‚Privat’ kommt von
lat.’privare’:und heißt, laut Online Latein WB ‚befreien von,
berauben’ ! Das klingt merkwürdig (und ist es auch), aber Stowasser [lateinisch-deutsches Schulwörterbuch: gemeinhin die
Autorität] definiert genauso.
Wenn man die Sache
näher betrachtet, hat sie tatsächlich zwei Aspekte: den privaten,
und den gesellschaftlichen. Dazu zitieren wie erst mal Jean-Jacques
Rousseaus Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der
Ungleichheit unter den Menschen (1755):
„Der erste, der
ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu
sagen »Dies gehört mir« und der Leute fand, die einfältig genug
waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der
bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie
viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart
geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen
zugerufen hätte: »Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken;
ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen,
aber die Erde niemandem gehört.“
Das erinnert
zunächst an Anarchisten von Proudhon (bekannt durch sein Urteil
„Eigentum ist Diebstahl”) bis hin zur Hausbesetzerszene.
Scheinbar unversöhnlich stehen die Interessen des Privatbesitzes,
der per definitionem abgetrennt ist von allem übrigen, und
die der Allgemeinheit gegeneinander. Denn letzlich kommt privat von
‚eigen, nicht gemein’ und steht im Gegensatz zu „communis”.
Irgendwie passend erscheint es dann, dass im Englischen „privet”
die Toilette bezeichnet, den Ort, wo man ganz ‚privat’ und bei
sich ist. Die Verbindung von ‚sitzen’ und ‚besitzen’ stellte
Sigmund Freud fest: Das Kleinkind durchlebt im Alter von ca. 2-3
Jahren die sogenannte ‚Anale Phase’ , in der es lernt, das
Ausscheiden von Exkrementen zu kontrollieren und dabei Ordnungssinn,
Konfliktfähigkeit und sozialen Umgang erlernt (und wenn’s
übertrieben wird mit der Reinlichkeitserziehung, wird das Kind
geizig). Soweit, etwas abgeplattet, Herr Doktor Freud.
Weiter zum Thema
Sitzen und Besitzen’: Einen Schatz (‚Hort’) hütet der Lindwurm
Fáfnir in der Nibelungensage (das Rheingold) bzw. ein Drache namens
Smaug bei Tolkien. Wenn man ‚hortet’, häuft man Besitz an: daher
der Geiz. Der Hort im Sinne von Kita kommt natürlich von lat.:
‚hortus’, der Garten (nicht allgemein Konsens, aber meine
Theorie!)
Die gesamte Welt
quasi als geistige Eigentum des ‚Einzigen’ bzw. ‚Eigners’ bei
Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum (1845) scheint
insgesamt doch übertrieben, aber er weist doch auf den geistigen
Prozess des Aneignens hin.
Fast immer hat
‚privat’ etwas Exklusives, das wird Ihnen jeder Kassenpatient
bestätigen. Theoretisch schließt meine Privatsphäre die Welt um
mich herum weitgehend aus. Außer bei facebook: Da kann ich selbst
entscheiden, wie privat meine Sphären sind, und dann kann ich das
wiederum über facebook allen mitteilen.
‚Idiot’ vom
griechischen „ἰδιώτης ”‚Privatmensch’, verstanden als
‚jemand., der nicht am öffentlichen Leben teilnimmt, für sich (im
Privaten) bleibt’ , betont vor allem den sozialen Aspekt. Das Wort
bezeichnet daneben auch: jemand., dem Fachwissen abgeht, im
militärischen Kontext ‚einfacher Soldat’ - im Engl. heute noch!
(‚private’ - vgl. Filmtitel „Saving Private Ryan”). Und weil
das Thema in letzter Zeit immmer mal wieder erfolgreich verfilmt
wurde, sei noch erwähnt: „Privateering” ist Seeräuberei! Gut,
nicht ganz, aber ein „Privateer” ist ein Kaperschiff, und das ist
ein privates Schiff, das – praktisch mit Genehmigung der Regierung
bzw des Regenten – der Seeräuberei nachgeht (z.B. Sir Francis
Drake).(1)
Interessante
Zusammenhänge tun sich auf beim englischen proper → ‚eigen’,
aber auch ‚angemessen, schicklich, zweckmäßig’. Entsprechend
gibt es zwei abgeleitete Substantive: „property” ‚Eigentum’
und „propriety”, ‚Schicklichkeit’. Wer „property” hat,
ist der Eigen(!)tümer; wer etwas besitzt, ist der „owner”, aber
„to own” heißt auch ‚zugeben, eingestehen’. In Komposita
heißt „own” etwa ‚eigen’; wie z:B: in „own brand” oder
„own goal” ‚Eigentor’ - eigenartig! Das gängigste Synonym
für „own” im Sinne von „zugeben”, nämlich „admit”,
heißt auch „zulassen, Zutritt gewähren” (Man denke an
Rousseaus Zaun!).
Ja, werden die
Juristen einwenden, was ist denn mit dem Nießbrauch? Wenn jemand das
Recht genießt, Gebrauch von einer Sache zu machen, spricht man von
Nießbrauch (oder, als Volljurist gerne auch von der
Verfügungsgewalt), aber man kann’s auch lassen: Nicht umsonst
studieren Juristen jahrelang, und am Schluss versteht sie dann doch
keiner.
„Eigentum verpflichtet” heißt im Grundgesetz (Art. 14(2)). Nur: wozu? Jedenfalls gab’s den entsprechenden Paragraphen schon in der Verfassung der Weimarer Republik ((§ 153, Abs. 3). Da ist was dran: der Versuch, das Eigentum nicht nur über den Privatbesitz zu definieren – das wäre ‚idiotisch’- sondern auch über das Wohl der Allgemeinheit. Wie heißt es doch so richtig in der Weimarer Verfassung?: „[Des Eigentums] Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.”
1 -
Fußnote
„Alle
die mit uns auf Kaperfahrt fahren/ müssen Männer mit Bärten sein /
Jan und Hein und Claas und Pit / die haben Bärte, die haben Bärte/
Jan und Hein und Claas und Pit,/die haben Bärte, die fahren mit .”
So heißt es in einem alten Lagerfeuerlied.
Auch
ein Kriterium!
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