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Samstag, 1. Dezember 2012

Fachwerk



Man muss nicht vom Fach sein, um Fachwerk zu mögen; es hat (heute, muss man sagen; früher war das anders) etwas Romantisches und gilt als so deutsch wie Grimms Märchen. Fragen Sie einmal die Heerscharen von japanischen Touristen, die durch Rothenburg ziehen, was ihnen dort so gefällt! Eigentlich war die Fachwerk-Bauweise die Art, wie weniger begüterte Menschen ihre Häuser bauten. Wer es sich leisten konnte, baute in Stein (war also "steinreich". Das gilt natürlich nicht für den Backstein). Fachwerk besteht aus einem Skelett von Hölzern, die senkrecht (Ständer), waagerecht (Riegel) und zumindest in Deutschland auch schräg (Streben) angebracht sind und beim fertigen Bau von außen zu sehen sind. Die Fächer dazwischen (daher "Fach"werk) wurden entweder mit einem Weidengeflecht verschlossen, das mit Lehm verschmiert wurde, oder sie wurden mit Steinen (mancherorts dann auch mit Backsteinen) verfüllt und gewöhnlich weiß gestrichen. Die Balken blieben dann meist braun, wurden gelegentlich auch farbig bemalt. Später, als man sich der "billigen" Bauweise schämte, wurde oft die ganze Fassade verputzt, das Fachwerk also versteckt. Mit etwas Gewöhnung sieht man es diesen Häusern an, was unter dem Putz liegt.


Auf jeden Fall, und das ist das Schöne am Fachwerk, ist jedes Haus ein Individuum, jeder Balken ist anders krumm, und das Ganze lebt und atmet geradezu. Übrigens gibt es regionale "Schulen" im Fachwerkbau: Rheinisch-Fränkisch, Nord- und Ostmitteldeutsch, und Schwäbisch-Alemannisch. Einzelheiten würden jetzt zu weit führen. Aber so leuchtet ein, warum Zimmerleute "auf die Walz" gingen – man sieht sie gelegentlich heute noch. Die breit ausgestellten Hosenbeine (mit "Schlag": damit kein Sägemehl in die Schuhe fiel), die Weste mit (8) Perlmuttknöpfen und der breitkrempige Hut (wiederum damit kein Sägemehl in den Kragen fiel) – kein Zweifel am "zünftigen" Zimmermann (ein "ehrbares" Handwerk!) Er hatte übrigens auch meist einen (nur einen!) Ohrring, und wenn ihm der unehrenhaft abgerissen wurde, war er ein "Schlitzohr". Ach ja, und auf die Walz ging er natürlich, um möglichst viele Konstruktionsweisen kennenzulernen.



Fachwerk gibt es auch in Osteuropa, etwa in Böhmen, Polen oder Litauen, aber es ist dort in aller Regel eine Folge der Besiedlung dieser Landstriche durch deutsche Immigranten, also, wenn man so will, "deutsches Fachwerk" und sieht auch so aus.



Fachwerk ("timber framing") in England (kaum in anderen Teilen der britischen Inseln) ist französisch (bzw. normannisch) beeinflußt und zeichnet sich durch enggestellte Ständer ("studs") aus, praktisch ohne Streben und Riegel.  

Eine britische Besonderheit sind die "cruck houses", wo krumm gewachsene Baumstämme in ihrer Krümmung baulich genutzt werden. Die Ausfachung nennt sich "wattle and daub"; der Kontrast zwischen den gewöhnlich fast schwarzen Balken und den weißen Fächern ist typisch und führte zur Bezeichnung "Tudor style". Am besten erhalten sind allemal die Pubs.



Auch in Frankreich gibt es eine reiche Fachwerktradition ("pan de bois"); hier sind es besonders Nordfrankreich (Normandie!) und das Elsaß. Daneben auch in den Niederlanden, in Belgien und – man höre und staune! - in Amerika. Eigentlich logisch: von europäischen Einwanderern "eingeschleppt" und ein Stil, der sich schließlich über Jahrhunderte bewährt hat.





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