Mal was über Orange.

Orange?

Freitag, 5. April 2013

Ordnung und Chaos


"Die Basis einer gesunden Ordnung ist ein großer Papierkorb." Kurt Tucholsky
"Was ist Chaos? Es ist jene Ordnung die man bei der Erschaffung der Welt zerstört hat." - Stanisław Jerzy Lec

Die Erde war wüst und leer: tohu wa bohu (תהו־ובהו); bei den Griechen tat sich der Abgrund auf, Abyss, das Chaos; auch in der nordischen Mythologie war zuerst die Leere da :
"Einst war das Alter, da Ymir lebte:/ Da war nicht Sand nicht See, nicht salzge Wellen,/
Nicht Erde fand sich noch Überhimmel,/ Gähnender Abgrund und Gras nirgend. (Völuspa).
Die moderne Chaosforschung (kein Witz: die gibt's tatsächlich!), also die Erforschng chaotischer Systeme, ist spannenden Dingen auf der Spur. Dabei kennt die moderne Forschung meinen Schreibtisch gar nicht. Vielmehr geht es um emergente Strukturen, also um das Entstehen von Strukturen aus dem Ungeordneten, die Selbstorganisation des Unorganisierten.

                            Soviel einstweilen die Forschung.
               Für die meisten Menschens steht fest: Der Mensch bringt Ordnung:  
Adam benennt die Tiere (Genesis 2, 19) bis hin zum schwedischen Naturforscher Linné (1707 - 1778) (der tut das auch). Während Adam sich auf Namen beschränkt, die gleichzeitig Bezeichnungen sind (generische Namen), führt Linné 1735 den binären Namen ein. Statt, wie bis dahin üblich, vom "gestreiften Käfer, der auf der Kartoffelpflanze sein schädliches Werk betreibt (oder ähnlich fantasievolle Beschreibungen)" zu sprechen, nennt er selbigen Kerf "Leptinotarsa decemlineata". Das ist zwar auch ein langer Name, aber er ist präzise und folgt einer Systematik: Populär ausgedrückt, besteht er aus Vor- und Nachnamen. So wie Giacomo Meyerbeer ein Individuum namens Giacomo in der Familie der Meyerbeers ist, ist unser Käferlein das Individuum "Decemlineatus" (für die Lateiner unter uns: weil er 10 Streifen hat) in der Familie – genau genommen nennt man die Sippschaft in der Biologie Gattung – der Leptinotarsa. Linné wählte lateinische Namen, weil das international verständlich war. Die Namen für Familie, Gattung, Art haben in der Regel auch deutsche Entsprechungen (so sind Leptinotarsa sog. Blattkäfer, und unser Beispiel ist natürlich der Kartoffelkäfer.( Das scheint aber nur uns Deutschen logisch, denn auf Englisch heißt er Colorado Beetle). Wenn der spanische Name nun escarabajo de la patata ist, leuchtet ein, dass es vielleicht für alle besser ist, lateinische Namen zu benutzen, denn das versteht z.B. der normale Russe oder die Chinesin nicht.

Aber das Wichtigste ist: Linné hat eine in sich stimmige Systematik geschaffen (die, nebenbei bemerkt, vor allem auf Sex[ualitätskriteerien] beruht. Aber das ist eine andere Geschichte), eine Systematik, die heute noch gilt.
Eine vorläufige Systematik der Schaffung von Ordnung sähe vielleicht so aus:
Nicht umsonst heißt es am Anfang der Bibel, dass die Erde "wüst und leer" gewesen sei. Am Anfang des Universums war die bloße Existenz, das ungeordnete Durcheinander, Chaos. Die Dinge nebeneinander, und keiner, der sie ordnete (auch Gott nicht, denn der ist mit der Schöpfung beschäftigt)., bis eben Adam kam.
Eine Aufzählung der Dinge, so ungeordnet sie sein mag, ist ein rhetorisches Mittel: der sog. Homerische Katalog. Der Ausdruck bezieht sich auf den zweiten Gesang der Ilias, wo Homer eine schier endlose Aufzählung der griechischen Schiffe und der Anführer des jeweiligen Kontingents gibt. Das zeigt nicht nur die enorme Größe der griechischen Truppen vor Troja, das hat mythische Dimensionen.
Demgegenüber hat die (geordnete) Liste fast schon etwas Banales, Bürokratisches Bei der Bestandsaufnahme empfiehlt sich eine Ordnung und eine gewisse Präzision geradezu von selbst. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass alle frühen Hochkulturen (Ägypten, Mesopotamien, Indus-Kultur) in dem Moment ins Licht der Geschichte rücken (alles vorher ist Vorgeschichte!), in dem sie die Mittel zur Inventarisierung und damit zur Planbarkeit der Warenströme entdecken: die Schrift, und mittelbar die Mathematik.
Verwandt, wenn auch nicht dasselbe, sind zum einen die sog. to-do-listen und die Agenden als Planung und mehr oder weniger verbindliche Abarbeitung von festen Programmpunkten. Sie dienen der Organisation von Arbeitsabläufen und strukturiertes Zeitmanagement. Hier könnte zum anderen auch der Einkaufszettel stehen, der hauptsächlich als Gedächtnisstütze dient: Die Hausfrau / noch schlimmer: den Hausmann) möchte ich sehen, die (der) nach einem Einkauf lediglich genau das mitbringt, was auf dem Einkaufszettel stand!
Die alphabetische Aufzählung hingegen hat mit Planung und Zeitabläufen nichts zu tun; sie bedient sich eines universellen Ordnungsschemas, das einen schnellen Zugriff auf Fakten ermöglicht, mehr nicht. Aber auch nicht weniger. Das Alphabet ist eine der großartigsten Erfindungen der Menschheit (und, das wiederum nebenbei, anderen Schreibsystemen, etwa den Hieroglyphen, weit überlegen). In letzter Konsequenz wäre unsere gesamte westliche Buchkultur nicht möglich gewesen. Auch Kulturen mit Piktogrammen oder Hieroglyphen schreiben, aber eine Geschichtsschreibung zum Beispiel tut sich damit schwer, Sach- und Fachbücher mit Index wie überhaupt Lexika sind kaum vorstellbar.
Das bringt uns schließlich zu strukturierten Ordnungssystemen, bei denen zum schnellen Zugriff auf Fakten zusätzliche Grundprinzipien zum Tragen kommen. So kann die Ordnung
- chronologisch sein, eine
    • topologische Sortierung – das sind sachbezogene Reihenfolgen (etwa beim Anziehen von Kleidungsstücken), oder
    • hierarchisch – man denke z.B. an soziale oder politische Rangfolgen; (Ranking)
Ein besonderer Fall sind taxonomische Systeme, die nach bestimmten Eigenschaften klassifizieren (diese Klassen sind die Taxa) und dabei Ordnungen produzieren, die es erlauben, Zusammenhänge wie Verwandtschaft, Abhängigkeit oder Identität darzustellen. Ein Beispiel, und zugleich das wohl bekannteste, ist die Linnésche Taxonomie, d. h. die Einteilung von Tier- und Pflanzenreich in vordefinierte Kategorien wie Stamm, Klasse, Familie, Gattung oder Art.
Ordnungssysteme

Am (vorläufigen) Schluss unserer Betrachtung von Ordnungsstrukturen stünde wohl sinnvollerweise die Datenbank: computerbasiert und entsprechend vielseitig verwendbar und von einer Dimension, wie sie sich weder Homer noch Linné hätten vorstellen können. Doch das ist nun auch eine ganz andere Geschichte (nämlich die der Datenverarbeitung).





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