Mal was über Orange.

Orange?

Dienstag, 28. März 2017

Orange


Orange ville
Orange ist ein eher kleiner (30.000 Ew.) Ort in der Provence, heute politisch rechts, mit ein paar Sehenswürdigkeiten – vor allem römische – und einer reizvollen Umgebung (Gorges de Ardèche). Den schönen Namen trägt er eher aus Zufall: Eigentlich hieß der Ort Arausio, nach einem keltisch-ligurischen Wassergott. Das jedenfalls weiß Wikipedia zu berichteni. Jedenfalls war Orange der Schauplatz einer Schlacht (105 v.Chr.) zwischen Kimbern und Teutonen: Germanen, also nicht einmal Kelten! Egal: im Laufe der Zeit wurde aus Arausio schließlich Orange, durch lautliche Angleichung (vielleicht auch wegen dem französischen Wort or, “Gold“) und zu dem Thema gleich mehr.

Orange wurde unter den Römern eine wichtige Provinzstadt (um es einmal etwas widersprüchlich zu formulieren); 412 (jetzt n.Chr.) von den Westgoten eingenommen und fürderhin ein Bischofssitz der christlichen Kirche, woselbst die Synode von Arausio stattfand. Der geneigt Leser wird sich erinnern: Das war jene Kirchenversammlung, auf der mit dem Pelagianismus ein für allemal aufgeräumt wurde. Doch wir schweifen ab!

Die Diözese wurde Titular-Diözese – das heißt, sie existierte (bis 1801), aber nur noch virtuell – und verlor an Bedeutung. Orange wurde zum Fürstentum Orange im Heiligen Römischen Reich und 'fiel', wie man so schön sagt, im Frieden von Utrecht 1713 an das Haus Nassau. Nanu? Werden Sie jetzt argwöhnen: die Hauptstadt der Bahamas?! Sie wundern sich zurecht: Das Nassauii, das hier gemeint ist, liegt an der Lahn, nicht in der Karibik.  

Bei der Entwicklung des niederländischen Königshauses war einer der führenden Köpfe des Widerstands gegen die spanische Oberherrschaft (Was Herr Prof. Schilleriii in Weimar den“Abfall der vereinigten Niederlande“ nannte), Willem de Zweijger (der Schweiger) zum Begründer der Dynastie geworden, die sich heute noch Oranje-Nassau nennt, obwohl sie keinen Anspruch auf das südfranzösische Fürstentum mehr erhebt.
Dieses war mit der Französischen Revolution wieder französischiv geworden und verschwindet jetzt erst mal aus unserer Erörterung.


Wie oben schon erwähnt, wurde aus Arausio allmählich Orange, durch lautliche Angleichung an den Namen der Frucht, heißt es. Diese aber trägt einen alten, sehr alten Namen. Im Sanskrit heißt sie nāraṅgaḥ, auf Persisch nārang und auf Arabisch nāranj. Naja, wird sich der Leser denken, sooo ähnlich klingt das unserem Wort nun auch wieder nicht! 'Unser' Wort ist übrigens ein direkter Import aus den Französischen, dem man das auch anhört. Denn weder der nasale Vokal / ã / noch das / ʒ /v des Schlusslauts existiert im deutschen Grundwortschatz.

Spannender ist aber die Frage: Wo bleibt das 'n' vom Wortanfang? Das werden Sie jetzt nicht glauben: Das blieb am Artikel kleben! Zwar nicht im Deutschen, aber im Englischen und im Französischen war wohl die ursprüngliche Form un norange bzw. a norange, und allmählich fasste man den Nasallaut nicht mehr als Teil des Substantivs auf, sondern als Schluss-n des unbestimmten Artikels, also un orange, bzw. an orange.

Diese Erscheinung nennen die Linguisten Rebracketing. Eine extreme Form dieser falschen Worttrennung stellen übrigens die zahllosen Wörter dar, die arabischen Ursprungs sind und mit Al- beginnen, wie z. B. Alkohol, Algebra und so weiter. Hier wurde in vielen abendländischen Sprachen der ganze Artikel (al) dem Substantiv zugeschlagen. Oder el lagarto, wie die Spanier ein Tier – eigentlich ja „Eidechse“ - nennen, das in anderen Sprachen Alligator wurde. Das nur am Rande.

Übrigens: die Orange heißt im Spanischen naranja. Das 'n' ist da, wo es hingehört.
Europa lernte die Frucht zwischen Spät und -mittelalter kennen, und meist auch die Farbe dazu. Da fragt man sich natürlich gleich, wie unsere Vorfahren den Farbton nannten, bevor ihnen die Frucht unterkam. Nun, da gibt es einige Möglichkeiten, etwa gelbrot oder rotgelb, karottengelb oder gülden oder dergleichen.

Unsere germanischen Vorfahren übernahmen oft die Farbbezeichnung, aber nicht den Namen der Frucht. Eingedenk ihres exotischen Ursprungs – Orient, China gar! - nannte man sie “Apfel aus China“, “Apfelsine“. Genau genommen wurde im Mittelalter zuerst die bittere Form der Orange, die sogenannte Pomeranze (von lat. pomum aurantium, “goldener Apfel“) im Abendland eingeführt und erst später, im 15. Jahrhundert, die Orange, wie wir sie heute kennen. Noch Goethe dichtet im Lied der Mignon “Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,/ Im dunklen Laub die Goldorangen glühn,...“

Kumquats
Kumquats

Ob Goldorange oder Pomeranze, Grapefruit oder Pomelovi, Zitrone, Limette oder Kumquat – das sind jeweils verschiedene Varianten derselben verlockend-leuchtenden Frucht.

P.S. Haben Sie's gemerkt? Ein ganzer Artikel über Orange und kein Wort über die Oranje elftalvii !



Die Fußnoten:
iWeder Bernard Maier, Lexikon der keltischen Religion und Kultur, Stuttgart 1994 , noch Green, The Gods of the Celts, Godalming 1986, kennen diese Gottheit. Wahrscheinlich der Gott eines kleinen Fließgewässers.

iiGanz im Gegenteil: Nassau auf den Bahamas wurde nach Nassau-Oranien benannt; ebenso der spätere Oranje Vrijstaat in Südafrika

iiiJa, genau der! Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759-1805)
ivBei näherer Betrachtung ist dem nicht so einfach...Wann, und in welchen Grenzen ist Frankreich auch wirklich Frankreich?

vGern auch (etwas unschön) stimmlos / ʃ /. Eindeutig falsch aber: „ein orangschenes Kleid.“

viDie Bezeichnungen sind nicht immer eindeutig und etymologisch oft unklar. So hat z.B. die Grapefruit offenbar etwas mit grape, “Traube“ zu tun – aber was? Ihr deutscher Name, Pampelmuse, könnte von einem tamilischen Wort abgeleitet sein, so Wikipedia, vielleicht aus dem Holländischen, wo es dann “dickes Stück [einer Zitrusfrucht]“ hieße...Auch die Früchte werden gern durcheinandergebracht: Die Orange sei eine Kreuzung Mandarine x Pampelmuse; Orange x Pampelmuse sei Grapefruit, oder auch Pomelo. Zitrone hingegen sei Pomeranze x Zedrate (=Zitronatzitrone); die Limette ist nicht ganz dasselbe wie Limone (obwohl Limette nur “kleine Limone“ bedeute. Und übrigens: die Kumquat ist eine kleine Pomeranze..
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vii Nederlands voetbalelftal, aber das wussten Sie ja...



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