Mal was über Orange.

Orange?

Samstag, 5. Januar 2013

Zahlen - einmal kompliziert

Zahlen sind ja das einzige, was zählt. Meinen zumindest die Mathematiker. Ist ja auch logisch! (1) Nun ist ausgerechnet eine Sprache, die sich für den Inbegriff des Logischen hält, das Französische nämlich, etwas - nun , sagen wir mal: umständlich, wenn's um die Zahlen geht. Denn wie sagt der Franzose, wenn er etwa 99 meint? Quatre-vingt-dix-neuf sagt er da, etwa vier (mal) zwanzig (und) zehn-neun. Und wir hatten schon Komplexe, weil wir sechs-und-dreißig sagen, wenn wir thirty-six meinen...

Geht es denn noch umständlicher als Französisch, wenn es um's Zählen geht?
Nur Geduld, Freunde, es geht!

Blicken wir einmal nach Wales. Dort spricht man, wie wir wahrscheinlich wissen, neben Englisch noch ein anderes, keltisches Idiom, das Kymrische (auch Welsh oder Walisisch genannt). Und da zählt man brav und unkompliziert:
  1. un (gesprochen: ihn)
  2. dau (bzw. dwy als weibliche Form) (sprich dai bzw. dui)
  3. tri (bzw. tair)
  4. pedwar (pedair)
  5. pump (sprich: pimp)
  6. chwech
  7. saith
  8. wyth (sprich uith, mit "englischem" th)
  9. naw (spricht man nau)
  10. deg

So weit, so nachvollziehbar. Aber dann:
  1. un-ar-ddeg - wörtlich: eins-über-zehn (2)
  2. deuddeg - etwas unregelmäßig, halt wie zwölf auch
  3. tri-ar-ddeg - drei-über-zehn
  4. pedwar-ar-ddeg - vier-über-zehn: kennen wir schon
  5. pymtheg - wortwörtlich: fünf-zehn. Seltsam!

Na gut, aber dann:
  1. un-ar-bymtheg
  2. dau (oder dwy)-ar-bymtheg und so weiter, und so fort...! ..?? oder??!
  3. ...klar...aber
19. heißt: deunaw (sprich dainau): zwei(mal)-neun!
20 wiederum ist einfach: ugain (sprich igain)
und natürlich:
21 heißt un-ar-hugain. Und so geht es geradezu logisch weiter, bis 30, das heißt deg-ar-hugain, also zehn-über-zwanzig.

Und damit weiter und folgerichtig bis...da wären Sie jetzt nie draufgekommen: bis 39! Das heißt, man halte sich fest: pedwar-ar-bymtheg-ar-hugain, also vier-über-fünfzehn-über-zwanzig. (Höre ich hier irgendeinen Franzosen stöhnen? Nein? Na dann weiter:)

Wer jetzt glaubt, 40 wäre eine komplizierte Rechenaufgabe, der irrt: deugain - zwei(mal) zwanzig. Und dann: 41 ist un-a-deugain, 42 ist dau-a-deugain (haben Sie's bemerkt? Plötzlich heißt es -a- und nicht -ar-; man sagt also etwa ein-und-vierzig, nicht eins-über-vierzig, usw.). So geht es zu bis... na? Bis pedwar-ar-bymtheg-a-deugain, also 59 (bzw. vier-über-fünfzehn-und-zwei(mal)- zwanzig); dann kommt trigain (dreimal zwanzig), also 60, dann einigermaßen folgerichtig weiter bis pedwar ugain, feierlich ohne Bindestrich (weil's so eine große Zahl ist: 80, also vier(mal) zwanzig!)

Rechnen wir mal: nach pedwar-ar-bymtheg a phedwar ugain kommt? richtig!: 100. Cant heißt das, kurz und bündig. Und dann geht's weiter mit cant ac un, cant a dau usw. usf. bis ...Achtung: cant a phedwar-ar-bymtheg a phedwar ugain, also (na? -) 199. Dann dau gant, 200, und so fort.

Natürlich muß man berücksichtigen, daß die weiblichen Formen genommen werden, wenn man über weibliche Wesen oder Dinge spricht. Merch heißt Mädchen, zwei Mädchen also dwy ferch (m mutiert zu f und spricht sich wie v). Wenn's nun 79 Mädchen sind, sind's pedair merch a bymtheg a thrigain

So - das waren die klassischen Formen. Zunehmend gibt es auch im Walisischen einfachere Formen, das sei zugegeben; statt deg-ar-deugain für 50 geht auch hanner cant, also halb hundert, und sogar Formen wie dau-ddeg-un (wörtlich twenty-one) werden immer öfters verwendet, vor allem von der Jugend. Aber wäre es nicht schade, wenn so eine schöne Tradition ausstürbe?

Ein herzliches diolch yn fawr an Robin Huw Bowen für seine unersetzliche Hilfe....

Fußnoten:

(1) Hier böte sich jetzt eine geradezu geniale Abschweifung an, etwa wegen "logos", was ja "Wort" heißt, und wie wir Sprachler ja wissen, sind Worte das Einzige, was wirklich zählt...schrieb ja auch schon Goethe in seinem Faust. Aber was sollen hier Abschweifungen!
  1. Wer genau hinschaut, wird merken, dass sich hier noch etwas eingeschlichen hat: es heißt nicht *un-ar-deg, sondern un-ar-ddeg. Weiter unten, bei 15 heißt es pymtheg (nicht -deg) und so weiter. Das Ganze hat gute phonetische Gründe und ist typisch für die keltischen Sprachen. Man nennt es Mutation, aber das wäre ein ganz eigenes (kompliziertes) Kapitel..Im Folgenden sind Mutationen fettgedruckt, wenn sie erstmals auftauchen


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen