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Orange?

Montag, 30. September 2013

private?? - you idiot!



‚Privat’ kommt von lat.’privare’:und heißt, laut Online Latein WB ‚befreien von, berauben’ ! Das klingt merkwürdig (und ist es auch), aber Stowasser [lateinisch-deutsches Schulwörterbuch: gemeinhin die Autorität] definiert genauso.
Wenn man die Sache näher betrachtet, hat sie tatsächlich zwei Aspekte: den privaten, und den gesellschaftlichen. Dazu zitieren wie erst mal Jean-Jacques Rousseaus Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen (1755):
„Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen »Dies gehört mir« und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: »Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört.“

Das erinnert zunächst an Anarchisten von Proudhon (bekannt durch sein Urteil „Eigentum ist Diebstahl”) bis hin zur Hausbesetzerszene. Scheinbar unversöhnlich stehen die Interessen des Privatbesitzes, der per definitionem abgetrennt ist von allem übrigen, und die der Allgemeinheit gegeneinander. Denn letzlich kommt privat von ‚eigen, nicht gemein’ und steht im Gegensatz zu „communis”. Irgendwie passend erscheint es dann, dass im Englischen „privet” die Toilette bezeichnet, den Ort, wo man ganz ‚privat’ und bei sich ist. Die Verbindung von ‚sitzen’ und ‚besitzen’ stellte Sigmund Freud fest: Das Kleinkind durchlebt im Alter von ca. 2-3 Jahren die sogenannte ‚Anale Phase’ , in der es lernt, das Ausscheiden von Exkrementen zu kontrollieren und dabei Ordnungssinn, Konfliktfähigkeit und sozialen Umgang erlernt (und wenn’s übertrieben wird mit der Reinlichkeitserziehung, wird das Kind geizig). Soweit, etwas abgeplattet, Herr Doktor Freud.

Weiter zum Thema Sitzen und Besitzen’: Einen Schatz (‚Hort’) hütet der Lindwurm Fáfnir in der Nibelungensage (das Rheingold) bzw. ein Drache namens Smaug bei Tolkien. Wenn man ‚hortet’, häuft man Besitz an: daher der Geiz. Der Hort im Sinne von Kita kommt natürlich von lat.: ‚hortus’, der Garten (nicht allgemein Konsens, aber meine Theorie!)

Die gesamte Welt quasi als geistige Eigentum des ‚Einzigen’ bzw. ‚Eigners’ bei Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum (1845) scheint insgesamt doch übertrieben, aber er weist doch auf den geistigen Prozess des Aneignens hin.
Fast immer hat ‚privat’ etwas Exklusives, das wird Ihnen jeder Kassenpatient bestätigen. Theoretisch schließt meine Privatsphäre die Welt um mich herum weitgehend aus. Außer bei facebook: Da kann ich selbst entscheiden, wie privat meine Sphären sind, und dann kann ich das wiederum über facebook allen mitteilen.

‚Idiot’ vom griechischen „ἰδιώτης ”‚Privatmensch’, verstanden als ‚jemand., der nicht am öffentlichen Leben teilnimmt, für sich (im Privaten) bleibt’ , betont vor allem den sozialen Aspekt. Das Wort bezeichnet daneben auch: jemand., dem Fachwissen abgeht, im militärischen Kontext ‚einfacher Soldat’ - im Engl. heute noch! (‚private’ - vgl. Filmtitel „Saving Private Ryan”). Und weil das Thema in letzter Zeit immmer mal wieder erfolgreich verfilmt wurde, sei noch erwähnt: „Privateering” ist Seeräuberei! Gut, nicht ganz, aber ein „Privateer” ist ein Kaperschiff, und das ist ein privates Schiff, das – praktisch mit Genehmigung der Regierung bzw des Regenten – der Seeräuberei nachgeht (z.B. Sir Francis Drake).(1)

Interessante Zusammenhänge tun sich auf beim englischen proper → ‚eigen’, aber auch ‚angemessen, schicklich, zweckmäßig’. Entsprechend gibt es zwei abgeleitete Substantive: „property” ‚Eigentum’ und „propriety”, ‚Schicklichkeit’. Wer „property” hat, ist der Eigen(!)tümer; wer etwas besitzt, ist der „owner”, aber „to own” heißt auch ‚zugeben, eingestehen’. In Komposita heißt „own” etwa ‚eigen’; wie z:B: in „own brand” oder „own goal” ‚Eigentor’ - eigenartig! Das gängigste Synonym für „own” im Sinne von „zugeben”, nämlich „admit”, heißt auch „zulassen, Zutritt gewähren” (Man denke an Rousseaus Zaun!).

Ja, werden die Juristen einwenden, was ist denn mit dem Nießbrauch? Wenn jemand das Recht genießt, Gebrauch von einer Sache zu machen, spricht man von Nießbrauch (oder, als Volljurist gerne auch von der Verfügungsgewalt), aber man kann’s auch lassen: Nicht umsonst studieren Juristen jahrelang, und am Schluss versteht sie dann doch keiner.


„Eigentum verpflichtet” heißt im Grundgesetz (Art. 14(2)). Nur: wozu? Jedenfalls gab’s den entsprechenden Paragraphen schon in der Verfassung der Weimarer Republik ((§ 153, Abs. 3). Da ist was dran: der Versuch, das Eigentum nicht nur über den Privatbesitz zu definieren – das wäre ‚idiotisch’- sondern auch über das Wohl der Allgemeinheit. Wie heißt es doch so richtig in der Weimarer Verfassung?: „[Des Eigentums] Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.”

1 - Fußnote
Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren/ müssen Männer mit Bärten sein / Jan und Hein und Claas und Pit / die haben Bärte, die haben Bärte/ Jan und Hein und Claas und Pit,/die haben Bärte, die fahren mit .” So heißt es in einem alten Lagerfeuerlied.
Auch ein Kriterium!

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