Mal was über Orange.

Orange?

Samstag, 7. September 2013

1,000 Things To Do Before You Give Up


 
Als ”1,000 Places to See Before You Die” vor zehn Jahren erschien, fiel es erst mal auf: Im Titel eine kleine Erinnerung daran, dass wir sterblich sind – eigentlich hätte man annehmen können, dass das die potentiellen Kunden abschreckt, aber angesichts der Beliebtheit von Krimis und Thriller (im Folgenden nicht „Kriller” genannt) ist das ja vielleicht gerade das Faszinosum – und gleichzeitig eine Art Fahrplan, den man abarbeiten kann, um wirklich alles gesehen zu haben (1). Dann aber die Frage: wieso eigentlich? Wie sehr ich schon immer darunter litt, vermutlich niemals in meinem Leben in die Südsee oder nach Almaty zu kommen, kann vielleicht nur der nachvollziehen, der zwar in Krasnojarsk aufgewachsen ist, aber wahrscheinlich nie in Randersacker einen Schoppen trinken wird. Und, mal ehrlich: „In einer Jurte am Sung Köl”(Zitat) - reizt Sie das? Wo Sie doch bis gerade eben noch gar nicht wussten, wo das ist (in Kirgistan nämlich).

Außerdem ist das gar nicht der Punkt. Ich werde wahrscheinlich nie in die Südsee kommen, das stimmt, aber ich wüßte jetzt auch nicht, was ich da sollte, ich kenne dort ja doch niemanden Nein, das Geniale ist doch, dass sich das Prinzip zum einen verlängern und zum anderen übertragen läßt. Man kann also einerseits Bücher schreiben nach dem Prinzip ”1,000 Places in America to See Before You Die”, aber dann auch ”1,000 Places in Europe to See Before You Die”, ”....in Japan...” (für die Japaner) und natürlich auch „1000 Places to see before you die - Deutschland, Schweiz und Österreich,” für uns. Das Buch selbst ist schon auf deutsch, aber weil der Titel so halbwegs amerikanisch ist, steht auch drauf „Das Original” (und nicht etwa ”The Original”- sonst könnte man meinen, das ganze Buch sei amerikanisch). Es geht übrigens auch bescheidener: Ein deutscher Konkurrent hat ein Buch verfasst, „101 deutsche Orte, die man gesehen haben muss”, und das reicht doch auch. Jedenfalls brauche ich mich vor meinem Tod nicht so zu beeilen.

Wie dem auch sei: es gibt von Frau Schultzens Buch wohl unzählige Regionalausgaben „Wereld: 1000 plekken die je echt gezien moet hebben” wie auch ”1000 sitios que ver antes de morir”, nur leider nichts in Hindi.
Die Luxusausgabe in Leder
„Das Original” gibt es auch in leuchtend-orangefarbenem Leder und kostet dann $65. Oder in blau oder pink zum selben Preis und auch aus Leder. .Frau Schultz ist übrigens auch Mitautorin von ”Made in Italy: A Shoppers Guide to Florence, Milan, Rome & Venice” (was sagt uns das? Nichts nichts – ich wollt’s nur erwähnen...)

Das Prinzip läßt sich auch anwenden auf Produkte wie Kalender, Reisetagebuch (das soll man dann auch noch selber schreiben!) und natürlich eBook. Es läßt sich auch übertragen
Übrigens hat auch das oben erwähnte Buch über die 101 deutschen Orte bereits Nachahmungen gefunden, etwa „111 (!) Deutsche Wirtshäuser, ...” (derselbe Autor) oder „111 Orte in Hamburg...” (andere Autorin; sie übertreibt dann doch etwas), das irrwitzigerweise selbst nun wiederum variiert wird: „...in München...”, „...im Ruhrgebiet...”; wenn ich Lust habe, schreibe ich mal eins über „111 Orte in Würzburg, die man gesehen haben muss.” Warum nicht? „111 Deutsche Weine, die man getrunken haben muss („gesehen” reicht hier nicht)”, und Irgendjemand hat auch „111 Kölner Kneipen” gefunden.
Doch zurück zu Frau Schultz: „1,000 Recipes To Try Before You Die” (Kleiner Tipp von mir. Unbedingt Gerichte mit Knollenblätterpilzen vermeiden („Not To Try”)! Das Buch ist übrigens offensichtlich deutsch und hat gleich drei Autoren, von denen keine/r Schultz heißt: verdächtig!
Ebenso verdächtig wie naheliegend: ”1,000 Recordings to Hear Before You Die: A Listener's Life List” - aufgemacht exakt wie das Original von Frau Schulte. Ein ähnliches Buch, wenn auch in der Aufmachung tatsächlich abweichend, verspricht „1001 Songs: (2) die Sie hören sollten, bevor das Leben vorbei ist” zu sein. Bei Songs geht das ja noch, aber Wagneropern? Das geht (und gibt’s) auch mit Alben, auch Klassikalben und Filmen, jeweils 1001(!) und bei Filmen geht mir das ehrich zu weit! Nur der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es auch zum Thema „Bücher”, die wir „gelesen haben sollten” prätumbale (3) Empfehlungen gibt (liest eigentlich noch irgend jemand das Buch „Bildung” von diesem Schwanitz? Der wollte uns doch auch sein Thema in übersichtlicher Form nahebringen...). Dann gibt es „1001 Gemälde”, die wir „kennen sollten”, „Ultimative Charthits”, gnädigerweise nur 1000 (das Buch ist aber auch schon Anno 2000 erschienen und heißt dann im Untertitel „Die besten Songs und ihre Geschichte” . Die kann man sich auch nach dem Grab noch antun),
Sonst noch im Angebot: „1001 Foods”, „Lebensmittel, die wir probieren sollten...”(vgl. oben wg. Knolli), „Gärten” (!001, sehen), „Weine” (1001, probieren), „Kinder- und Jugenbücher” (1001, „Lies uns, bevor Du erwachsen bist”) oder auch: „1000 Gefühle: für die es keinen Namen gibt” - warum der Mensch dann meint, ein Buch darüber schreiben zu müssen, ist nicht nachvollziehbar, wenn auch vermutlich lukrativ.
Wie tiefgründig, wie weise und uns im Westen vielleicht nicht immer leicht verständlich ist doch der Asiate. Zitieren wir amazon.com (die amerikanische Mother of All Amazons) zur chinesischen Ausgabe von – Sie erinnern sich – 1,000 Places To See Before You Die:

Fußnoten:
  1. "At last, a book that tells you what's beautiful, what's fun and what's just unforgettable--everywhere on earth." – Newsweek. Das muss genügen!
  2. Der Zeichenfehler ist übrigens von amazon.de, nicht von mir!
  1. bevor das Leben vorbei ist”m von lat.: tumba, das Grab

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