Man muss nicht vom
Fach sein, um Fachwerk zu mögen; es hat (heute, muss man sagen;
früher war das anders) etwas Romantisches und gilt als so deutsch
wie Grimms Märchen. Fragen Sie einmal die Heerscharen von
japanischen Touristen, die durch Rothenburg ziehen, was ihnen dort so
gefällt! Eigentlich war die Fachwerk-Bauweise die Art, wie weniger
begüterte Menschen ihre Häuser bauten. Wer es sich leisten konnte,
baute in Stein (war also "steinreich". Das gilt natürlich
nicht für den Backstein). Fachwerk besteht aus einem Skelett von
Hölzern, die senkrecht (Ständer), waagerecht (Riegel)
und zumindest in Deutschland auch schräg (Streben) angebracht
sind und beim fertigen Bau von außen zu sehen sind. Die Fächer
dazwischen (daher "Fach"werk) wurden entweder mit einem
Weidengeflecht verschlossen, das mit Lehm verschmiert wurde, oder sie
wurden mit Steinen (mancherorts dann auch mit Backsteinen) verfüllt
und gewöhnlich weiß gestrichen. Die Balken blieben dann meist
braun, wurden gelegentlich auch farbig bemalt. Später, als man sich
der "billigen" Bauweise schämte, wurde oft die ganze
Fassade verputzt, das Fachwerk also versteckt. Mit etwas Gewöhnung
sieht man es diesen Häusern an, was unter dem Putz liegt.
Auf jeden Fall, und
das ist das Schöne am Fachwerk, ist jedes Haus ein Individuum, jeder
Balken ist anders krumm, und das Ganze lebt und atmet geradezu. Übrigens gibt es
regionale "Schulen" im Fachwerkbau: Rheinisch-Fränkisch,
Nord- und Ostmitteldeutsch, und Schwäbisch-Alemannisch. Einzelheiten
würden jetzt zu weit führen. Aber so leuchtet ein, warum
Zimmerleute "auf die Walz" gingen – man sieht sie
gelegentlich heute noch. Die breit ausgestellten Hosenbeine (mit
"Schlag": damit kein Sägemehl in die Schuhe fiel), die
Weste mit (8) Perlmuttknöpfen und der breitkrempige Hut (wiederum damit kein Sägemehl
in den Kragen fiel) – kein Zweifel am "zünftigen"
Zimmermann (ein "ehrbares" Handwerk!) Er hatte übrigens
auch meist einen (nur einen!) Ohrring, und wenn ihm der unehrenhaft
abgerissen wurde, war er ein "Schlitzohr". Ach ja, und auf
die Walz ging er natürlich, um möglichst viele Konstruktionsweisen
kennenzulernen.
Fachwerk gibt es
auch in Osteuropa, etwa in Böhmen, Polen oder Litauen, aber es ist
dort in aller Regel eine Folge der Besiedlung dieser Landstriche
durch deutsche Immigranten, also, wenn man so will, "deutsches
Fachwerk" und sieht auch so aus.
Fachwerk ("timber
framing") in England (kaum in anderen Teilen der britischen Inseln)
ist französisch (bzw. normannisch) beeinflußt und zeichnet sich
durch enggestellte Ständer ("studs") aus, praktisch ohne Streben und
Riegel.
Eine britische
Besonderheit sind die "cruck houses", wo krumm gewachsene
Baumstämme in ihrer Krümmung baulich genutzt werden. Die Ausfachung
nennt sich "wattle and daub"; der Kontrast zwischen den
gewöhnlich fast schwarzen Balken und den weißen Fächern ist
typisch und führte zur Bezeichnung "Tudor style". Am
besten erhalten sind allemal die Pubs.
Auch in Frankreich
gibt es eine reiche Fachwerktradition ("pan de bois"); hier
sind es besonders Nordfrankreich (Normandie!) und das Elsaß. Daneben
auch in den Niederlanden, in Belgien und – man höre und staune! -
in Amerika. Eigentlich logisch: von europäischen Einwanderern
"eingeschleppt" und ein Stil, der sich schließlich über
Jahrhunderte bewährt hat.
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