Mal was über Orange.

Orange?

Samstag, 1. Dezember 2012

Pünkte


Punkte Punkte Pünkte
sind schön und interessant
wie mich als Kind schon dünkte
[Christoph Stählin] 

Natürlich hängt die Geschichte der Zeichensetzung mit der Geschichte des Schreibens eng zusammen. Zeichensetzung, könnte man meinen, sei etwas, das ab dem Moment notwendig ist, ab dem Worte geschrieben werden.

Doch weit gefehlt: nicht einmal die scheinbar unabdingbare Vorstufe zur Zeichensetzung, der Leerraum zwischen Wörtern, schien zu allen Zeiten notwedig: in der römischen Antike etwa wurden Wörter mitunter durch einen Punkt getrennt (der hieß Interpunctum, daher auch Interpunktion), sehr oft aber eben nicht:

DIEALTENRÖMERSCHRIEBENOFTALLESZUSAMMENUNDALLESINVERSALIENWASNATÜRLICHSCHWERZULESENIST: MANCHMAL/GEBRAUCHTEN/SIE/DIE/VIRGULA (heute: "slash"- Von Virgula leitet sich natürlich das französische Wort für Komma ab, <vergule>).

Die Griechen übrigens kannten tatsächlich ein Interpunktionssystem mit Punkten, deren jeweilige Position (auf der Grundlinie, in mittlerer Höhe oder oben in der Schriftzeile) jedoch mehr der Rhetorik dienten (und kurze, mittlere oder lange Pausen signalisierten) und nicht als Mittel zur Textstrukturierung, wie die heutigen Satzzeichen. Davon abgesehen, schrieben sie im Normalfall wie die Römer, in der scriptio continua.

auchimmittelalterschriebmangewoehnlichzusammenaberoftinsogenanntenminuskeln (von denen unsere Kleinbuchstaben abstammen); manche Buchstaben entwickelten nun allmählich Unterlängen (wie g, y oder j), manche Oberlängen (wie b, d oder f), was ein wenig zur Lesbarmachung beitrug. Nur wurde leider noch lange relativ willkürlich manches groß, anderes wieder klein geschrieben, und dies ist zumindest für den heutigen Leser recht verwirrend. Immerhin wurden nun vereinzelt Zeichen, wie der Punkt (.) oder die Virgula (/), als gliedernde Satzzeichen verwendet.

Übrigens änderte sich von der Antike über das Mittelalter zur Neuzeit das Lesen selbst, und zwar nicht unerheblich: In der Antike, als beileibe nicht jedermann des Lesens kundig war (und man sich im Falle der Römer schon auch einmal einen griechischen Sklaven hielt, der lesen konnte) war Vorlesen wichtig, später las selbst der des Lesens Kundige laut, und erst allmählich entwickelte sich das sogenannte stumme Lesen, wie wir es kennen. Auch heute noch gibt es Menschen (vor allem die, die erst vor kurzem lesen lernten), die brav mit dem Finger auf der Zeile auf das deuten, was sie Lesen. "Profis" brauchen das i.d.R. nicht mehr. Und doch: In kaum einer Kultur hat das Lesen einen höheren Stellenwert als in der jüdischen, und gerade in den Synagogen wird rituell beim Vorlesen aus der Tora ein (meist silberner) kleiner Zeiger verwendet: der Text ist zu heilig, um profan mit den Fingern berührt zu werden!

Im frühen Buchdruck schließlich / als die ersten satz=zeychen aufkamen / gliederte man den text wenigstens einiger Maaßen / auch wenn die Kunst der Ortho=Graphia / einem das lesen / Manches Mal schwer machte. Doch nach und nach werden etwa ab 1630 mehr oder weniger systematisch weitere Satzzeichen eingeführt, so nun auch das Semikolon (;), Kolon (:) und vor allem das Komma (,). Ob dies nun Ursache oder Folge war: auf jeden Fall wurden die Texte nun komplexer, mussten gelegentlich wohl auch mehrfach gelesen werden, und die Gliederung durch Satzzeichen war dabei von enormer Bedeutung. Nebenbei: Frage- und Ausrufezeichen galten eher als rhetorische Hilfen, denn als Zeichen des Satzschlusses.

