von Atombomben getestet worden: daher der Name.
    a terrible beauty ?
    Gleichzeitig arbeitete ein anderer Franzose, Jacques Heim, ebenfalls an einem zweiteiligen Badeanzug. Er wollte ihn „Atome” nennen...(Dieses nette Detail erwähnt zumindest der englischsprachige Wikipedia-Artikel)
  3. Scheinbar noch weiter hergeholt: Der indische Gott Shiva (oder, auf deutsch, „Schiwa”) ist Schöpfer und Zerstörer zugleich, und nur sein Tanz der Zerstörung („Shiva nataraj – Shiva der Herr des Tanzes” - eine sehr verbreitete Darstellung) macht überhaupt erst die Schöpfung möglich.
  4. Zur Klarstellung:: Nicht gemeint ist hier die sog. „starke Wechselwirkung” im Atomkern – neben der Schwerkraft, der „schwachen Wechselwirkung” und der elektromagnetischen Anziehung eine der vier Grund”kräfte” der Physik, zumindest nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Dinge.
  5. sowas heißt in der Rhetorik „argumentum ad hominem”, das bedeutet quasi einen Angriff unterhalb der Gürtellinie. Trotzdem: Das Zitat zeigt auch, wie emotional aufgeladen die Stimmung war.
  6. Dazu jede Menge Einträge im Duden, so z.B. die A.-Kraft, A.-Krieg, A.-Bunker und den A.-Angriff (wäre der Ihnen eingefallen?), aber auch den A.-Busen (vgl. Fußnote 2) und das A.-Ei („scherzhaft für Kern(!)reaktor”)
  7. Kern|waf|fe, die <meist Pl.>: Atomwaffe: taktische, strategische -n.” Daneben kennt der Duden noch die K.-Forschung und die K.-Explosion, die K.-Energie und das K.kraftwerk und den/die Kk,-gegner/in.
  8. nuklear, lt. Duden: „die Kernwaffen betreffend: die -e Strategie; -er Winter (mögliche Abkühlung der erdnahen Atmosphäre nach dem Einsatz von Kernwaffen); n. bedroht sein;” Das Ganze ist jedoch „bildungssprachlich”.
  9. Im doppelten Wortsinn: Nicht nur, dass sie weit verbreitet war, sie wurde auch regelrecht verbreitet...

Alle Dudenzitate aus:
© Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006 [CD-ROM].

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