Übrigens geschieht die Gliederung von Texten durch differenzierte Satzzeichen durchaus auch schon in manchen Manuskripten; in Irland zum Beispiel entwickelten die Schreiber schon um das 8. Jahrhundert Mittel der Textgliederung, die z.T. modernen Satzzeichen entsprechen (daneben dienten auch Initialen, Schiftform und -farbe eben diesem Zweck). Doch dem Beispiel wurde nicht oft Folge geleistet, und die "moderne" Interpunktion setzte voll erst mit dem Buchdruck ein. Interessanterweise stellte dieser gleichzeitig zunächst eine gewisse technische Einschränkung bei der Entwicklung der Satzzeichen dar: Im Bleisatz läßt sich so ein kleine Strich- oder Pünktlein nicht so einfach einschieben, wie das beim Manuskript möglich gewesen wäre.

Allmählich erwachte auch ein Interesse an einer theoretischen Beschäftigung mit der Sprache: Grammatiken und Regelbücher beschrieben, analysierten.

Was tun nun die Satzzeichen? Sie gliedern, fügen bei, ordnen unter: ein ganze Bandbreite an Optionen - Möglichkeiten, wenn man so will. Eine Pracht! Wirklich? Man kann "zitieren", (erklären) & (+?) vieles mehr: doch genug!!
Arno Schmidt lehrte die Zeichen reden: - ?? ja! > !!
Das hatte Dada auch schon getan, nur viel weniger systematisch!"§"$%&/da)/&§%"/DA

nehmen wir - z.B. - den Punkt:

Er markiert das Ende des Satzes. Period. Full stop. Point. el oder il punto. Wir gehen mit der Satzmelodie runter. Andere rauf: das wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Er markiert die Satzgrenze, gibt dem Satz Vollendung und Würde: so manchen Satz versteht man erst vom Ende her.

Er kürzt ab: die USA schreiben ihr Land immer U.S.A. als würden sie es tatsächlich ernst meinen. Die F.D.P. tat das auch mal, von 1968 bis 2001, bis sie merkte, daß das eher albern war. Die F.A.Z. kürzt man immer so ab, die taz nicht.

Im Deutschen macht der Punkt eine Kardinal- zu einer Ordinalzahl; wir tun das sogar beim Datum und schreiben 9. November; der 3. ist der Dritte und basta.

Manchmal schafft er Übersicht: 1.000.000 ist leichter als Million lesbar als 1000000.

Er wirkt kompromißlos, kompetent: "dräger. Technik für das Leben" (auf der Website von dräger USA [draeger.com] heißt das "technology for life". Früher hätte man nach dem Firmennamen wahrscheinlich einen Gedankenstrich gemacht: "dräger - Technik für.." oder vielleicht einen Doppelpunkt. Heute faßt man sich kürzer.

Mitunter tut der Punkt sich mit seinesgleichen zusammen... den Rest muß man sich denken. Oft i:st ... was ausgelassen.

Fußnoten

  1. was sich natürlich bei Schriftsystemen wie den ägyptischen Hieroglyphen von selbst verbietet.
  2. bei den Griechen gibt es in der Frühzeit etwas ganz Eigenartiges; in manchen Texten läuft der Text zunächst von rechts nach links, in der folgenden Zeile dann von links nach rechts, dann, in der dritten Zeile, wieder in der entgegengesetzten Richtung, und so weiter. Das hieß boustrophedon: wie der Bauer mit dem Ochsen pflügt.
  3. ein Hersteller von medizintechnischen Geräten: hier sein Werbespruch

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